Darlehen statt SubventionenHilfe für Hausbesitzer – Bern testet neues Modell für Energiewende
Ein neues Finanzierungsmodell soll helfen, die Gebäude in der Schweiz rasch klimatauglich zu machen – ohne Subventionen. Die Stadt Bern erwägt einen Pilotversuch.
![Die einen haben eine Solaranlage, die anderen nicht: Viele Häuser in der Schweiz sind noch nicht klimatauglich.](https://cdn.unitycms.io/images/0Mx0GaFIqJUADYL2ZpwZVs.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=-NMaXA2PUww)
Roland Burkhart hätte gerne eine Solaranlage auf seinem Hausdach. Am Willen fehle es nicht, aber am Geld, sagt der 67-jährige Ustermer. Das Problem: Das Doppel-Einfamilienhaus, in dem Burkhart wohnt, ist mehr als 40 Jahre alt, das Dach ist relativ schlecht isoliert. Es lohne sich daher nicht, jetzt nur eine Solaranlage zu installieren, man müsse gleichzeitig das Dach erneuern. «Dann aber wird es richtig teuer», sagt Burkhart. Kostenpunkt: 150’000 Franken, ohne gleichzeitige Dachsanierung wäre es etwa die Hälfte. Selbst mit den Fördergeldern des Staates sei «das Ganze kaum realisierbar».
Burkhart ist kein Einzelfall. Auch wenn die Politik mittlerweile gewillt ist, die erneuerbaren Energien schneller auszubauen – die Umsetzung harzt, gerade bei privaten Hauseigentümern. Dabei kommt just ihnen eine Schlüsselrolle zu. Mehr als die Hälfte der Gebäude ist über 40 Jahre alt.
Vom Staat abgesichert
Der Gebäudesektor insgesamt macht etwa ein Viertel der CO₂-Emissionen in der Schweiz aus. Pro Jahr werden aber weniger als 1 Prozent der Häuser saniert. Geht es in diesem Tempo weiter, ist der Gebäudepark erst im 22. Jahrhundert klimatauglich – zu spät, um bis 2050 die Klimaneutralität zu erreichen. Die Sanierungsquote muss gemäss Experten auf jährlich etwa 3 Prozent steigen.
Wie das gehen soll, ist umstritten. Reicht Freiwilligkeit? Braucht es vom Staat weitere Subventionen? Einen anderen Ansatz bringt nun der Verband Swisscleantech ins Spiel. «Wir schlagen vor, eine neue Form von Energiedarlehen zur Gebäudemodernisierung zu schaffen», sagt Geschäftsführer Christian Zeyer.
Die Idee: Bauherrschaften, die ihre Immobilie klimatauglich machen wollen, können für vordefinierte Massnahmen ein langfristiges Darlehen erhalten. Hauseigentümer, die ins Pensionsalter kommen, aber auch junge Familien, haben oft nicht die erforderlichen Rückstellungen für solche Investitionen.
Mit dem Darlehen können sie die notwendigen Investitionen an der Gebäudehülle und -technik tätigen, etwa die Fassade, Dach oder Fenster sanieren, allesamt Elemente mit einer Lebensdauer von 30 oder mehr Jahren. Dabei können die Hausbesitzer bis zu 100 Prozent der Kosten vorgeschossen erhalten. Das ist ein erster zentraler Unterschied zum bestehenden Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen, das nur einen Teil der Sanierungskosten deckt.
Geld kommt von der Finanzbranche
Eine weitere Differenz: Das Geld soll nicht vom Staat kommen, sondern von Versicherungen, Pensionskassen und Banken. Doch es gibt ein Problem: Heute sind die Finanzinstitute kaum willens, ihre Mittel über 30 Jahre oder länger zu binden, weil damit Risiken verknüpft sind, etwa die Zins- und Wirtschaftsentwicklung. Dieses Risiko muss also jemand auffangen. Und das soll der Staat sein. «Er übernimmt das Ausfallrisiko», sagt Zeyer.
