Millionen für Mobiliar-ChefinDiese Cheflöhne zahlen die grossen Genossenschaften
Sollen die Topverdiener der Mobiliar mit der Finanzbranche mithalten oder sich an anderen Genossenschaften orientieren?
Bei der Mobiliar sollte man arbeiten: Die Genossenschaft hat naturgemäss keine Aktionäre und muss entsprechend keine Dividenden ausschütten. Gleichzeitig schreibt sie Jahr für Jahr Hunderte Millionen Franken Gewinn. Dank diesem wird ihr Kapitalpolster immer komfortabler.
Da ist auch genug Geld vorhanden für fürstliche Cheflöhne. Am Donnerstag hat die Versicherung nach jahrelanger Geheimniskrämerei das Salär ihrer Chefin Michèle Rodoni offengelegt. Jedoch nicht wie sonst üblich inklusive Arbeitgeberbeiträgen an Sozialversicherungen und Pensionskasse sowie Spesenpauschale.
Berechnungen dieser Redaktion ergeben einen Jahreslohn von rund 1,9 Millionen Franken. Die acht weiteren Mitglieder der Geschäftsleitung kommen im Schnitt auf jeweils mehr als 900’000 Franken.
Kann es sich die Genossenschaft mit ihrem sorgfältig gepflegten, sympathischen Image leisten, solch hohe Löhne zu bezahlen?
Die Mobiliar selbst will diese Frage nicht beantworten und auch keinen Einblick in ihr Vergütungsreglement gewähren. Sprecher Jürg Thalmann teilt lediglich mit, der Cheflohn der Mobiliar liege «im Vergleich mit anderen Unternehmen der Versicherungsbranche von vergleichbarer Grösse im Durchschnitt».
Die Million als Hemmschwelle
Stimmt das? Mehrere angefragte Fachleute wollen sich zum Fall nicht äussern. Vergleiche sind schwierig, da es nicht viele ähnlich grosse Versicherungen gibt. Die Helvetia-Versicherung zum Beispiel hat gut das doppelte Prämienvolumen der Mobiliar. Ihr Chef Philipp Gmür verdiente – mit einem Ausreisser nach oben vor seiner Pensionierung – in den letzten Jahren jeweils 2 bis 2,5 Millionen Franken. Gert De Winter, Chef der ebenfalls grösseren Versicherung Baloise, kam 2022 auf 2,1 Millionen Franken.
Soll sich die Mobiliar aber überhaupt mit der Finanzbranche messen? In einer anderen Betrachtung – dem Vergleich mit anderen grossen Genossenschaften – ist Michèle Rodoni eine Spitzenverdienerin. Insbesondere wenn man die Saläre der Chefs der Handelsunternehmen Coop, Migros und Fenaco betrachtet (siehe Tabelle).
Nicht nur bei den vielen Genossenschaften, auch bei den oft als Stiftung organisierten Krankenversicherungen scheint ein Jahreslohn von einer Million Franken eine Hemmschwelle zu sein.
Gesetzlich gibt es keine Beschränkungen für Verwaltungsrats- und Cheflöhne. Und für Unternehmen, die nicht an der Börse kotiert oder als Krankenkasse tätig sind, gibt es keine Pflicht, Cheflöhne zu nennen. «Als nicht börsenkotiertes Unternehmen sind wir nicht an die entsprechenden gesetzlichen Transparenzvorschriften gebunden», schreibt die Mobiliar selbst in ihrem Geschäftsbericht.
Keine Bühne für Kritiker
Anders als Aktiengesellschaften müssen Genossenschaften auch keine jährlichen Generalversammlungen durchführen, zu denen alle Teilhaber eingeladen sind. Entsprechend gibt es auch keine öffentliche Bühne für engagierte Aktionärsschützer oder kritische Genossenschafterinnen, welche gegen die Cheflöhne aktiv werden könnten.
Bei den meisten Genossenschaften ist die Delegiertenversammlung das oberste Gremium. Es tagt im Geheimen, und die Delegierten wurden im kleinen Kreis bestimmt statt von den Genossenschafterinnen und Genossenschaftern gewählt.
Experte für Genossenschaften ist Henrik Schoop. Er ist Geschäftsführer der Idée Coopérative, des Kompetenzzentrums für Schweizer Genossenschaften in Bern. Die Idée Coopérative wurde 2020 gegründet, um die vielen Genossenschaften in der Schweiz zu unterstützen – unter anderem mit einem Governance-Leitfaden.
Konkrete Empfehlungen zu Lohnsystem und Cheflöhnen gibt die Stelle jedoch nicht ab, wie Geschäftsführer Henrik Schoop sagt. «Jede Genossenschaft ist selbst verantwortlich für ihre Salärpolitik.» Die Höhe von Michèle Rodonis Lohn will Schoop entsprechend nicht kommentieren. «Aber es ist sicher ein guter Schritt der Mobiliar, transparent zu sein und das Salär zu publizieren.»
In einer früheren Version dieses Artikels war die Helvetia-Versicherung in der Tabelle der grossen Genossenschaften gelistet. Korrekt ist aber, dass die Helvetia eine Aktiengesellschaft ist, und lediglich 34 Prozent der Aktien der Patria Genossenschaft gehören.
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