Sieg im Slalom am ZauberbergMichelle Gisins verrückte Premiere
Nach dem ersten Erfolg im Weltcup weiss die Schweizerin nicht, wie ihr geschieht. Der 27-Jährigen eröffnen sich neue Perspektiven – die Dominatorinnen sind gewarnt.
Nach dem Slalomsieg von Michelle Gisin in Semmering heisst es: Zahlen bitte! Da wäre einmal die 6887. Die 135. Die 28. Und die 8. Aber alles der Reihe nach.
Es war am 20. Februar 2002, als Marlies Oester in Berchtesgaden einen Slalom für sich entschied. Es sollte der letzte Triumph einer Schweizerin bleiben, für 6887 Tage. Gisin hat diese lange Phase der Erfolglosigkeit im Stangenwald beendet, fast 19 Jahre und zwei Skigenerationen später. Die Obwaldnerin wurde 2018 Kombinations-Olympiasiegerin, hatte im Jahr davor WM-Silber geholt, fuhr in vier von fünf Disziplinen aufs Podest. Mit dem Sieg im Weltcup aber wollte es nicht klappen, es drohte die Unvollendete. Dieses Szenario ist abgewendet, Gisin reüssierte – in ihrem 135. Rennen.
Der Gesamtweltcup wird zum Thema
Gisins Fahrten am Zauberberg hatten etwas Magisches. Elf Hundertstel siegte sie vor Katharina Liensberger, die so gerne für den ersten Erfolg der kriselnden Österreicher in diesem Winter gesorgt hätte. Dahinter folgten Mikaela Shiffrin und Petra Vlhova, und wie wertvoll Gisins Sieg ist, verdeutlicht die Zahl 28: So viele Slaloms hatten die Amerikanerin und die Slowakin zuletzt gewonnen, sie dominierten nach Belieben, die Konkurrenz begann zu resignieren. Sprachlos sei sie, habe sie diese Gigantinnen hinter sich gelassen, meinte Gisin nur.
Gisin siegte auf den Tag genau 8 Jahre nach ihrem Debüt im Weltcup. Erstmals auf grosser Bühne war sie ausgerechnet in Semmering gefahren, ebenfalls im Slalom.
Weshalb sich ein Kreis schliesst. Früh galt sie als talentierte Zick-Zack-Künstlerin, schaffte den Anschluss an die erweiterte Weltspitze, orientierte sich aber ab 2017 in Richtung schnelle Disziplinen und entwickelte sich zur beständigsten Allrounderin.
Es gab viele Aufs und Abs, auch Sorgen und Ängste nach dem fürchterlichen Sturz ihres Bruders Marc vor zwei Jahren in Gröden. Vom Weg abbringen lassen hat sich Gisin aber nie, sie investierte ins technische Training – die Fortschritte sind frappant. Acht von neun Saisonrennen hat sie in den Top 10 beendet, im Gesamtweltcup liegt sie hinter Vlhova aber vor Shiffrin auf Platz 2. Die grosse Kristallkugel ist mehr als nur ein flüchtiger Traum. Darauf wird bei Swiss-Ski auch hingearbeitet, dafür stehen die kostspieligen individuellen Trainingslösungen.
Sie hat, was Holdener fehlt
Gisin meinte einmal, wenn ihre Karriere mit einem «Salto-nullo» ende, dann werde sie wenigstens aus diesem Grund in Erinnerung bleiben. Es ging im Gespräch um ihre Sieglosigkeit im Weltcup, darum, dass sie überall ziemlich gut aber eben nirgends aussergewöhnlich gut sei. In Semmering sagte sie nun: «Ich weiss nicht, wie mir geschieht.»
Der Schweizer Trainer Denis Wicki hatte den zweiten Lauf gesteckt, Gisin sprach von einer verrückten Kurssetzung, die gut zu ihr gepasst habe. «Denn ich bin ja auch ein bisschen verrückt.»
Ein Slalomsieg war an und für sich längst von Wendy Holdener erwartet worden, welch Wunder nach 13 zweiten und 11 dritten Plätzen. Die Schwyzerin wurde Fünfte und tankte nach schwierigen Wochen Selbstvertrauen. Aber ihr fehlt, was Gisin auszeichnet: Die Leichtigkeit, das Ungezwungene. Gisin wurde nicht nervös vor dem zweiten Lauf, im Gegenteil. Sie steckte sich die Stöpsel in die Ohren, tänzelte zur Musik.
Marlies Oester übrigens meinte einst, sie werde jener Fahrerin, die sie als letzte Schweizer Slalom-Siegerin ablöse, einen Blumenstrauss vorbeibringen. Den Weg von Adelboden nach Engelberg kann sie sich sparen: Schliesslich gastiert nächste Woche Gisins Freund, Riesenslalom-Spezialist Luca de Aliprandini bei ihr im Berner Oberland.
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