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Überfischung der Meere
Welchen Fisch darf man noch essen?

This Aug. 7, 2007 photo provided by Trout Unlimited shows sockeye salmon in a river in the Bristol Bay, Alaska watershed. Trout Unlimited and nearly 300 other groups are asking Interior Secretary Ken Salazar to direct the Bureau of Land Management to protect the Bristol Bay watershed that is the home to the world's most productive wild salmon streams by closing federal lands to mining. (AP Photo/Trout Unlimited, Ben Knight) **NO SALES**
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In Kürze:
  • Der Klimawandel und der Zustand der Meere wirken sich negativ auf Fischbestände aus.
  • Die aktualisierte Liste «Guter Fisch» enthält deutlich weniger empfohlene Arten.
  • Hering aus der Nordsee ist trotz Einhaltung von Fangquoten gefährdet.
  • Effektive Gütesiegel könnten nachhaltigen Fischkauf erleichtern.

Wer gern Fisch isst, muss kein schlechtes Gewissen haben. Die Liste «Guter Fisch» aus Hamburg, die gerade aktualisiert wurde, zeigt, dass es trotz des schlechten Zustands der Ozeane noch Arten gibt, die man unbedenklich essen kann. Das Team aus Wissenschaftlerinnen, Umwelt- und Konsumenten­schützern, das die Liste jedes Jahr erstellt, empfiehlt immerhin noch acht Arten für das ökologisch korrekte Menü: Flunder, Kliesche und Scholle aus der Ostsee, Seelachs aus der Barentssee, Iberischen Stöcker, Echten Bonito, Weissen Thun und – dieses Jahr neu dazugekommen – Schellfisch.

Drei weitere Arten kann man nach Einschätzung der Expertinnen und Experten zumindest noch mit halbwegs gutem Gewissen essen: Hering aus dem Golf von Riga, Ketalachs und Alaska-Seelachs.

Klimawandel setzt Fischen zu

Die schlechte Nachricht ist, dass die Liste im Vergleich zum Vorjahr kürzer geworden ist, weil sich der Zustand vieler Fischbestände weiter verschlechtert hat. «Dass wir nur noch zwei Lachsarten empfehlen können, liegt vor allem am Klimawandel», sagt Philipp Kanstinger, Fischereiexperte bei der Umweltschutzorganisation WWF. Die damit verbundene Erwärmung der Meere habe dem Ökosystem vor Alaska derart zugesetzt, dass die meisten Lachsbestände dort eingebrochen seien. Der Rotlachs zum Beispiel galt letztes Jahr noch als unbedenklich. Dieses Jahr steht er nicht mehr auf der «Guter Fisch»-Liste.

Was genau die Ursachen für den starken Rückgang der Lachse vor Alaska sind, versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gerade herauszufinden. Die Vermutung ist, dass die Raubfische schlicht nicht mehr genug zu fressen finden, weil das ganze Ökosystem in einem extrem schlechten Zustand ist und die Nahrungsnetze nicht mehr funktionieren. Krill zum Beispiel, kleine Krebstiere, die Teil des Zooplanktons und Nahrungsgrundlage vieler verschiedener Arten sind, «wächst nicht mehr, wenn das Wasser zu warm ist», sagt Kanstinger.

Hering: Überschätzter Bestand

Auch der Nordsee-Hering steht anders als vergangenes Jahr nicht mehr auf der Liste der unbedenklichen Arten. Offiziell gilt die Art nicht als überfischt, doch Daten des Internationalen Rats für Meeresforschung ICES zeigen, dass die Biomasse dieser Art seit 2012 kontinuierlich zurückgeht. «Das Problem ist nicht, dass die Fischer sich nicht an die festgelegten Fangquoten halten würden», sagt Rainer Froese, Meeresökologe am Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. «Das tun sie.»

Seiner Ansicht nach ist der Nordsee-Hering ein typisches Beispiel für den «Retrospective Bias». Dieses Phänomen führt dazu, dass die Zahl der Fische überschätzt wird, sodass die Fangquoten ganz offiziell zu hoch angesetzt werden. Erst kürzlich hat Froese im Wissenschaftsjournal «Science» bemängelt, dass die Fangquoten auf der Basis von Modellrechnungen festgelegt werden, die viel zu kompliziert und deshalb fehleranfällig sind.

