Den Schlaf aufzeichnenWie zuverlässig arbeiten die Schlaf-Apps?
Smartwatches und Fitnessarmbänder können heute auch den Schlaf überwachen. Doch viele fragen sich, ob man den Daten trauen kann. Experten ordnen ein.
Wenn wir schlafen, verändert sich so einiges in unserem Körper. Der Puls verlangsamt sich, der Atem auch, wir bewegen uns weniger, die Körpertemperatur sinkt. Und vor allem passiert im Gehirn Entscheidendes: Die Hirnströme sind anders als im Wachzustand, das Gehirn hat im Schlaf viel zu tun. Die Synapsen, also die Nervenverbindungen, reorganisieren sich, Erinnerungen werden besser abgespeichert, Abfallprodukte beiseitegeschafft. Und dann sind da ja noch die Träume, mit denen das Gehirn den Schlafenden unterhält oder manchmal auch plagt.
Viele Smartwatches und Fitnessarmbänder bieten heute die Möglichkeit, den Schlaf zu überwachen, was immer mehr Menschen tun. Denn mindestens ein Viertel der Bevölkerung leidet unter Schlafproblemen. US-Forscher schrieben letztes Jahr in einer Spezialausgabe der Fachzeitschrift «Lancet», sogar ein Drittel sei betroffen. Vor allem ab dem mittleren Alter nehmen Schlafstörungen zu. Doch nicht nur Menschen, die Schwierigkeiten haben, einzuschlafen oder durchzuschlafen, sammeln Schlafdaten mit ihren Wearables. Für viele gehört das inzwischen zur Gesundheitsroutine und zum Vermessen des eigenen Körpers.
Die Tracker haben in den letzten Jahren weitere Funktionen bekommen. So können die neuen Modelle der Apple Watch beispielsweise Werte wie die Herzfrequenz, die Atemfrequenz, die Sauerstoffsättigung des Blutes oder die Temperatur am Handgelenk messen. Auch die Fitbit-Armbänder haben je nach Modell ähnliche Fähigkeiten. Aber wie verlässlich sind die Aufzeichnungen dieser Geräte, die unseren Schlaf auswerten?
Entspannt liegen ist nicht schlafen
«Die kommerziell erhältlichen Tracker haben alle ein Problem», sagt Schlafexperte Christian Baumann, «sie lassen das Gehirn aussen vor, und genau dort passiert Entscheidendes.» Baumann ist Professor für Neurologie am Universitätsspital Zürich. Ein Beispiel: Kann jemand nicht einschlafen, liegt dabei aber ganz still, meinen einfachere Tracker, die Person befinde sich im Tiefschlaf, weil sie sich nicht bewegt.
Zeichnet das Gerät auch die Atem- oder Herzfrequenz auf, merkt es vielleicht, dass jemand nicht schläft. Besonders dann, wenn die Person sich vom Nicht-schlafen-Können stressen lässt. Liegt jemand hingegen ruhig da und ist trotz Einschlafproblemen relativ entspannt, kann der Tracker diesen Zustand als Schlaf registrieren. Denn der Unterschied liesse sich nur mit einem Blick ins Gehirn nachweisen.
«Die Schlafarchitektur lässt sich nur am Gehirn überwachen.»
Wer in einem medizinischen Schlaflabor übernachtet, der wird zum Schlafen verkabelt. Auch am Kopf befinden sich viele Elektroden. Sie zeichnen die elektrische Aktivität im Gehirn auf, mit einem sogenannten EEG. Auf diese Weise können die Ärzte beispielsweise auch sehr oberflächlichen Schlaf registrieren, bei dem der Betroffene oftmals das Gefühl hat, wach zu liegen.
Es ist nicht nur entscheidend, wie lange wir jede Nacht schlafen. Auch die verschiedenen Schlafphasen, die man durchläuft, spielen eine wichtige Rolle. Das nennt man Schlafarchitektur, also die Abfolge von Tiefschlafphasen und anderen Schlafphasen, insbesondere der REM-Phase. REM steht für Rapid Eye Movement, der Schlafende bewegt die Augen hinter den geschlossenen Lidern hin und her und träumt dabei meist intensiver als in anderen Schlafphasen. «Die Schlafarchitektur lässt sich nur am Gehirn überwachen», sagt Baumann.
In der ersten Nachthälfte sind die Tiefschlafphasen länger. Fehlen sie, fühlt man sich unausgeruht, auch wenn man stundenlang geschlafen hat. Bei Nachtflügen hat das vielleicht so mancher schon erlebt. Selbst wenn man es schafft, mehrere Stunden zu schlafen, fühlt man sich am nächsten Morgen, als hätte man kaum geschlafen, weil der Schlaf nur oberflächlich war.
Weil die Tracker keine Daten aus dem Gehirn aufzeichnen können, versuchen die Geräte, die Schlafarchitektur aus anderen Werten abzuleiten. Die Bewegungssensoren zeichnen beispielsweise auf, wie viel sich jemand bewegt. Im Tiefschlaf liegt man ruhiger als in leichteren Schlafphasen. Aber auch hier gibt es Ungenauigkeiten: «Nicht jeder Mensch bewegt sich gleich viel, wenn er oder sie schläft», sagt Baumann. Entscheidend sei zudem nicht nur, wie viele verschiedene Parameter ein Gerät auswerte, sondern auch, wie gut die Qualität der Aufzeichnung sei.
«Vor allem bei Menschen mit somatischen Schlafstörungen stimmen die Werte der Tracker oftmals nicht mit jenen überein, die im Schlaflabor ermittelt werden», sagt Schlafexperte Christian Cajochen, Professor am Zentrum für Chronobiologie der UPK Basel. Das sei ein Problem, denn gerade diese Patienten und Patientinnen bräuchten verlässliche Werte. «Aber das Hirnstrombild lässt sich nun mal nicht am Handgelenk messen», sagt auch Cajochen.
«Schlaf ist keine sportliche Disziplin, bei der man die eigenen Leistungen überwachen muss.»
«Positiv ist, dass viele Menschen heute dank der Tracker erkannt haben, wie wichtig guter Schlaf für die Gesundheit ist», sagt Baumann. Aber man solle sich nicht zu stark auf die Resultate verlassen und sich vor allem auch nicht beunruhigen, wenn der Tracker einmal schlechten Schlaf anzeige. «Wenn man sich ausgeruht fühlt, ist wohl eher die Messung falsch.»
Die Experten raten sowieso dazu, sich nicht zu stark mit dem Schlaf zu beschäftigen. Das könne zu Stress führen, was wiederum für guten Schlaf kontraproduktiv ist. «Wir hören von den Beratungsstellen, dass es mehr Menschen gibt, die beinahe besessen von einer perfektionistischen Suche nach idealem Schlaf sind», sagt Cajochen. Doch genau das könne zu ernsten Schlafproblemen führen. «Schlaf ist keine sportliche Disziplin, bei der man die eigenen Leistungen überwachen muss», sagt Baumann.
Fehler gefunden?Jetzt melden.