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Städtetrip in Europa
Gute Idee – mit dem Zug nach London!

An e320 on the platform at London St Pancras International.
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Ein hübsches Salätchen, Polenta, die jedem Tessiner Grotto zu Ehre gereichen würde, Boeuf Bourgignon und zum Dessert ein Beerentörtchen, nicht zu vergessen der kleine Apéro zur Einstimmung und Getränke nach Wahl. Wir schlemmen und schwelgen, aber nicht im Sternelokal, sondern in einem fahrplanmässigen Zug, der Paris Gare du Nord und London St. Pancras verbindet.

Der blaue Eurostar benötigt für die 343 Kilometer lange Strecke zwischen den Zentren der beiden Hauptstädte exakt 2 Stunden und 17 Minuten, und als zum Finale Kaffee gereicht wird, braust der Zug mit zwei Triebköpfen und 18 Wagen 40 Meter unter dem Meeresgrund des Ärmelkanals Richtung südenglische Küste.

Wir werden verwöhnt an diesem Tag: In der Premium Business Class im Eurostar lesen uns adrette junge Leute in blauen Uniformen mit rotem Foulard jeden Wunsch von den Augen ab. Bildschirme zeigen, wo die Passagiere am bequemsten Gepäck verstauen und Abfall entsorgen. Am Morgen schon hatte die Crew im TGV Lyria zwischen Zürich und Paris Gare de Lyon jegliches Lamento über die angebliche Servicewüste Frankreich erstickt und in der ersten Klasse ein wunderbares Frühstück, Croissant und Müesli inbegriffen, aufgetragen.

CHRISTOPHER SALGADINHO

So wurde die Reise via Basel, Mulhouse und Dijon in die französische Metropole zum entspannten Prolog. Es gibt an dem Lyria-Doppelstöcker, zumindest in der Edelklasse, wenig auszusetzen – mal abgesehen davon, dass die Stufen nach dem Einstieg ohne Vorwarnung nach unten führen. Eine Stolperfalle für ältere Leute, Unvorsichtige oder Behinderte.

Unter dem Strich nimmt es die Bahn zwischen der Schweiz und London bei Service, Komfort und Pünktlichkeit allemal mit dem Flugzeug auf, in einer Welt voller Billigflieger aber nicht beim Preis. Wir benötigen von Zürich HB nach London St. Pancras genau acht Stunden. Wer das Flugzeug wählt und von Kloten nach Heathrow düst, muss für den Trip von Stadtzentrum zu Stadtzentrum mindestens fünf Stunden einplanen. Zeitersparnis: drei Stunden, ungeachtet des Risikos von Flugverspätungen und langer Wartezeiten an der Passkontrolle in London und am Gepäckband.

Günstig mit dem Interrail-Ticket

Marius Portmann vom Bahnreisenspezialisten Simpletrain erklärt, wie man einigermassen günstig von der Schweiz nach London fährt: «Wir empfehlen Grossbritannien-Reisenden ein Interrail-Ticket. Es kommen einfach noch die obligatorischen Gebühren für die Platzreservierung dazu.»

Nicht zu umgehen und mitunter etwas mühselig, aber für einigermassen erfahrene Städtebummler unproblematisch ist der Transfer vom TGV-Perron im Gare de Lyon zum Eurostar-Terminal im Gare du Nord. Man taucht in der Bahnhofshalle in den Untergrund, löst am Automaten ein Ticket für den Regionalverkehr, steigt am richtigen Perron ein und zwei Stationen später im Gare du Nord wieder aus.

Eine Treppe und zwei Rolltreppen später startet das Abenteuer Eurostar mit dem Check-in und der Ticketkontrolle. Es folgen, Schengen sei Dank: Passkontrolle der Franzosen, Passkontrolle der Briten und wie im Airport ein Personen- und Gepäck-Scan. Im Obergeschoss des Nordbahnhofs warten unter historischen Bögen Lounges, Cafés und Shops. Durch grosse Scheiben beobachten die Wartenden das Treiben auf den Perrons. Seit wir den französischen Hochgeschwindigkeitszug im Gare de Lyon verliessen, ist exakt eine Stunde ins Land gezogen.

