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Neuer Bericht zur Haniya-Bombe
Agenten in Bäumen und gekaufte Wächter: So hat der Mossad den Hamas-Chef getötet

Die israelischen Agenten sassen in grüner Tarnkleidung in den Bäumen rund um das Gästehaus und beobachteten die Bewegungen von Hamas-Chef Haniya aus der Ferne. Die Bombe wurde von zwei bezahlten Revolutionsgarden gelegt.
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Eine Recherche der ältesten jüdischen Wochenzeitung «The Jewish Chronicle» liefert neue Hintergründe zur Tötung des Hamas-Chefs Ismail Haniya. Die britische Zeitung beschreibt unter anderem, wie die Bombe im iranischen Gästehaus platziert wurde. Das passierte gemäss «Jewish Chronicle» nicht schon Monate im Voraus, wie die «New York Times» mit Verweis auf mehrere Quellen berichtet hatte, sondern erst Stunden vor der Explosion.

Auswertungen der Videobilder aus dem Gästehaus liessen keine Zweifel am Ablauf zu, heisst es im Artikel. Alle Bilder wurden minutiös ausgewertet. Die Bombe wurde demnach am Nachmittag um 16.23 Uhr platziert, rund neun Stunden vor der Explosion um 01.37 Uhr nachts. Die Überwachungskameras zeigen gemäss «Jewish Chronicle», wie zwei iranische Revolutionsgarden zum Zimmer von Haniya schleichen, die Tür mit einem Schlüssel öffnen und hineingehen.

Drei Minuten später sei auf den Bildern zu sehen, wie die beiden Wächter in Ruhe aus dem Zimmer gehen, über Treppen zum Haupteingang laufen und in ein schwarzes Auto steigen. Am Checkpoint werden sie von ihren Kollegen erkannt und durchgewunken, ihre Flucht vom Tatort gelingt.

Die Bombe, die sie unter Haniyas Bett angebracht haben, soll nur rund 15 x 7,5 cm gross gewesen sein. Der Sprengsatz war so klein, weil er keine Unbeteiligten töten sollte. Ziel des Anschlags waren nur Haniya und sein Bodyguard, der gemäss «Jewish Chronicle» auch ein Hamas-Terrorist war.

Die beiden iranischen Revolutionsgarden seien vom israelischen Geheimdienst Mossad angeheuert worden. Sie erhielten für das Platzieren der Bombe eine sechsstellige Summe in US-Dollar und die Garantie auf ein neues Leben in Nordeuropa. Rund eine Stunde nachdem sie vom Gästehaus losgefahren seien, habe der Mossad sie bereits ausser Landes geschafft, heisst es.

Monatelange Planung des Haniya-Attentats

Die Planung der Tötung begann laut dem Artikel unmittelbar nach dem Terrorangriff vom 7. Oktober. Agenten des Mossads begannen nach günstigen Möglichkeiten zu suchen, um den Hamas-Chef zu eliminieren. Zuerst wurde offenbar eine Tötung in Katar erwogen, wo sich Haniya mehrheitlich aufhielt. Letztlich sah der Mossad aber davon ab, um die Geiselverhandlungen nicht zu gefährden, in die Katar involviert ist.

epa11038096 A handout photo made available by the Iranian foreign ministry office shows Iranian Foreign Minister Hossein Amir-Abdoulahian (L) shaking hands with Hamas leader Ismail Haniyeh (R) in Doha, Qatar, 20 December 2023. The Iranian top diplomat is visiting Qatar for the fourth time since the beginning of the Hamas-Israel conflict.  EPA/IRANIAN FOREIGN MINISTRY HANDOUT  HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES

Spione des Mossads kontaktierten deshalb lokale Netzwerke im Iran, die seit über 20 Jahren das Atomprogramm überwachen. Der Mossad konnte so Anrufe abhören, welche die Ankunft Haniyas für die Präsidentschaftsfeier im Iran bestätigten. Erst dann wurde der Plan, den Hamas-Chef im Gästehaus zu töten, aktiviert.

Der Mossad sandte dafür eigene Agenten in den Iran, um die Lage genau auszukundschaften. Weil das Gästehaus auf einem Hügel steht und von einem Wald umgeben ist, mussten die Agenten zu speziellen Mitteln greifen. Fünf Männer tarnten sich in grüner Kleidung und kletterten in die Bäume rund um das Gästehaus, schreibt «The Jewish Chronicle». Von dort beobachteten sie die Bewegungen und Abläufe – und planten das Attentat und allfällige Fluchtrouten.

