Riesenslalom in KronplatzJammer um Gisin, Staunen über Gut-Behrami
Wegen eines Fehlers wenige Meter vor dem Ziel verpasst Michelle Gisin den Sieg. Lara Gut-Behrami wird Zweite – und schielt auf einmal Richtung Gesamtweltcup.
Ein paar Tage ist es her, Michelle Gisin hatte für einmal ein paar ruhige Minuten für sich und realisierte: «Uff, ich bin ganz schön präsent in der Öffentlichkeit.» Gisin hier, Gisin da, Gisin überall, immer wieder hört oder liest man von ihr, und die Engelbergerin sagt: «Ich hoffe, ich gehe den Leuten noch nicht auf die Nerven.»
Nun, vorerst dürfte es Gisin selbst sein, die sich aufregt. Ob der verpassten Chance, einen weiteren Meilenstein in der Karriere zu setzen. In Kronplatz lag sie vorne nach dem ersten Riesenslalomlauf, deutlich vor der Konkurrenz. Nervös machte sie das nicht, die Mundwinkel waren nach oben gezogen im Starthaus, es war kein hämisches Lächeln, sondern eines voller Vorfreude.
Gisin attackierte denn auch, über eine halbe Sekunde betrug die Reserve bei der letzten Zwischenzeit. Ein paar wenige Tore fehlten, die 27-Jährige geriet aus dem Gleichgewicht, kam fast zum Stillstand. Weg war der Sieg, es reichte noch zu Platz 6. Und sogar die Frohnatur Gisin machte einen Lätsch.
Einen Tag lang herum gelegen
Ein Triumph hätte nicht die historische Komponente gehabt wie jener kurz vor dem Jahreswechsel: Damals hatte Gisin in Semmering erstmals gewonnen im Weltcup, der Slalomerfolg beendete eine fast 19-jährige Schweizer Baisse im Stangenwald. Wobei auch helvetische Siege im Riesenslalom nicht wie reife Äpfel von den Bäumen fallen, im letzten Vierteljahrhundert reüssierten einzig Sonja Nef, Lilian Kummer und Lara Gut-Behrami.
Letztgenannte erinnert gerade an ihre besten Zeiten, neben, vor allem aber auf der Piste. Rang 2, keine drei Zehntel hinter Tessa Worley – es war ihr erster Podestplatz in der Basisdisziplin seit vier Jahren.
«Nun fühle ich mich wohl auf den Ski. Es ist ein riesiger Unterschied zu den letzten Jahren.»
Der Rücken schmerzt noch immer ein wenig, ein grosses Problem aber ist er nicht mehr. Fast den ganzen Montag habe sie im Liegen verbracht, meinte Gut-Behrami, «ich glaube, jetzt kommt es wieder gut».
So erstaunlich ihre wiedererlangte Konstanz auf höchstem Niveau für manchen Aussenstehenden sein mag, für die Tessinerin ist sie nachvollziehbar. «Ich wusste immer: Wenn das Vertrauen wieder da ist, dann werde ich wieder vorne dabei sein. Nun fühle ich mich wohl auf den Ski, kann es laufen lassen, bin auch schnell, wenn ich Fehler mache. Es ist ein riesiger Unterschied zu den letzten Jahren.»
Und nun endlich WM-Gold?
Vor allem versteht es Gut-Behrami, bei unterschiedlichen Pistenbedingungen schnell zu sein – und in verschiedenen Disziplinen. Innert vier Tagen fuhr sie in drei Sparten dreimal aufs Podest, in Crans Montana hatte sie in Abfahrt (Rang 2) und Super-G (Sieg) geglänzt.
Fast ein wenig unbeachtet hat sie sich auch im Gesamtweltcup in eine gute Position gebracht. Alles spricht vom Duell zwischen Gisin und Petra Vlhova, Gut-Behrami aber liegt nur noch 36 Punkte hinter der Teamkollegin und deren 136 hinter der Slowakin zurück.
Gegen Gisin spricht die Schwäche im Speedbereich, wenngleich sie von starken Trainingseinheiten spricht. Bei Vlhova ist es die Formkurve, die zumindest ein wenig nach unten zeigt. In Kronplatz reichte es für Platz 12. Bei Gut-Behrami könnte es kaum besser laufen, und weil sie keine Slaloms bestreitet und daher mehr Ruhetage einlegen kann, wird sie Ende Saison womöglich mehr Energiereserven besitzen als die Konkurrenz.
Für Gut-Behrami gibt es ohnehin Wichtigeres als die grosse Kugel, die sie 2016 bereits gewonnen hat. Ihr Antrieb ist die WM in Cortina, auf einem Hang, den sie mag. Es ist ihre Chance, endlich Gold zu holen an einem Grossanlass, nach drei zweiten und drei dritten Rängen. Wenn nicht jetzt, wann dann – wobei so auch vor der WM 2015 in Beaver Creek und zwei Jahre später in St. Moritz getitelt wurde.
Wer sich daran erinnert, wie wenig Freude Gut-Behrami schon an einer Bronzemedaille haben konnte, der weiss, wie viel ihr ein Triumph in den Dolomiten bedeuten würde.
Holdeners Baisse hält an
Derweil hätte sich Gisin mit dem Premierensieg im Riesenslalom einen Jugendtraum erfüllt. Ihr Kindheitsidol war Sonja Nef gewesen. «Ich kann mir nichts vorwerfen, ich wollte unbedingt gewinnen und versuchte alles», resümierte sie. Die Speedrennen vom Wochenende in Garmisch lässt sie aus.
Eine Ohrfeige der anderen Art erlitt Wendy Holdener, die im ersten Lauf stürzte und sich eine Schnittwunde im Gesicht zuzog. Auch die Lippe war geschwollen. Immerhin erfülle nun die Maske ihren Zweck, sagte sie mit gequältem Lächeln. Es läuft nicht rund in dieser Saison für die Schwyzerin, ganz anders als für Tessa Worley. Es war ein emotionaler Erfolg für die Französin: Ihr Lebensgefährte Julien Lizeroux fährt am Dienstag in Schladming sein letztes Rennen.
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