Tunnel als monumentales Bauwerk

Die Zugverbindung unter dem Ärmelkanal und der 42 Kilometer lange Tunnel feiern 2024 das 30-Jahr-Jubiläum. Briten und Franzosen hatten den Tunnel gemeinsam gebaut. Am 17. Mai 1994 weihten ihn Queen Elizabeth und der französische Präsident François Mitterrand ein, am 14. November gleichen Jahres verkehrte der erste Personenzug zwischen Paris und London.

Der Tunnel gilt als Meisterleistung der Ingenieurskunst. 15’000 Arbeiter waren daran beteiligt, 11 verloren auf der Baustelle ihr Leben. Das «grösste Bauwerk in Europas Geschichte» kostete 15 Milliarden Euro, viel mehr als ursprünglich geplant. Das Tunnelsystem besteht aus drei parallel verlaufenden Röhren, nämlich zwei eingleisigen Tunnels und mittig einem Stollen für Service und Sicherheit. Den Verkehr teilen sich Güter-, Auto- sowie Hochgeschwindigkeitszüge für Passagiere.

UK, London St Pancras International - New e320 fleet

Eurostar bewegt derzeit 51 Kompositionen. Die Verbindungen reichen nicht nur von London nach Paris, sondern auch je nach Saison bis Disneyland und Avignon/Marseille. Der zweite Hauptstrang führt von London über Lille in Nordfrankreich nach Brüssel, Rotterdam und Amsterdam. Bahnspezialist Marius Portmann rät London-Reisenden mitunter zur Verbindung von Basel über Strassburg nach Lille.

«Check-in und Passkontrollen auf dem überschaubaren Bahnhof von Lille kosten deutlich weniger Zeit als in Paris, man muss zwar in Basel und Strassburg umsteigen, doch in Lille nicht den Bahnhof wechseln.» Die Rede war auch schon von direkten Verbindung von der Schweiz nach London. Dazu müsste man aber in den SNCF-Bahnhöfen von Basel und Genf eigene Eurostar-Terminals für die umständlichen Passkontrollen errichten.

18,6 Millionen Passagiere fuhren 2023 mit dem Eurostar, bis 2030 sollen es 30 Millionen sein. Zahlen zum Schweizer Passagieraufkommen gibt es nicht. «Die Zugdestination London hat aber an Popularität gewonnen», sagt Marius Portmann. «Oft buchen wir auch die Weiterfahrt im Nachtzug nach Schottland.» Immerhin gilt UK nicht nur als Mutterland des Fussballs, hier wurde auch die Eisenbahn erfunden. Da verwundert es, dass sich das klamme Empire aus der Eurostar-Muttergesellschaft zurückgezogen hat.

© John Adrian

Mehrheitsaktionärin von Eurostar International ist heute die französische SNCF. Eine kanadische Bank und die belgische Bahn halten Minderheiten. Zum gleichen Konglomerat gehören die früheren Thalys-Züge mit einem Streckennetz in Deutschland, den Niederlanden, Belgien und Frankreich.

Die Fahrt ab dem Gare du Nord vergeht fast wie im Flug. Erst pfeilt der Zug durchs Grün von Nordfrankreich. In Coquerelles bei Calais taucht er ins Dunkel des Tunnels. Die längere Version der Eurostar-Züge hat beeindruckende Kennzahlen: 394 Meter Länge, 815 Tonnen Gewicht und 794 Sitzplätze. Die Waggons messen in der Breite 2,81 Meter, sind 13 Zentimeter schmaler als die TGV-Kompositionen. Brandschutztüren zwischen den Waggons sollen im Tunnel für Sicherheit sorgen.

Bei Folkestone in der Grafschaft Kent verlässt der Eurostar die Röhre. Rechts tauchen Industriebauten und eine Tankstelle auf, links grüne Wiesen. Ein Rugbyfeld beweist, dass wir uns zumindest nicht in der Route vertan haben; den Rüpel-Sport pflegt man auf beiden Seiten des Kanals.

Der Zug rast London entgegen, das Serviceteam räumt das Geschirr in die Trolleys. Nach 2 Stunden und 15 Minuten, 2 Minuten früher, als der Fahrplan vorausgesagt hat, rollt der Eurostar im Bahnhof St. Pancras ein. Niemand scheint sich hier um die Ankommenden zu kümmern. Wir fühlen uns fast ein wenig verloren.

Die Reise wurde unterstützt von TGV Lyria und Eurostar.