Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Gesichtsmuskeln und Gefühle
Bekommt man vom Lächeln wirklich gute Laune?

Happy little child girl with yellow banana like smile on orange background. Preschool girl with glasses smiling. Healthy fruits for children.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Aufstellung zum Gruppenfoto. Der Fotograf dirigiert die Gruppe, bis jeder am richtigen Platz steht. Dann erteilt er die wichtigste Anweisung: «Lächeln, bitte!» Vielleicht fordert der Fotograf die Gruppe sogar auf, nun doch «Cheese!» zu plärren, damit das mit dem Lächeln besser hinhaut. Nach dem Fototermin zerstreut sich die Gruppe – und die meisten sind ein wenig besser gelaunt.

Und damit zu einer Diskussion, die Psychologen seit langer Zeit über die sogenannte Facial-Feedback-Hypothese führen. Die Frage lautet: Sind Menschen nach einer Situation wie der eben beschriebenen etwas glücklicher, weil sie Spass hatten und sie dem enthusiastischen Fotografen gefallen wollten? Oder sind sie ein wenig besser gelaunt, weil sie gelächelt haben und allein die Rückmeldung der aktivierten Muskeln ihre Stimmung gehoben hat?

Ohne Stirnrunzeln keine Sorgen?

Beides vermutlich. So lässt sich zumindest das Ergebnis einer Studie einordnen, die Psychologen um Nicholas Coles von der Stanford University im Fachblatt «Journal of Personality and Social Psychology» veröffentlicht haben. Zum einen zeigt vermutlich allein schon die Bewegung des Lächelns einen Effekt auf den Emotionshaushalt derjenigen, die ihre Mundwinkel heben – selbst wenn das Lächeln aufgesetzt ist. Und vermutlich hat auch die Aufforderung, nun gut gelaunt zu sein, einen kleinen Effekt. Es spielen mehrere Einflussgrössen eine Rolle.

Was aber bleibt: Mit hoher Wahrscheinlichkeit, so argumentieren die Psychologen um Coles, wirke auch allein die Mimik auf die Stimmung. Insgesamt, so die Forscher, sprächen ihre Ergebnisse für die sogenannte Facial-Feedback-Hypothese und dagegen, dass sich das Phänomen rein als methodisches Artefakt erklären lasse, das sich nur gelegentlich in Studien, nicht aber im echten Leben zeige.

Seit mehr als 100 Jahren diskutieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ob und wie eine Rückkopplung zwischen Muskeln und Gefühlen existiere. Bereits Charles Darwin, der Begründer der Evolutionstheorie, argumentierte, dass die physiologischen Begleiterscheinungen eines Gefühlszustandes nicht nur dessen Konsequenz seien, sondern diese Emotionen wenigstens verstärken könnten.

Andere gingen gar so weit, zu postulieren, dass die ein Gefühl begleitenden Muskelaktivitäten eine notwendige Voraussetzung seien, um dieses Gefühl überhaupt zu wecken. Das hiesse: ohne Lächeln keine Freude; ohne Stirnrunzeln keine Sorgen. Das geht vielleicht etwas weit, aber die Frage bleibt: Existiert ein Zusammenhang, und wenn ja, welcher?

Stift zwischen den Zähnen aktiviert Muskelgruppen

Der Psychologe Fritz Strack von der Universität Würzburg veröffentlichte 1988 die bis heute vermutlich bekannteste Studie zu der Hypothese. Seine Probanden mussten einen Stift entweder auf der Oberlippe halten oder zwischen den Zähnen fixieren. Letzteres aktiviert die Muskelgruppen, die bei einem Lächeln typischerweise im Spiel sind, Ersteres bewirkte eine eher übellaunige Mimik. Beides, das war das Besondere an dem Versuchsaufbau, sorgte dafür, dass den Teilnehmern ihr Gesichtsausdruck nicht unmittelbar bewusst war. Anschliessend bewerteten sie Gary-Larson-Comics, und siehe da: Wer mit Stift zwischen den Zähnen quasi unbewusst gelächelt hatte, fand die Bilder im Schnitt etwas lustiger.