21.03.2014, Mecklenburg-Vorpommern, Greifswald: Fischer holen im Greifswalder-Bodden ihre Stellnetze mit Hering ein. (zu dpa "Arbeitnehmer im Osten arbeiten weiter länger als im Westen" am 21.08.2018) Foto: Christian Charisius/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Christian Charisius)

Heringe sind Schwarmfische, die eine zentrale Rolle in den Ozeanen spielen – so wie Makrelen und Sprotten, die bereits im vergangenen Jahr von der Liste «Guter Fisch» verschwanden. «Es sind sogenannte Wespentaillen-Arten», sagt Kanstinger. Sie werden von vielen anderen Tieren wie dem Kabeljau, aber auch von Robben und Schweinswalen gefressen. Gibt es also zu wenige Heringe, brechen auch die Bestände derjenigen Arten ein, die sich von ihnen ernähren.

Wichtige Arten für Fischfutter

Die meisten dieser für das Ökosystem so wichtigen Arten werden gefischt, um Raubfische in Aquakulturen zu füttern – Lachse zum Beispiel. «90 Prozent der Fänge werden zu Fischmehl oder Fischöl verarbeitet», sagt Froese. Unter ökologischen Gesichtspunkten ist das ungünstig: Um ein Kilogramm Lachs zu züchten, müssen zehn Kilo Schwarmfische verfüttert werden. Es wäre also sinnvoller und ökonomischer, wenn Menschen gleich die kleineren Schwarmfische essen würden.

Doch auch das kann Froese nicht mehr empfehlen. «Wir haben gesucht, ob es noch irgendwo Bestände gibt, die bedenkenlos befischt werden können», sagt der Meeresökologe. «Wir haben keine gefunden.» Für den Meeresökologen ist das ein klarer Fall von «fishing down the food web»: Wenn es die beliebten grossen Speisefische nicht mehr gibt, fangen die Fischer an, kleinere Fische zu fangen, die früher von Raubfischen gefressen wurden. «Es muss weltweit etwas passieren», sagt Froese.

Gütesiegel wie MSC verbessern

Nur was? Die vielen Listen von Umweltverbänden, die es den Konsumentinnen erleichtern sollen, ökologisch unbedenklichen Fisch zu kaufen, haben bislang wenig gebracht. Ein Grund dürfte sein, dass die Empfehlungen zu kompliziert sind. Um herauszufinden, ob der Lachs für das Nachtessen aus der Barentssee stammt – was unbedenklich wäre – oder aus einem anderen Bestand, muss man sich schon intensiv mit dem Thema befassen. Von Konsumenten im Alltagsstress kann man das nicht unbedingt erwarten.

Dazu komme, dass manche Hersteller die Angaben auf ihren Produkten mutmasslich bewusst ungenau hielten, sagt WWF-Experte Philipp Kanstinger. Zum Beispiel bei der Fangmethode. Steht auf der Verpackung beispielsweise «Schleppnetz», kann das bedeuten, dass der Fisch mit einem Grundschleppnetz gefangen wurde, was eine der schädlichsten Fangmethoden ist, weil dabei viel Beifang ins Netz geht und der Meeresboden zerstört wird. Es kann aber auch ein «pelagisches» Schleppnetz gemeint sein, das frei im Wasser treibt und weniger Schaden anrichtet.

«Was helfen würde, wäre ein Gütesiegel, auf das man sich verlassen kann», sagt Rainer Froese. Er und Kanstinger sind sich einig, dass das blaue MSC-Siegel, das auf vielen Produkten zu finden ist, diesen Anspruch nicht erfüllt. Etwa die Hälfte der Produkte, die damit zertifiziert sind, seien aus ökologischer Sicht nicht in Ordnung, sagt Froese. Nach Aussage von Kanstinger wird das MSC-Siegel zum Beispiel auch an Produkte vergeben, für die mitten in Schutzgebieten mit Grundschleppnetzen gefischt wurde.

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