Krieg im Nahen OstenIsrael bombardiert den Jemen und droht der Huthi-Miliz
Erstmals erklärt Israels Geheimdienst, wie er der Hizbollah jene Pager verkauft hat, deren gezielte Explosionen Dutzende Terroristen töteten. Die Botschaft: Die Anführer der Huthi im Jemen sollen um ihr Leben fürchten und die Angriffe auf Israel stoppen.
- Die Huthi-Miliz feuert weiterhin Raketen auf Israel und sorgt für Alarm.
- Israel droht mit Angriffen auf strategische Infrastruktur der Huthi und ihrer Anführer.
- Zwei Ex-Mossad-Agenten berichteten über geheime Operationen gegen die Hizbollah.
- Israels Regierung benötigt internationalen Rückhalt für effektive Massnahmen gegen den Iran.
Es sind Aussagen, die nach aussen ebenso wirken sollen wie nach innen. Nachdem in der Nacht auf Mittwoch die Huthi-Miliz erneut vom Jemen aus Raketen auf Israel abgefeuert hatte und viele Israelis in Tel Aviv und der Mitte des Landes vom Luftalarm geweckt wurden und in Bunker eilen mussten, hielt Premier Benjamin Netanyahu eine kurze Rede. «Die Huthi werden lernen, was die Hamas, die Hizbollah und das Regime von Assad auch gelernt haben», sagte Israels Premier.
Welche Lektion seine Regierung meint, hatte zuvor bereits Verteidigungsminister Israel Katz ausgesprochen. Er droht den Huthi direkt: «Wir werden die strategische Infrastruktur angreifen und ihre Anführer enthaupten. So wie wir es mit Haniya, Sinwar und Nasrallah in Teheran, im Gazastreifen und im Libanon gemacht haben.» Damit ist erstmals offiziell bestätigt, wovon alle ausgegangen waren: Hinter der Tötung des Hamas-Politbüro-Chefs Ismail Haniya in Teheran Ende Juli steckt der israelische Geheimdienst Mossad. Und die Botschaft ist klar: Wer uns angreift, riskiert sein Leben.
Diese Warnungen sollen die israelische Bevölkerung beruhigen und ihr signalisieren, dass die Attacken der Huthi bald ein Ende finden. Zurzeit feuert die Miliz fast in jeder Nacht Drohnen und Raketen ab. Seit dem Waffenstillstand zwischen Israel und der Hizbollah, der seit einem Monat anhält, sind die Huthi der letzte Teil der vom Iran finanzierten «Achse des Widerstands».
Gezielte Indiskretion
Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass zwei Ex-Mitarbeiter des Mossad mit dem Politikmagazin «60 Minutes» des US-Fernsehsenders CBS sprachen. Die Männer, im Beitrag als Michael und Gabriel bezeichnet und durch Masken und veränderte Stimmen unkenntlich gemacht, beschreiben jene Aktionen, die Mitte September Schockwellen durch die Region sendeten: die Attacken auf die schiitische Hizbollah-Miliz mit Funkgeräten und Pagern.
Solche Einblicke gibt es nur mit Zustimmung von Mossad-Chef David Barnea, und sie sollen den Huthi und Iranern vor Augen führen, dass sie sich nirgends sicher fühlen können. «Die Verwundeten im Libanon sind der lebende Beweis dafür, dass wir allen im Nahen Osten überlegen sind», sagt Gabriel. Michael leitete die Aktion mit den Funkgeräten, die schon 2014 begann. Man habe Sprengstoff entwickelt, der in einer Batterie verborgen wurde und nicht zu entdecken war.
Die Hizbollah kaufte den Tarnfirmen des Mossad 16’000 Walkie-Talkies ab, ohne Verdacht zu schöpfen. «Wir haben ihnen einen sehr guten Preis gemacht», sagt Michael. Für die Beschaffung und Manipulation der Pager, die am 17. September 2024 in Beirut und anderen Orten im Libanons explodierten, war Gabriel zuständig.
Man habe gewusst, dass die Hizbollah die Pager in Taiwan bei der Firma Gold Apollo gekauft habe, und für diese Geräte Sprengstoff entwickelt, schildert Gabriel. Dies gelang, doch die Pager wurden schwerer und klobiger. «Wir haben also eigene Werbeclips gedreht und ins Internet gestellt, in denen die neuen Modelle etwa als robust und wasserdicht beschrieben wurden», sagt Gabriel.
Eine Scheinwelt aufgebaut
Um die manipulierten Geräte an die Schiiten-Miliz zu bringen, wurden diverse Firmen gegründet, um die Herkunft zu verschleiern. «Es war wie im Film ‹Truman Show›, wir haben eine Scheinwelt aufgebaut und alles kontrolliert», sagte Gabriel.
Von Israel aus wurden am 17. September 5000 Explosionen ausgelöst; nach UNO-Angaben starben mindestens 37 Menschen, und 3400 wurden verletzt. Gabriel zufolge hatte der Mossad «viele Tests vorgenommen, damit nur der Terrorist verletzt wird und nicht etwa seine Frau oder Tochter». Dies misslang, zwei Kinder starben, viele Zivilisten wurden verwundet. Am 18. September sprengte der Mossad auch die Walkie-Talkies in die Luft.
Der Mossad arbeitet schon an der «nächsten Sache»
Gabriel gibt offen zu, dass es nicht das Ziel gewesen sei, möglichst viele Hizbollah-Kämpfer zu töten. «Um Verwundete muss man sich kümmern, ihre Versorgung kostet Geld. Und jene Kämpfer, die ohne Hände oder Augen im Libanon herumlaufen, die zeigen allen: Legt euch nicht mit Israel an.» Der TV-Beitrag endet mit der Botschaft, die der Mossad wohl den Huthi übermitteln will: Man habe das Pager-Projekt beendet, aber arbeite schon an der «nächsten Sache». Und man kenne die Verletzbarkeit der Gegner.
Allerdings betonen israelische Medien, dass die Huthi nicht so leicht zu schwächen seien. «Für sie reicht es, alle zwei Tage eine Rakete abzufeuern, um allen zu zeigen, wer Israel als Letztes die Stirn bietet», schreibt Amos Harel, der Militärexperte von «Haaretz». Israels Armee hingegen müsse sehr viele Ressourcen aufwenden, um die Huthi in knapp 2000 Kilometer Entfernung anzugreifen.
Bei «Israel Hayom», einer Netanyahu zugeneigten Zeitung, heisst es, dass die Raketen der Huthi nur geringe Schäden verursachen: «Aber sie führen dazu, dass der internationale Flugverkehr nach Israel eingeschränkt bleibt und die Touristen und Geschäftsleute fernbleiben.» Und «Yediot Ahronot» erinnert daran, dass es «sehr lange» gedauert habe, ehe die Hamas-Anführer im Gazastreifen getötet werden konnten. Und für ein effektives Vorgehen gegen die Huthi und deren Schutzmacht Iran brauche es etwas, was Israels Regierung zurzeit fehlt: internationalen Rückhalt.
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