Die Hauseigentümer ihrerseits zahlen jährlich einen fixen Beitrag für Amortisation und Zins. Dabei haben sie Zeit, den Kredit über den ganzen Lebenszyklus der Investition zurückzahlen, also über 30 oder mehr Jahre – anders als bei klassischen Hypotheken, deren Rückzahlhorizont deutlich kürzer ist. Für die Hauseigentümer ist die jährliche Belastung also tiefer und sie können die Investition eher tragen, so die Hoffnung von Swisscleantech.
«Beim reinen Subventionsmodell stellen sich verschiedene Probleme.»
Der Verband versteht seinen Vorschlag als Ergänzung zu den bereits bestehenden Instrumenten wie dem staatlichen Gebäudeprogramm, Steuererleichterungen und der CO₂-Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe. Ausgearbeitet hat er das Modell mit Experten der Bau- und Finanzwirtschaft. Involviert ist auch die Hochschule Luzern. Justus Gallati vom Institut für Betriebs- und Regionalökonomie sieht im Instrument gewichtige Vorteile. «Beim reinen Subventionsmodell stellen sich verschiedene Probleme», sagt er.
Zum einen bestünden hohe Mitnahmeeffekte, weil davon viele Hauseigentümer profitieren, die die Investition ohnehin getätigt hätten. «Es dürfte zudem auf lange Sicht schwierig sein, genügend Mittel bereitzustellen, um alle notwendigen Erneuerungen zu fördern», sagt Gallati. Einzelne Städte verfügten zwar über ausreichend Mittel, etwa Zürich oder Basel, aber auch hier stelle sich die Frage, ob diese hohe Förderung auf Dauer aufrechterhalten werden könne.
Indes: SP und Grüne planen eine Volksinitiative für einen Klimafonds, mit dem der Staat zwischen 0,5 und 1 Prozent des BIP in die ökologische Wende der Schweiz investieren soll, also rund 3,5 bis 7 Milliarden Franken pro Jahr. SP-Fraktionschef Roger Nordmann sagt mit Blick auf den Swisscleantech-Vorschlag, der Zugang zu Liquidität sei nur in gewissen Fällen ein Problem. «Nur verstärkte Förderung wird wirklich helfen.»
Ob das Volksbegehren politisch Chancen hat, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Das gilt freilich auch für das Modell von Swisscleantech. Sicher ist: Das Modell ist komplex, weil es die Zusammenarbeit verschiedener Akteure erfordert. Es sei deshalb wichtig, sagt Gallati, die finanzielle Seite mit der Information und der Beratung der Hauseigentümer geschickt zu verknüpfen und das Modell möglichst einfach in der Anwendung zu gestalten.
3,7 Milliarden Franken ausstehend
Der Bund als Sicherheitsgarant: Dieses Modell existiert schon heute bei der Förderung gemeinnützigen Wohnraums. Der Bund verbürgt Anleihen der sogenannten Emissionszentrale für gemeinnützige Wohnbauträger (EGW), welche diese auf dem Kapitalmarkt aufnimmt. Dadurch kann die EGW günstige und relativ langfristige Darlehen, meist 15 bis 20 Jahre, an Wohnbaugenossenschaften vergeben.
Das Parlament hat seit 2003 vier Rahmenkredite für derartige Eventualverpflichtungen gesprochen, zuletzt 1,9 Milliarden Franken für die Periode 2021 bis 2027. Das ausstehende Bürgschaftsvolumen beträgt circa 3,7 Milliarden Franken. «Es musste noch keine Bürgschaft honoriert werden», schreibt das Bundesamt für Wohnungswesen auf Anfrage. Eine Übertragung des Bürgschaftsmodells auf andere Förderzwecke, etwa energetische Sanierungen, scheine «durchaus möglich».
Einen Praxistest könnte das Modell von Swisscleantech in der Stadt Bern durchlaufen. Dort ist ein Pilotprojekt in Vorbereitung. Das bestätigt Adrian Stiefel, Amtsleiter der Direktion für Sicherheit, Umwelt und Energie. «Die Grundidee von Swisscleantech kann ein wichtiges ergänzendes Instrument sein, um die notwendige Erhöhung der Gebäudesanierungsquote zu erreichen.» Es gelte jedoch, noch offene Fragen zum Test in der Praxis zu klären, zum Beispiel, wer genau mitmache. Bis Ende Mai soll klar sein, ob das Pilotprojekt starten wird.
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