Virtuelle Undercover-AgentenSchweizer Geheimdienst darf in Whatsapp-Chats mitlesen
Der Nachrichtendienst des Bundes möchte seine Leute in Messenger-Dienste einschleusen. Das ist rechtmässig, bescheinigt nun die Aufsichtsbehörde. Kritik gibt es trotzdem.

Verschlüsselte Messenger-Dienste wie Signal oder Telegram sind nicht nur bei der US-Regierungsspitze als Kommunikationskanal beliebt, auch Terror-Verdächtige und politische Extremisten tauschen sich zunehmend in geschlossenen Chatgruppen aus. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) will virtuelle Agenten unter falschen Identitäten in solche Chats einschleusen, damit sie dort mitlesen können. Bislang war offen, ob das legal ist.
Die unabhängige Aufsichtsbehörde über die nachrichtendienstlichen Tätigkeiten des Bundes (AB-ND) hat diese Frage nun in einem Prüfbericht beantwortet. Die weltweite Bedrohungslage erfordere es, dass der NDB nachrichtendienstlich relevante Informationen mittels virtueller Agenten beschaffen können müsse. Die rechtlichen Grundlagen dafür seien im Nachrichtendienstgesetz vorhanden, schreibt die AB-ND. Der Einsatz sei demnach grundsätzlich rechtmässig. Ohne virtuelle Agenten bestehe die Gefahr, dass der Geheimdienst Bedrohungen nicht rechtzeitig identifizieren könne.
Online-Geheimdienstarbeit ist nicht das Gleiche wie ein Einsatz im realen Leben
Für virtuelle Agenten sollen dieselben rechtlichen Voraussetzungen wie für verdeckte Einsätze in der realen Welt gelten, so die AB-ND. Geheimdienst-Kritiker stören sich daran. «Die bestehende Gesetzesgrundlage reicht nicht», sagt etwa Viktor Györffy im Gespräch mit SRF. Der Einsatz virtueller Agenten müsste ausdrücklich und spezifisch geregelt werden, so Györffy, der als Rechtsanwalt arbeitet und Vorstandsmitglied der Digitalen Gesellschaft ist.
Seine Argumentation: Die Online-Geheimdienstarbeit sei nicht gleichzusetzen mit einem Einsatz im realen Leben. Im virtuellen Raum sei die Täuschung einfacher, weil man kein echtes Gegenüber habe, sagt Györffy. Zudem gebe es mehr Möglichkeiten zur Tarnung, beispielsweise das Imitieren von Stimmen anderer Personen. Und virtuelle Agenten könnten mit wenig Aufwand viel aktiver sein als ihre Kollegen im echten Leben.
Auch Prüfer sind unzufrieden mit dem NDB
Die AB-ND betont, dass die Messlatte für einen Einsatz virtueller Agenten beim NDB hoch angelegt sei. So reiche ein isolierter Hinweis eines Partnerdienstes nicht als Grundlage für eine Einsatzbewilligung. Vielmehr müsse der NDB über «eigene verlässliche Informationen aus dem Internetmonitoring verfügen», um einen virtuellen Agenten auf einen Gruppenchat anzusetzen.
Dennoch bleibt auch der Bericht der Geheimdienst-Aufsicht nicht frei von Beanstandungen. Die AB-ND moniert, dass zwar die rechtlichen Grundlagen für die virtuellen Agenten vorhanden seien, konkrete Regeln und Richtlinien für deren Einsatz aber nicht. Ähnliche Kritik gab es bereits vergangenes Jahr für das Sammeln von Informationen im Internet. Auch sei das Tempo beim Aufbau einer Sektion für virtuelle Agenten beim NDB unbefriedigend: Fragen zu den Einsatzregeln würden teilweise seit Jahren diskutiert, die Zuständigkeit für das Projekt sei mehrfach herumgeschoben worden. Der Aufbau der Einheit sei deshalb «ineffizient und nicht zweckmässig» erfolgt.
Ob virtuelle Agenten bereits zum Einsatz kamen, bestätigt die AB-ND nicht explizit. Der Prüfbericht legt aber nahe, dass ein Einsatz bereits erfolgt ist. Auch der NDB selbst ging auf entsprechende Fragen nicht ein. Er äussere sich zu seinen operativen Tätigkeiten und Vorgehensweisen nur gegenüber der Departementsleitung, dem Bundesrat und den Aufsichtsorganen, so der NDB gegenüber SRF.
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