Schweizer Rohstoffkonzerne Nach dem dreckigen Diesel lockt das saubere Geschäft
Minderwertige Treibstoffe aus Europa wurden jahrelang nach Westafrika exportiert, dabei spielten auch Schweizer Firmen eine Rolle. Nun gelten strengere Regeln – davon könnten die Rohstoffkonzerne sogar profitieren.

Die Nase beisst, der Hals kratzt und er fühlt sich trocken an, andere leiden an regelmässigen Hustenanfällen. So berichtet das nigerianische Newsportal «Punch» vor wenigen Tagen über die Folgen der Luftverschmutzung im nigerianischen Bundesstaat Rivers. Die Ursache ist klar: Bislang galten in vielen Ländern Westafrikas laxe Abgasregeln.
Daran hatten auch ausländische Unternehmen, wie etwa Trafigura oder Vitol ihren Anteil. Ein Bericht der Nichtregierungsorganisation Public Eye zeigte 2016 auf, dass Schweizer Rohstoffhändler Benzin und Diesel mit hohem Schwefelgehalt an westafrikanische Länder verkaufen. Es handelte sich um Treibstoffe, die in Europa nicht mehr benutzt werden durften. Dabei sind die gesundheitlichen Risiken durch Schwefelabgase gravierend. Dazu gehören: Erkrankung der Atemwege, Schäden an Pflanzen und Bauwerken.
Nun ziehen mehrere Länder die Schraube an. Zum Jahresbeginn haben die Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) strengere Grenzwerte eingeführt. Gleichzeitig wurden neue Grenzwerte für Occasionswagen beschlossen, die nach Afrika gebracht werden. Treibstoffe sollen künftig nur noch einen Schwefelgehalt von 50 ppm (parts per million: Anteile pro Million) aufweisen. Das ist eine deutliche Reduktion. Testkäufe im letzten Jahr ergaben Werte, die 60-mal darüberlagen. In der Schweiz sind 10 ppm erlaubt.
Das Paradoxe daran: Die internationalen Rohstoffhändler dürften von den strengeren Regeln sogar profitieren, denn für lokale Produzenten wird es schwierig, die neuen Anforderungen zu erfüllen.
«Trafigura unterstützt diese Entwicklung sehr und bringt bereits 50-ppm-Kraftstoff in die Region.»
Die Rohstoffhändler begrüssen denn auch die Verschärfung. James Josling, Chef des Afrika-Energie-Handels beim Rohstoffkonzern Trafigura, sagt: «Trafigura unterstützt diese Entwicklung sehr und bringt bereits 50-ppm-Kraftstoff in die Region.» So seien die jüngsten Treibstofflieferungen nach Kapverden mit dem tieferen Schwefelgehalt erfolgt und nicht mehr wie bislang mit 1000-ppm-Diesel. «Wir möchten alle Regierungen der Ecowas ermutigen, die vereinbarten Änderungen so schnell wie möglich umzusetzen», so Josling. Eine Sprecherin des Rohstoffhändlers Vitol sagt: «Vitol liefert Treibstoff gemäss den Spezifikationen, die von den jeweiligen lokalen Behörden in einem bestimmten Land gefordert werden.»
Lokale Raffinerien veraltet
Viele Nigerianer beziehen ihren Sprit von lokalen, handwerklichen Raffinerien, die die neuen Grenzwerte kaum einhalten dürften, aber deutlich günstiger sind. David Ugolor von der nigerianischen NGO Aneej geht daher davon aus, dass sich die neue Ecowas-Richtlinie auf den lokalen Verbrauch auswirken wird. «Ich bin mir nicht sicher, ob die lokalen Raffinerien in der Lage sein werden, die Herausforderung der neuen Verordnung zu meistern, und das könnte sich auf die Menschen auswirken», so Ugolor. Die Regierung plant zwar, die bestehenden Anlagen zu modernisieren, aber das Vorhaben gestaltet sich als teuer und langwierig. Das Land ist daher auf Importe aus dem Ausland angewiesen. Immerhin plant der Mischkonzern Dangote eine neue und damit saubere Raffinerie in der Metropole Lagos.
Für die grossen Trader ist die Umstellung hingegen einfach. Laut einer Branchenkennerin würden die meisten Diesellieferungen nach Westafrika bereits die neuen Grenzwerte erfüllen. Das liege daran, dass die Raffinerien, aus denen der Diesel komme, meist in Europa lägen und diese ohnehin innerhalb der Grenzwerte produzierten. Es sei daher schlicht ein wirtschaftlicher und kein «altruistischer Akt».
Schweiz hat bei neuen Grenzwerten mitgewirkt
Dennoch freut sich die Schweiz über den Erfolg und beansprucht einen Teil davon für sich. «Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit hat durch ihre Unterstützung der Climate and Clean Air Coalition indirekt zu diesen Entwicklungen beigetragen», sagt ein Sprecher des Aussendepartements (EDA). Dabei handelt es sich um ein UNO-Klimaprogramm, das vom Bund finanziell unterstützt wird.
Bei der Nichtregierungsorganisation Public Eye kommt das schlecht an. «Solche Erfolge haben immer viele Mütter und Väter. Dass sich das EDA beweihräuchert, obwohl die Schweiz den unverantwortlichen Konzernen direkt hätte die Daumenschrauben anziehen müssen, ist aber schon sehr dreist», meint Andreas Missbach, Leiter Rohstoffe bei Public Eye
«Grundsätzlich ist dieser Fall ein weiteres Beispiel dafür, wie naiv die Hoffnung ist, Rohstoffhändler würden freiwillig das Richtige tun.»
Auch sei das Selbstlob der Industrie verlogen. Die Händler hätten schon vor fünf Jahren problemlos schwefelarme Treibstoffe liefern können. Sie hätten damit die Gesundheit und das Leben vieler Menschen in Afrika geschützt. «Grundsätzlich ist dieser Fall ein weiteres Beispiel dafür, wie naiv die Hoffnung ist, Rohstoffhändler würden freiwillig das Richtige tun. Es braucht politische Regulierung, und die Schweiz könnte hier von Westafrika lernen», so Missbach.
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