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Missbrauch in der katholischen Kirche
«Kirchenaustritte erreichen jetzt auch die hintersten Winkel der Schweiz»

Die Glaeubigen beten waehrend der ersten Messe seit Lockerung der Massnahmen zur Bewaeltigung der Krise um die Pandemie des Coronavirus, Covid-19, am Samstag, 30. Mai 2020 in der katholischen Dreifaltigkeitskirche in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
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Einen Kirchenaustritt im Eilverfahren und ohne administrative Mühe, das versprechen Schweizer Internetdienste wie Kirchenaustritt.ch oder Austritt.ch. Es scheint sich dabei um das Angebot der Stunde zu handeln, jedenfalls macht derzeit eine Rekordzahl von Schweizerinnen und Schweizern davon Gebrauch, auch wenn der entsprechende Service nicht für Gotteslohn offeriert wird, sondern bis zu satte 100 Franken kosten kann.

Monika Büttler, die Betreiberin der Website Austritt.ch, sagt auf Anfrage dieser Redaktion: «Die Nachfrage nach unserem Service hat um den Faktor acht zugenommen.» Absolute Zahlen will Büttler nicht nennen, auch deshalb nicht, weil ihre Dienstleistung immer wieder als «Abzocke» oder als «unmoralisch» kritisiert wird. Tatsächlich ist es in der Schweiz in der Regel problemlos möglich, ohne Hilfe und ohne kostenpflichtige Vorlagen aus der Kirche auszutreten.

Dennoch verzeichnen die Austrittsportale Hochkonjunktur. Dies bestätigte Stefan Amrein, Gründer von Kirchenaustritt.ch, gegenüber dem Nachrichtenportal «Watson»: «So hoch wie in den vergangenen Tagen war die Nachfrage noch nie.» Amrein betreibt die Hotline und das Postfach seines Portals selbst und weiss aus den Gesprächen und E-Mail-Nachrichten, dass es für viele Austrittswillige «eine sehr emotionale Entscheidung» war.

Am Dienstag vergangener Woche stellte die Universität Zürich eine Studie vor, die über 1000 Missbrauchsfälle im Umfeld der katholischen Kirche der Schweiz nachweist. Die Fälle reichen von Grenzüberschreitungen bis zu schwerstem, systematischem Missbrauch, und immer wieder hat die Kirche Täter geschützt, Verfahren verschleppt und verhindert. 

Die Austrittswelle hat sogar die Altersgruppe der über Siebzigjährigen erreicht.

Ganz unabhängig von diesem Skandal ist die katholische Kirche in der Schweiz in einem beispiellosen Popularitätstief:  Mit mehr als 34’000 Personen sind 2021 so viele Katholikinnen und Katholiken aus der Kirche ausgetreten wie noch nie. Auch die reformierte Kirche verliert stark an Mitgliedern, 2021 waren es über 28’000 Personen. Die Zahlen für das Jahr 2022 wird das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut wohl im Oktober veröffentlichen.

Monika Büttler, Betreiberin von Austritt.ch, beobachtet, dass «die steigenden Kirchenaustritte nun die hintersten Winkel der Schweiz erreicht haben». Früher habe in ländlichen Gegenden die konservative Mentalität die Austritte tief gehalten, «doch heute ist auch auf dem Land dieser gesellschaftliche Druck gewichen». Sogar die Altersgruppe der über Siebzigjährigen sei von der Austrittswelle erreicht worden, stellt Büttler aufgrund der Aufträge fest: «Dermassen negative Schlagzeilen bewegen auch Menschen zum Umdenken, denen es vorher ein Leben lang nicht in den Sinn gekommen wäre, der Kirche den Rücken zu kehren».