Auch am entscheidenden Tag sassen mehrere Agenten in den Bäumen und meldeten die Ankunft von Haniya im Gästehaus. Andere beobachteten das Zimmer von aussen. Um 1.20 Uhr kam der Hamas-Chef demnach an, er verabschiedete sich von anderen Gästen und schaltete zehn Minuten später das Licht aus. Die Mossad-Agenten in den Bäumen gingen nun davon aus, dass er im Bett lag und aktivierten die Bombe per Fernzünder.

Die Explosion tötete Haniya sofort, der Bodyguard vor der Tür starb wenig später aufgrund des massiven Blutverlusts durch seine Verletzungen. Der Mossad habe den Bodyguard als Terrorist identifiziert, der seit einem Mordanschlag auf fünf israelische Soldaten im Jahr 2014 gesucht wurde, heisst es im Bericht des «Jewish Chronicle».

Für Gegenschlag braucht Iran die Raketen-Argumentation

Die Iraner seien ausser sich vor Wut gewesen, als sie feststellten, dass zwei ihrer Revolutionsgarden vom Mossad gekauft wurden und die Bombe platziert hatten, schreibt der Journalist.

Offiziell hält der Iran an seiner Sichtweise fest, dass Haniya von einer Rakete aus der Luft getötet wurde. Das hat gemäss der Website «Iran Wire» wohl mit internationalem Recht zu tun. Da Haniyas Ermordung auf iranischem Boden stattfand, werde sie als Angriff auf die territoriale Integrität und nationale Souveränität des Iran betrachtet.

Vehicles drive past a huge banner showing the late Hamas leader Ismail Haniyeh, left, who was killed in an assassination last week, joining hands with Iranian President Masoud Pezeshkian, in a square in downtown Tehran, Iran, Monday, Aug. 5, 2024. Iran has vowed to respond with "power and decisiveness" to the targeted killing of Hamas' top political leader, which it blamed on Israel. (AP Photo/Vahid Salemi)

Werde ein Attentat mit einem Fluggeschoss ausgeführt, das von ausserhalb der Landesgrenzen abgefeuert wurde, könne das als «militärische Aggression» eingestuft werden. Nach der UNO-Charta habe ein Land, dessen Territorium einem militärischen Angriff ausgesetzt ist, das Recht, «legitime Verteidigung» auszuüben. Dabei ist die Anwendung von Gewalt zur Selbstverteidigung als Reaktion auf einen bewaffneten Angriff oder auf der Grundlage einer Resolution des Sicherheitsrats erlaubt, schreibt «Iran Wire».

Ein Bombenanschlag könne jedoch nicht als militärischer Angriff gewertet werden und legitimiere damit die gewaltsame Selbstverteidigung nicht. Unter diesem Aspekt sei es für den Iran eben entscheidend, die Tötung Haniyas offiziell als Raketenschlag von Israel darzustellen, um einen entsprechenden Gegenschlag ausführen zu können.

Der Iran könnte gar auf einen Gegenschlag verzichten

Mittlerweile hat sich der Ton aber ohnehin abgekühlt, ob der zuerst erwartete Grossangriff der Revolutionsgarden auf Israel noch kommt, ist unklar. Gemäss einem Bericht des britischen «Guardian» soll der Iran nun überlegen, nicht mehr Israel anzugreifen, sondern sich nur am Mossad zu rächen und dessen Agenten ins Visier zu nehmen. Das hat auch damit zu tun, dass sich mehrere Länder der Organisation für Islamische Zusammenarbeit gegen eine Eskalation ausgesprochen haben.

So wurde die Tötung Haniyas zwar unisono als israelische Aggression verurteilt. Einen Krieg im Mittleren Osten will man aber verhindern. Pakistan warnte den Iran davor, in Benjamin Netanyahus Falle zu tappen. Und Jordanien unterstrich, dass man iranische Raketen oder Drohnen auf dem Weg nach Israel abschiessen werde. Man werde keine Verletzung des jordanischen Luftraums zulassen, egal von wem.

In einem Interview mit AFP hat der iranische Aussenminister mittlerweile gar erklärt, dass der Verzicht auf den Gegenschlag Iran Prestige bringen könnte. Israel würde damit als Aggressor isoliert, während der Iran als friedensfördernd angesehen würde.