Treibstoff-Skandal in Westafrika Der giftige Diesel geht weiter in die Luft
Laut einem Bericht werden immer noch minderwertige Treibstoffe aus Europa nach Nigeria exportiert, obwohl die Praxis seit Jahren kritisiert wird. In der Kritik steht auch der Rohstoffhändler Vitol mit Sitz in der Schweiz.
Der Smog ist zum Schneiden dick: In den letzten Jahren klagten die Bewohner der nigerianischen Stadt Port Harcourt regelmässig über die Luftverschmutzung. Dafür werden illegale Ölraffinerien verantwortlich gemacht, doch auch der hohe Schwefelgehalt des Treibstoffs spielt eine Rolle. Dieser wird nicht nur lokal in handwerklichen Produktionsstätten unter fragwürdigen Bedingungen hergestellt, sondern kommt oftmals aus dem Ausland.
Die nigerianisch-britische NGO Stakeholder Democracy Network (SDN) hat Treibstoffproben genommen und dabei festgestellt, dass minderwertige, hochgiftige Brennstoffe von internationalen Rohstoffhändlern, darunter auch Vitol aus der Schweiz, nach Nigeria verkauft wurden. «Diese Händler nutzen Nigerias schwache und schlecht durchgesetzte Brennstoffvorschriften aus», schreibt die NGO. Die Treibstoffe weisen zum Teil eine hohe Schwefelkonzentration auf.
Dabei sind die Folgen von Schwefelabgasen gravierend. Dazu gehören: Erkrankung der Atemwege, Schäden an Pflanzen und Bauwerken. Seit Jahren gibt es in der Schweiz daher strenge Grenzwerte für Schwefel in den Treibstoffen.
Selbst gemischter Diesel schlägt den von Grossfirmen
2016 sorgte ein Bericht der Nichtregierungsorganisation Public Eye für Aufsehen. Er zeigte auf, dass Schweizer Rohstoffhändler Benzin und Diesel mit hohem Schwefelgehalt an westafrikanische Länder verkaufen. Weil diese Treibstoffe in Europa nicht mehr benutzt werden durften. Die niederländische Umweltbehörde hat 2018 untersucht, ob die Dieselladungen, die von Rotterdam nach Westafrika gehen, den Anforderungen entsprechen. Die Behörde stellte dabei sehr hohe Schwefelwerte und Mängel bei der Dokumentation der Exporte fest. Die UNO bezeichnete den Verkauf des dreckigen Diesels damals als «Skandal».
Nun hat SDN noch einmal überprüft, ob sich die Situation seither verbessert hat. Dafür sammelte die NGO 91 Treibstoffproben. Einige von offiziellen Tankstellen, andere von inoffiziellen Herstellern. So wollte die NGO die Qualität des von handwerklichen Raffinerien hergestellten Treibstoffs mit dem nach internationalen Standards hergestellten vergleichen.
Die Diesel von offiziellen Tankstellen überschritten europäische Grenzwerte im Schnitt um das 204-Fache.
Laut dem Bericht von SDN waren sowohl die inoffiziellen als auch offiziellen Dieselproben von schlechter Qualität. Dabei fiel auch auf: Die Treibstoffe wiesen eine hohe Viskosität aus. So senken sie die Verbrennungsleistung und erhöhen die Wartungskosten. Eine hohe Viskosität werde von den Verbrauchern aber oft als Vorteil angesehen, weil der Treibstoff langsamer brennt und damit länger hält.
Das Resultat ist für die Dieselproben der grossen Händler nicht schmeichelhaft. Die Diesel von offiziellen Tankstellen überschritten europäische Grenzwerte im Schnitt um das 204-Fache. Die handwerklich hergestellten Treibstoffe lagen im Schnitt um das 152-fache über den europäischen Grenzwerten. Sie liegen in der Schweiz und der EU bei 10 ppm (parts per million: Anteile pro Million). Schon vor Jahren wurde in Nigeria ein strengerer Grenzwert von 50 ppm beschlossen, doch bislang nicht umgesetzt. SDN fordert daher die verbindliche Einführung von Höchstwerten und eine strenge Kontrolle.
Probe von Vitol-Firma schneidet schlecht ab
Im Bericht von SDN kommt eine Probe besonders schlecht weg: «Die höchste analysierte Schwefelkonzentration betrug 3020 ppm. Sie wurde in einer Dieselprobe von einer Tankstelle des Energieunternehmens Oando in der Stadt Port Harcourt gefunden.» Oando gehört zum schweizerisch-niederländischen Rohstoffhändler Vitol.
Eine Vitol-Sprecherin sagt, das Unternehmen kläre den Vorgang ab. Weiter hat der Konzern bislang nicht dazu Stellung genommen.
Die Schweizer NGO Public Eye sagt dazu: «Nach unserer Aufdeckung der Dirty-Diesel-Geschäfte vor vier Jahren hat das UNO-Umweltprogramm zahlreiche Länder, darunter Nigeria, von der Einführung schärferer Schwefelstandards überzeugt. Und die Niederlande, wo diese Treibstoffe hergestellt werden, leitete eine Untersuchung ein.» Nur die Schweiz als Sitzstaat dieser Firmen sei passiv geblieben. «Der neue Skandal zeigt, dass es dringend klare Gesetze für multinationale Unternehmen braucht, so wie sie die Konzernverantwortungsinitiative vorschlägt», so ein Sprecher von Public Eye.
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