Umgang mit invasiven PflanzenWas ist denn so schlimm an Neophyten?
Ein Plädoyer fürs Chillen: Unsere Autorin muss ihre Sichtweise auf Tessinerpalme und Sommerflieder ändern, wenn sie sich entspannen will.
Woher kommen plötzlich diese grossen Gefühle? Den Sommerfliedern gegenüber, den Staudenknöterichen, und vor allem: der Tessinerpalme in meinem Garten, deren wahren Namen – Chinesische Hanfpalme – ich heuer zum ersten Mal überhaupt gehört habe.
Es lag noch Schnee auf deren Palmwedeln, als der Bundesrat am 1. März an einer Sitzung eine Anpassung der Freisetzungsverordnung beschlossen hat. Seit dem 1. September dürfen gewisse invasive gebietsfremde Pflanzen nicht mehr auf den Markt gebracht werden. Sprich: Per Gesetz sind falsche Mimose, japanisches Geissblatt oder Verlotscher Beifuss als böse anzuschauen. Sie können laut Eidgenossenschaft «ökologische, ökonomische und gesundheitliche Schäden verursachen».
Mir kam dieses Verbot über das «Inverkehrbringen von gewissen Pflanzen» (das unter anderem Gärtnereien in Bedrängnis brachte) erst mal sehr recht. Mit grossem Eifer riss ich in meiner einigermassen heilen Welt ja schon seit Jahren einjährige Berufkräuter (laut Bund «invasive gebietsfremde Organismen») aus, deren Verbreitung mir stets unheimlich war (dank Plakaten meiner Wohngemeinde wusste ich, wie sie aussahen).
Palmenmeer im Tessin – muss ich jetzt durchdrehen?
Wenn ich auf Spaziergängen im Grossraum Bern welche entdeckte, legte ich sie auf den Waldweg, auf dass sie dort elendiglich vertrocknen würden. Ich habe schon mehrere Versuche unternommen, einen Sommerflieder auszugraben (ein Ding der Unmöglichkeit, jedenfalls für mich). Ja, so war ich drauf.
Dann aber – der 1. September rückte näher – hielt ich mich im Tessin auf. Oder soll ich sagen: in einem Palmenmeer, das flankiert von Götterbäumen in ein Feld von Verlotscher Beifüssen mündete? So kam es mir vor, vielleicht waren meine Sinne plötzlich geschärft, ich hatte nichts zu tun ausser Landschaft gucken.
Ich hatte zwei Möglichkeiten: In meinen Ferien durchdrehen. Oder – einfach mal entspannen.
Ich entschied mich für Letzteres. Etwas anderes blieb mir auch gar nicht übrig mit Sicht auf den Japanknöterich, der nach einschlägigen Quellen in allen Regionen der Schweiz anzutreffen ist, ausser vielleicht im oberen Teil des Engadins.
Der Mensch steckt hinter den Neophyten
Im Schatten der zwei Meter hohen Wand aus Kirschlorbeer begann ich zu realisieren: Ja, diese Pflanzen verbreiten sich schnell. Ja, sie verdrängen heimische Arten. Aber beim seidigen Hornstrauch! Mit einem gewissen Befremden musste ich eingestehen, dass mich diese Kriegsrhetorik recht einfach erobert hatte.
Wenn es um Neophyten geht, ist immer die Rede von gebietsfremden Invasoren, gegen die man kämpfen muss, von einer bedrohten Heimat, die es zu verteidigen gilt. Damit wird suggeriert, dass diese Pflanzen in Heerscharen in unser Land einwandern. Dabei ist es doch der Mensch, der sie überhaupt eingeschleppt hat.
Solcherlei überlegte ich mir und ausserdem: Ökosysteme sind nicht statisch. Ist ein Leben unter einer Chinesischen Hanfpalme wirklich so schlimm?
Ich denke nicht. Es lässt sich sogar recht gut chillen darunter – sobald ich die Blüten im Kehricht entsorgt habe.
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