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Meinung

Facebook ohne Faktenchecker
Will Mark Zuckerberg bloss ein Feigenblatt?

Mark Zuckerberg will die Faktenchecker abschaffen – hier an einer Konferenz in Kalifornien im September letzten Jahres.
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Es ist wie bei den Selbstscan-Kassen im Supermarkt: Statt dass geschultes Personal dafür sorgt, dass auch jedes Weggli zum richtigen Preis eingetippt wird, erledigt die Kundschaft diesen Job selbst. Eine ähnliche Aufgabenverlagerung hat Mark Zuckerberg letzte Woche angekündigt: Bei Meta werden in den USA die Faktenchecker abgeschafft. Stattdessen wird sich die Anwenderschaft künftig selbst kontrollieren.

Dieses neue System nennt sich Community Notes. Zu falschen, irreführenden oder destruktiven Postings sollen Nutzerinnen und Nutzer Anmerkungen verfassen. Wie bei den Selbstbedienungskassen erhöhen sich im Idealfall das Tempo und die Effizienz. Denn während Faktenchecker zu vielen Themen selbst Recherchen anstellen müssten, kann beim neuen System ein Experte seine Korrektur gleich selbst anbringen oder zu einer vereinfachten Darstellung zusätzlichen Kontext liefern. Und es besteht die Chance, dass nicht ein kleines Faktchecking-Team bestimmte Sichtweisen von oben herab durchsetzt, sondern sich mehrheitsfähige Beurteilungen «bottom up» entwickeln.

Hohe Hürden, damit die Selbstkontrolle bei Meta funktioniert

Das Stichwort ist Schwarmintelligenz. Wie schlagkräftig die ist, beweist seit Jahren Wikipedia. Beim freien Lexikon managen engagierte Freiwillige eine Menge an Informationen, die mit Angestellten niemals zu bewältigen wären. Auch in den sozialen Medien ist das Prinzip der Selbstkontrolle nicht neu. Das Vorbild für Meta sind die Community Notes bei X: Dieses Instrument wurde dort schon eingeführt, als der Kurznachrichtendienst noch Twitter hiess und noch nicht Elon Musk gehörte.

Screenshot eines Social-Media-Beitrags mit kommentierenden Funktionen und Interaktionsoptionen wie Empfehlungen und Feedback.

Bei der Selbstbedienungskasse ist klar, dass das Risiko für Fehler, Betrug und Konflikte höher ist. Das gilt auch für die Community Notes. Bei X gibt es einen interessanten Ansatz, um die Community Notes robuster gegenüber Manipulationsversuchen zu machen: Nicht jeder darf sogleich Notizen schreiben. Dieses Privileg müssen sich User verdienen, indem sie vorhandene Anmerkungen beurteilen. Ist der Ton sachlich, eine Aussage durch gute Quellen gestützt – und ist eine Anmerkung überhaupt notwendig? Das ist angewandte Medienkompetenz, weswegen man Lehrpersonen nur raten kann, ihren Schülerinnen und Schülern die Kunst des Community-Notes-Schreibens beizubringen.

Bloss ein Mittel, um Kosten bei Meta zu sparen?

Doch allen Schutzmechanismen zum Trotz wird Mark Zuckerbergs Ansatz zum Scheitern verurteilt sein, wenn es ihm vor allem um die Kostenersparnis gehen sollte. Wenn sich die Community selbst moderiert, braucht es griffige flankierende Massnahmen: eine starke Aufsicht, die erkennt, wenn das System durch koordinierte Aktionen ausgehebelt werden soll. Und es wäre auch nicht verkehrt, auf einer kommerziellen Plattform wie Facebook oder Instagram diese Freiwilligenarbeit zu entschädigen – denn gute Anmerkungen zu schreiben, ist echte, ernsthafte Arbeit.

Das grösste Problem besteht aber darin, dass die Selbstkontrolle nur in einem konstruktiven Umfeld funktioniert. Wenn Elon Musk bei X die politische Schlagseite noch verstärkt, kann auch die engagierteste Gemeinschaft nicht für Ausgleich und Verständigung sorgen. Auch Mark Zuckerberg steht im Verdacht, dass er die neue Regelung in vorauseilenden Gehorsam Trump gegenüber einführt, um die Grenze des Sagbaren weiter zu verschieben. Sollte das der Fall sein, dann sind die Community Notes nur ein Feigenblatt, von dem sich die Regulatoren in der EU nicht blenden lassen dürfen.