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Ukraine-Blog: Fotos, Fakes und Fragen
Mit Plastikfigürchen äussern Russen ihre Kritik am Krieg

«Stoppt das Töten»: Ein Protest-Figürchen auf einer Autobahnbrücke in Russland. 
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Es gibt nicht viele Wege, in der russischen Öffentlichkeit gegen den Krieg zu demonstrieren. Und wer es doch tut, muss mit hohen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren Gefängnis rechnen. Demonstrationen werden innert kürzester Zeit von der Polizei aufgelöst, Protestierende geschlagen, mitgenommen, ins Gefängnis gesteckt

Der russische Künstler Yevgeny hat dennoch einen Weg gefunden, um gegen den Krieg in der Ukraine zu demonstrieren: Statt an Kundgebungen teilzunehmen, bastelte er kleine Männchen und stellte sie an verschiedenen Plätzen in russischen Städten auf. In den Händen halten die bunten Figürchen Schilder mit Anti-Kriegs-Sprüchen. «Stoppt den Krieg. Helft der Ukraine», steht da etwa. Oder «Putin tötet Menschen». 

Angefangen mit dem Aufstellen der Figuren in der Öffentlichkeit hat Yevgeny wenige Wochen nach der Invasion Russlands in die Ukraine. Bei einer Anti-Kriegs-Demo in Sankt Petersburg sah er, wie Demonstranten brutal zusammengeschlagen und verhaftet wurden, erzählt der Künstler gegenüber BBC Russia. Dort habe er realisiert, dass offener Protest so gut wie unmöglich sei.

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Wenig später bastelte er die ersten Männchen für sein Projekt, das er «kleine Mahnwache» nennt. Die Figürchen stellte er auf verschiedenen Plätzen in Russland auf und postete Bilder davon auf Instagram mit der Einladung, dass andere seinem Beispiel folgen sollten. Es ging nicht lange, und Hunderte weitere Russinnen und Russen bastelten eigene Männchen, so Yevgeny gegenüber dem Fernsehsender. Sie schickten ihm die Bilder zu, und er veröffentlichte sie auf seinem Instagram-Account.

Dort wurden inzwischen 1000 Beiträge mit den Protest-Figürchen veröffentlicht. Jeder, der diese Männchen in der Öffentlichkeit aufstellt, riskiert in Russland bis zu 10 Jahre Haft wegen «Verbreitung von Falschinformationen» über die russische Armee. Im vergangenen April wurde ein Ehepaar in St. Petersburg bei einer Aktion erwischt: Das Paar stellte ein Spielzeug-Männchen in einem Geschäft auf. Um den Hals hatte es ein «Nicht schiessen»-Schild gehängt. Ein Foto davon landete ebenfalls auf Yevgenys Account.

Für das Aufstellen dieses Kinderspielzeugs mit dem Schild «nicht schiessen» wurde ein russisches Ehepaar verhaftet.

Das Personal des Geschäfts identifizierte das Paar mithilfe von Überwachungskameras, woraufhin die Personen verhaftet und zu einer Geldstrafe von umgerechnet 310 Franken wegen «Verbreitung von Falschinformationen über die russische Armee» verurteilt wurden. Yevgeny sagt, dass sie seitdem keine Fotos mehr geschickt haben, aber «sie wurden nicht ins Gefängnis gesteckt, das ist grossartig».

Der Bewegung tat das keinen Abbruch. Dennoch begann sich Yevgeny in Russland nicht mehr sicher zu fühlen, wie er gegenüber BBC Russia erzählt. Schliesslich war er verantwortlich für eine illegale Bewegung, die jeden Moment auffliegen konnte: «Die Repressionen in Russland nahmen zu, und ich begann, um mein Leben zu fürchten, ich wurde paranoid.»

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Als im vergangenen September Putin die Teilmobilisierung verkündete, beschloss er, Russland zu verlassen. Mit einem Taxi überquerte er die Grenze in ein anderes Land, wo genau, möchte er nicht sagen. Seither ist er nicht zurückgekehrt. Ein paar Wochen später erhielt sein Nachbar Einberufungspapiere auf seinen Namen, wie BBC Russia schreibt. Seine Community habe heftig auf den Teilmobilisierungsbefehl reagiert, und zahlreiche Bilder von Protest-Figürchen seien eingeschickt worden.

Inzwischen lebt Yevgeny in einem ehemaligen Sowjetland. Seinen Aufenthaltsort will er aus Sicherheitsgründen nicht nennen. Er musste nach eigenen Angaben seine Wohnung in Sankt Petersburg verkaufen, um finanziell durchzukommen. Obwohl er nicht mehr in Russland lebt, halte die Protestbewegung weiterhin an. Die Menschen schicken ihm immer noch ihre Bilder, und er postet sie auf Instagram.

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Ukrainer und Ukrainerinnen, die die Seite auf Instagram gesehen haben, seien nicht besonders beeindruckt, sagt Yevgeny. Denn Knete stoppe schliesslich keine Bomben. Er verstehe das, trotzdem denkt er, dass die «kleine Mahnwache» bei einer wichtigen Frage helfe, die sich viele Russen und Russinnen stellen: «Was kann ich tun?»

«Ich kann jeden Tag etwas tun. Ja, es ist nur ein kleiner Akt, aber auf Instagram wird er gross aussehen. Es ist ein Versuch, einen Weg zu finden, sich in diesem gemeinsamen Schmerz zu vereinen», sagt Yevgeny.