Alles klar also? Nein, das Pendel der Evidenz schwang in den folgenden Jahrzehnten eher in die Gegenrichtung. Die Stift-Studie liess sich in mehreren, gross angelegten Versuchen nicht erfolgreich wiederholen, was vielen als Beleg dafür galt, dass die Facial-Feedback-Hypothese beerdigt sei. Und dann bewegte sich dieses Pendel wieder in die Gegenrichtung. Psychologen um Nicholas Coles publizierten 2019 eine Metaanalyse sowie 2021 eine Arbeit im Fachjournal «Nature Human Behaviour», für die Experimente mit fast 4000 Teilnehmenden in 19 Ländern angestrengt worden waren. Beide Arbeiten legten nahe, dass da doch etwas dran sein könnte an der Facial-Feedback-Hypothese.

Allerdings stiessen die Forscher um Coles in ihrer Metaanalyse auf einen Zusammenhang, der sie beschäftigte. In 83 Prozent der damals ausgewerteten Studien, wie sie nun auch in ihrer jüngsten Publikation betonen, wurden die Teilnehmer explizit aufgefordert, einen bestimmten Gesichtsausdruck aufzusetzen. Etwa wurde ihnen gesagt, sie sollten dreinblicken, als seien sie extrem glücklich. Es war ihnen also bewusst, welcher emotionale Zustand zu ihrer Mimik passte. Genau diese Studien waren es auch, welche meist einen klaren Effekt nahelegten. In den 17 Prozent der Studien, in denen Probanden ihre Mimik veränderten, ohne dass ihnen das explizit bewusst war, fielen die Ergebnisse hingegen widersprüchlich aus.

Vielleicht steckt der Placeboeffekt dahinter

Das legte den Verdacht nahe, dass hier andere Einflussgrössen als die Aktivität der Gesichtsmuskeln einen Einfluss auf die Gefühlsbalance ausübten. «Zum Beispiel könnte es sein, dass die Probanden eine entsprechende Motivation haben», sagt der Psychologe Fritz Strack, der an der jüngsten Studie von Coles nicht beteiligt war. Wer um die Hypothese der Forscher wisse, wolle diese womöglich bestätigen helfen, um ein «guter oder erfolgreicher Proband zu sein», sagt Strack. Auch Placeboeffekte könnten eine Rolle spielen. Wer um die vermeintlich stimmungshebende Kraft eines Lächelns weiss, erwartet diese Wirkung auch, horcht entsprechend zielgerichtet in sich hinein und scheint sie dann auch zu verspüren.

Die Psychologen um Coles überprüften nun, ob diese beiden Einflussgrössen positive Ergebnisse zur Facial-Feedback-Hypothese erklären könnten. In Versuchen mit 995 Teilnehmern in 29 Ländern fütterten die Forschenden ihre Probanden mit verschiedenen Aussagen über den vermeintlichen Effekt der Mimik auf das Gefühlsleben und darüber, welche Hypothese die Wissenschaftler angeblich selbst für zutreffend hielten und in den Versuchen überprüfen wollten. Mal so, mal in die andere Richtung. Dabei zeigte sich, dass zum Beispiel ein Lächeln Einfluss auf die Gefühle der Teilnehmer hatte, wenn sie von dem Effekt wussten oder glaubten, dass die Forscher davon überzeugt waren.

1:0 für die These, dass die Motivation der Probanden und Placeboeffekte das Phänomen erklären können? Nicht ganz, denn auch die Emotionen von Teilnehmern veränderten sich, die nicht an den Effekt des Mimik-Feedbacks glaubten oder denen nahegelegt wurde, dass die Wissenschaftler selbst die Hypothese für Humbug hielten und Bestätigung für diese Meinung suchten. Ein Lächeln hob die Laune also selbst dann, wenn es anlasslos war und die Gesichtsinhaber nicht an einen Effekt glaubten.

Da ist also etwas. Die Effektstärken allerdings sind klein. «Aber das spielt hier keine Rolle», argumentiert der Psychologe Strack. «Die Effektstärke spielt eine Rolle, wenn man eine Intervention einsetzen möchte, im angewandten Kontext, als Therapie.» Im Falle der Facial-Feedback-Hypothese sei das aber nicht der Fall: «Es geht darum, das theoretisch zu verstehen und die Bedingungen einzugrenzen, unter denen ein Effekt eintritt», so Strack. Das Ergebnis also lautet: Vermutlich haben die Gesichtsmuskeln einen Einfluss auf den Gefühlshaushalt. Der ist zwar nur klein, und es spielen auch weitere Einflüsse eine Rolle, von denen sich einige näher benennen lassen. Aber immerhin: Auch die Mimik macht wohl ein paar Gefühle.