Warnung von ExpertenMelatonin ist keine unbedenkliche Schlafhilfe
Hormonpräparate sollen beim Schlafen helfen. Deutsche Behörden warnen nun vor falschen Dosierungsangaben. Und Forschende wissen noch wenig über Langfristfolgen.
Die Warnung ist deutlich: Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat kürzlich eine Stellungnahme zu melatoninhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln veröffentlicht. Es gäbe «gesundheitliche Risiken» vor allem bei langfristiger Einnahme, und diese Risiken seien viel zu wenig erforscht, warnt die Behörde. Präparate mit Melatonin nehmen Menschen mit Schlafproblemen ein.
Auch die Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic hat schon letzten November vor Melatonin-Präparaten gewarnt. Swissmedic bezog sich dabei vor allem auf Importe durch Privatpersonen, oftmals über das Internet. Denn in der Schweiz sind die Präparate nicht frei als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich – anders als in Deutschland oder beispielsweise in den USA. Deshalb wird Melatonin häufig in die Schweiz importiert, wie Swissmedic feststellte.
Melatonin werde falsch vermarktet, sagen Behörden
Melatonin ist ein Hormon, das wir im Körper bilden. Es steuert den Schlaf-wach-Rhythmus. Steigt der Melatonin-Spiegel an, was in der Regel am Abend der Fall ist, so wirkt das schlaffördernd. Licht hingegen hemmt die Bildung des Hormons, sodass wir tagsüber wach sind. Mit dem Alter nimmt die körpereigene Produktion von Melatonin bei vielen Menschen ab und Schlafschwierigkeiten zu. Die Idee ist also: Wenn man das Hormon als Nahrungsergänzungsmittel oder Medikament von aussen zuführt, soll das schlaffördernd wirken.
Das BfR kritisiert in seiner aktuellen Stellungnahme, dass Melatonin als «unbedenkliche Schlafhilfe» vermarktet werde. Das Produktespektrum habe in den letzten Jahren stark zugenommen, es gibt Tropfen, Pulver, Sprays, Kapseln oder sogar Gummibärchen mit Melatonin. Doch gerade bei den Nahrungsergänzungsmitteln ist nicht immer die auf der Packung angegebene Menge tatsächlich in dem Produkt enthalten.
«Manchmal enthalten diese Präparate sogar nicht deklarierte gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe», sagt Lukas Jaggi, Sprecher von Swissmedic. So zeigte eine Analyse der University of Mississippi, dass von 25 in den USA untersuchten Melatonin-Gummiprodukten 22 eine andere Dosierung enthielten als auf der Packung angegeben.
In einem Präparat war mehr als die dreifache Menge des Wirkstoffs, in einem anderen hingegen kein Melatonin. Zudem wurden in einigen Präparaten andere bedenkliche Substanzen wie der Botenstoff Serotonin oder das im Hanf vorkommende Cannabidiol nachgewiesen.
Die auf dem deutschen Markt erhältlichen Nahrungsergänzungsmittel enthalten oftmals ein Milligramm Melatonin. So steht es zumindest auf den Packungen. Anders als bei Medikamenten müssen die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln diese nicht zulassen, deshalb werden die Präparate auch nicht auf ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit überprüft.
Studien hätten gezeigt, schreibt das BfR, dass schon bei einer Dosierung von einem Milligramm täglich «unerwünschte Effekte» auftreten könnten. Die Liste dieser unerwünschten Wirkungen ist recht lang. Dazu gehören Schläfrigkeit, Kopfschmerzen, verlängerte Reaktionszeit, Albträume oder Gangunsicherheit. Diese Nebenwirkungen bergen beispielsweise beim Autofahren am nächsten Morgen Gefahren.
Achtung vor Wechselwirkung mit anderen Medikamenten
Melatonin kann ausserdem den Blutzuckerspiegel ungünstig beeinflussen, weshalb Menschen mit erhöhten Blutzuckerwerten von der Einnahme abgeraten wird. Auch Kinder, Jugendliche, Schwangere und Stillende sollten nicht unkontrolliert Melatonin einnehmen, schreibt das BfR.
In der Schweiz gibt es von Swissmedic zugelassene Medikamente, die 2 Milligramm Melatonin enthalten. Zugelassen sind sie nur für Menschen ab 55 Jahren, und sie sollten nicht länger als einige Wochen lang eingenommen werden. Zudem sollten Patientinnen und Patienten darauf zu achten, dass das Melatonin nicht ungünstige Wechselwirkungen mit anderen Substanzen hat, die sie einnehmen.
Melatonin kann die Wirkung verschiedener Substanzen verstärken oder abschwächen, und die Liste ist relativ lang. Dazu gehören beispielsweise Blutdrucksenker oder Gerinnungshemmer. Auch mit der Hormonersatztherapie, die manche Frauen nach der Menopause einnehmen, sollten die Betroffenen Melatonin nicht kombinieren.
Wichtig sei es nun, rät das BfR, die Auswirkungen des Melatonins auf den Blutzuckerspiegel und gewisse Hormonwerte weiter zu erforschen.
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