Gefährliche InfektionenModerna hat Impfstoff gegen RS-Virus für Babys gestoppt
In einer Studie litten Säuglinge unter schweren Nebenwirkungen. Was heisst das für den RSV-Schutz, der in der Schweiz eingesetzt wird?
- Die FDA stoppte eine RSV-Impfung für Babys wegen schwerer Nebenwirkungen.
- Die Firma Moderna pausierte die Studie proaktiv im Juli 2024.
- Passivimpfstoff Nirsevimab zeigt in der Schweiz deutlich weniger RSV-Fälle.
- Experten sehen Vorteile der Passivimpfung trotz begrenzten Schutzzeitraums.
Nach zum Teil schweren Nebenwirkungen hat die US-Arzneimittelbehörde FDA alle klinischen Studien mit kleinen Kindern ausgesetzt, in denen RSV-Impfstoff-Kandidaten getestet werden sollen. Das teilte die Behörde im Dezember mit. Der Anlass war eine Studie der Firma Moderna mit mRNA-Impfstoffen für Babys. Die Impfung sollte die Kleinsten vor schweren Verläufen durch eine Infektion mit Respiratorischen-Synzytial-Viren (RSV) schützen.
Die Erreger sorgen hauptsächlich im Winter für Erkältungs- oder Grippesymptome. Dabei kann es zu einer Infektion der unteren Atemwege kommen. Eine solche Bronchiolitis ist vor allem bei Säuglingen eine gefürchtete Infektion, weil deren Atemwege noch klein und eng sind.
Die Herstellerfirma Moderna hat die Verträglichkeitsstudie bereits im Juli 2024 «proaktiv unterbrochen», schreibt das Unternehmen auf Anfrage. Diese Entscheidung sei getroffen worden, nachdem bei einigen Säuglingen im Alter von 5 bis 7 Monaten in der Studie schwere, RSV-bedingte Erkrankungen festgestellt worden waren. Moderna hat in der Folge die Daten wissenschaftlich analysiert und die Ergebnisse im letzten Dezember der FDA vorgestellt.
In der Studie wurden die kleinen Kinder mit zwei verschiedenen Vakzinen immunisiert. Der eine Impfstoff (mRNA-1345) richtet sich ausschliesslich gegen das RS-Virus, der andere (mRNA-1365) zusätzlich gegen das hMP-Virus, das mit RSV verwandt ist. Zu den Nebenwirkungen kam es ausschliesslich bei Säuglingen, die noch nie zuvor mit dem RS-Virus in Kontakt gekommen waren. Von den 35 geimpften Säuglingen entwickelten 16 (46 Prozent) RSV-Symptome und weitere 5 (14 Prozent) mussten wegen schwerer Symptome im Spital behandelt werden. Bei der Kontrollgruppe mit 18 gleichalten Kindern zeigten 12 (68 Prozent) RSV-Symptome und 1 Kind (6 Prozent) musste ins Spital.
Hiesiger RSV-Impfstoff für Babys ist gut verträglich
Noch ist nicht genau bekannt, wie die Impfung zu den verstärkten Symptomen geführt hat. Fachleute wie der Chefarzt Christoph Aebi von der Kinderklinik vom Inselspital Bern und Christoph Berger vom Universitätskinderspital Zürich betonen jedoch, dass die RSV-Impfstoffe, die in der Schweiz bereits auf dem Markt sind, nicht diese Nebenwirkungen auslösen.
Der Grund sei, dass der seit Oktober 2024 in der Schweiz für Neugeborene eingesetzte RSV-Impfstoff Nirsevimab (Beyfortus, Sanofi, AstraZeneca) ganz anders funktioniere, sagt Aebi. Das Prinzip ist eine sogenannte Passivimpfung. Im Gegensatz zu aktiven Impfungen, wo der Körper die Antikörper bilden muss, löst Nirsevimab keine solche Immunantwort aus. Die Babys, die während der RSV-Saison geboren werden, bekommen direkt die Antikörper gegen das RS-Virus injiziert. Deshalb könne es mit Nirsevimab nicht zu einer Fehlsteuerung des Immunsystems kommen, wie das bei den Nebenwirkungen des gestoppten Moderna-Impfstoffes für Säuglinge vermutet wird, sagt Aebi.
Der Passivimpfstoff Nirsevimab ist gut verträglich und schützt die Kleinen zu 80 Prozent vor einem Spitalaufenthalt wegen einer RSV-Infektion. Der Nachteil: Passivimpfstoffe wirken nicht über Jahre wie herkömmliche aktive Impfungen. Der Schutz durch Nirsevimab hält etwa fünf Monate lang an, dafür tritt er vermutlich schon einen Tag nach der Impfung ein.
«Massiv weniger Fälle» in Kinderspitälern
Wie wirksam der seit Herbst hierzulande eingesetzte Passivimpfstoff ist, kann Christoph Aebi noch nicht genau sagen. Erst einmal ist unklar, wie stark in diesem Winter die RS-Viren kursieren. «Da es in der Schweiz keine Langzeitüberwachung gibt, welche die RSV-Infektionen in der Gesamtbevölkerung erfasst, ist keine verlässliche Quantifizierung möglich», sagt der Pädiater.
Bei den Säuglingen unter sechs Monaten sieht Aebi in der Kinderklinik des Inselspitals jedoch derzeit «massiv weniger Fälle», die wegen RSV-Infektionen behandelt werden müssen. Gegenwärtig seien nur etwa 20 Prozent der kleinsten Patienten bei ihm im Spital, die sonst im Januar im Inselspital hospitalisiert werden. Auch Christoph Berger sieht weniger Kinder aus der Altersgruppe mit einer RSV-Infektion im Universitätskinderspital Zürich.
Diese erfreuliche Abnahme sei wahrscheinlich der Passivimpfung zu verdanken. Es sei aber noch zu früh für Schlussfolgerungen, betonen Aebi und Berger. «Erst wenn die ganze RSV-Saison durch ist, können wir das sicher sagen», so Aebi.
RSV-Impfung für Ältere und Schwangere
Auch für ältere Menschen ab 60 Jahren, denen eine RSV-Impfung empfohlen wird, gibt Aebi Entwarnung. Die zwei Impfstoffe, Arexy von GSK und Abrysvo von Pfizer, werden einer Personengruppe verabreicht, die bereits mit RS-Viren in Kontakt gekommen ist. Deshalb sind Impfnebenwirkungen, wie sie bei den Säuglingen in den Studien aufgetreten sind, unwahrscheinlich.
Abryso wird zudem als einziger RSV-Impfstoff hierzulande auch Schwangeren empfohlen. Das Ziel ist, dass die Babys nach der Geburt durch die Antikörper der Mutter geschützt sind.
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