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Meinung

Leitartikel zu parteiinternen Querelen
Ein gefährlicher Moment für die Mitte-Partei

Noch-Mitte-Präsident Gerhard Pfister im Treppenhaus des Tamedia-Bürogebäudes.
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Es ist gerade die spannendste Serie der Schweiz. Sie läuft nicht auf SRF oder bei Netflix. Sondern unter der Bundeshauskuppel.

Die Serie spielt in der Mitte-Partei. Es geht um Konflikte, Rache und Missgunst. Öffentlich ausgetragen, schonungslos. Jeden Tag eine neue Folge.

Der Plot ist rasant: Innerhalb weniger Tage kündigt Gerhard Pfister seinen Rücktritt als Präsident und Viola Amherd ihren Rücktritt als Bundesrätin an. Dann bricht in der Partei etwas auseinander. Augenblicklich und unaufhaltsam. Alte Vorwürfe zur Arbeitssituation im Mitte-Generalsekretariat werden mit neuer Dringlichkeit vorgetragen.

Pfister dürfe nur als Bundesrat kandidieren, wenn die Vorwürfe zuerst extern untersucht würden, fordern Mitte-Vertreterinnen wie Ständerätin Andrea Gmür und Frauen-Präsidentin Christina Bachmann-Roth. Pfister sei zu alt für das Amt, sie bevorzuge eine jüngere Kandidatur, sagt Parteileitungsmitglied Yvonne Bürgin in der SRF-«Arena». Prompt gibt Pfister einen Tag später seinen Verzicht auf eine Kandidatur bekannt. Und dann stellt sich heraus, dass Mitte-Frauen hinter Pfisters Rücken einen Anwalt bezahlt haben, um die Vorgänge im Generalsekretariat zu untersuchen. Eine verworrene Geschichte, in der es nur Verliererinnen gibt. Zuallererst die Reputation der Partei.

Klar: Bundesratswahlen sind Zeiten der Intrigen und Gerüchte. Alte Rechnungen werden beglichen. Doch kaum je wurde ein Parteipräsident öffentlich aus den eigenen Reihen derart demontiert, ehe er überhaupt eine Kandidatur kommuniziert hatte. Gerhard Pfister, neun Jahre lang Vertreter der Partei an abendlichen Hundsverlochete, erhält als Quittung für diesen Einsatz: offene Ablehnung.

Was also tritt hier derart eruptiv an die Oberfläche?

Konflikte, Argwohn und ein Präsident, der aneckt

Gerhard Pfister führte die Partei straff. Er war kein geschmeidiger Präsident, der allen etwas bot. Jovialität liegt ihm fern. Pfister ist der Typ kühler Stratege, der dem Erfolg alles unterordnet. Sachpolitische Positionierungen spurte er häufig instinktiv und immer selbstbewusst vor. Das trug ihm extern Respekt und intern Argwohn ein. In einer Partei, in der Konzilianz sinnstiftend ist, eckt ein solches Naturell an. Mit Pfisters Rücktritt entluden sich unter dem Deckel gehaltene politische Differenzen und persönliche Animositäten. Dass ihm die Querelen im Generalsekretariat gerade jetzt vorgehalten werden, dürfte kaum ein Zufall sein.

Ein Beispiel für die politischen Differenzen: Das christliche C bedeutete für viele in der Partei Identität – nicht nur in den konservativen Stammlanden. Pfister und seine Generalsekretärin Gianna Luzio trieben die Fusion der CVP mit der BDP zur Mitte-Partei zügig voran. In der Urabstimmung sprachen sich zwar 60 Prozent der CVP-Basis für den Namenswechsel aus. Aber eben auch 40 Prozent dagegen. 40 Prozent, die Pfister mit dem identitätsverändernden Projekt nachhaltig verstört haben dürfte. In der Öffentlichkeit blieb es überraschend ruhig. Doch es scheint plausibel, dass der nun aufbrechende Konflikt auch eine Spätfolge dieser tiefgreifenden Reformen ist.

Gerade nehmen in der Mitte die Differenzen jedweder Natur überhand – ein gefährlicher Moment für die Partei. Wenn keiner mehr den Deckel draufhält, droht sie sich im Flügel- und Konkurrenzkampf zu zerreiben. Der Streit ist bereits heute in den beiden Parlamentskammern angelegt: hier die konservativen Ständeräte, da die sozialliberalen Nationalratsmitglieder. Ohne klare Marschrichtung neutralisieren sie sich – und damit die Bedeutung der Partei.

In diesem schwierigen Moment kommen jetzt noch die Probleme bei der Kandidatensuche für den Bundesrat hinzu. Reihenweise sagen Schwergewichte wie Martin Candinas, Isabelle Chassot, Philipp Bregy oder Beni Würth ab. Sie haben «keine Lust», eine Kandidatur «passt nicht in die Lebensplanung», oder «das innere Feuer fehlt». Der Unwille des Personals hilft auch nicht beim Fernziel der Partei, dereinst zwei Regierungssitze zu erobern.

Es mag ein Zufall sein, dass alle mit der Work-Life-Balance argumentieren. Fakt ist aber, dass der Job des Bundesrats heute schärfer denn je mit einem gemächlichen Parlamentarierleben kontrastiert. Die Globalisierung erhöht das Tempo politischer Entscheide, die Polarisierung verschärft den Ton, die Exposition ist maximal. Viola Amherd findet es «besorgniserregend, wie das Klima verroht». Auch sie war persönlichen Verunglimpfungen ausgesetzt. Das muss zu denken geben. Trotzdem bleibt das höchste politische Amt ein Privileg. Gestaltungswillige Politikerinnen und Politiker müssten sich eigentlich darauf stürzen.

Darum muss sich die Mitte-Partei jetzt rasch zusammenraufen: Sie muss erstens überzeugende Kandidaturen bringen. Und zweitens der Bevölkerung statt interner Konflikte Visionen für die Landesregierung präsentieren. Noch-Präsident Gerhard Pfister braucht einen Notfallplan.