Keine Einladung von SelenskiDie grosse Enttäuschung von Ukraine-Freund Martin Bäumle
Der beste Ukraine-Kenner im Schweizer Parlament durfte am Treffen mit Präsident Wolodimir Selenski nicht teilnehmen – weil er zu viel Kritik geübt hatte. Zurückstecken will er deshalb nicht.

Als der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski am Montag bei seinem Besuch in Bern eine Delegation der Schweizer Parteien traf, war Martin Bäumle nicht dabei. Er wurde nicht einmal eingeladen. Ausgerechnet Bäumle, Mitgründer und Co-Chef der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-Ukraine – eine Persona non grata?
Seit vielen Jahren schon setzt er sich für das Land ein. Er ist Geschäftsführer der Entwicklungshilfeorganisation Green Cross und hat allein seit Kriegsausbruch Hilfsgüter im Wert von über 1 Million Franken an die Ukraine geliefert. Bäumles Frau stammt aus dem Land. Niemand im Schweizer Parlament kennt die dortigen Verhältnisse besser als er.
Kein Wunder, ist er jetzt enttäuscht. Er habe bereits erste Schritte für eine Aussprache mit dem Aussendepartement und der ukrainischen Botschafterin Irina Wenediktowa verlangt, sagt Bäumle. «Ich kann dieses Verhalten seitens der Botschafterin nicht hinnehmen.»
Ukraine lud nicht nur Parteichefs ein
Das Treffen zwischen Selenski und den Parteispitzen hat schon einiges an Wirbel ausgelöst. Die SVP-Spitze war gar nicht dabei. Sie hatte sich abgemeldet, was breite Kritik auslöste. Dafür interessierte sich SVP-Nationalrat Alfred Heer für eine Teilnahme. Er ist Ukraine-Berichterstatter des Europarats. Die SVP meldete ihn an. Doch die ukrainische Botschaft, die das Treffen organisierte, lehnte dies ab und enttäuschte damit auch Heer, wie er auf Anfrage mitteilt.

Die Einladungen der Ukrainer richtete sich zwar primär an die Partei- und Fraktionschefs. Zusätzlich durften jedoch zwei Nationalräte teilnehmen, die kein solches Amt bekleiden: Roger Nordmann (SP) und Nik Gugger (EVP). Beide sagen, dass sie aufgrund ihres Engagements für die Ukraine Selenski treffen konnten. Sie gehörten auch zu einer Delegation unter der Leitung der damaligen Nationalratspräsidentin Irène Kälin, die im April 2022 den ukrainischen Präsidenten in Kiew besucht hatte. Gugger ist zudem der zweite Co-Präsident der Freundschaftsgruppe.
Streit mit der Botschafterin
Aber warum hatte es keinen Platz für Bäumle? Der wahre Grund dürfte sein, dass der Zürcher GLP-Nationalrat eine andere Haltung vertritt als die Regierung Selenski. Vor einigen Monaten traf sich Bäumle mit Botschafterin Wenediktowa, die früher als Generalstaatsanwältin tätig gewesen war. Es sei ein hartes Gespräch gewesen, erinnert er sich. «Ich will wie sie das Beste für die Ukraine, aber meine Lösungsvorschläge stiessen bei ihr nicht auf fruchtbaren Boden.»

Bäumle sagt, er habe in den vergangenen Jahren viele schwierige Gespräche mit der Botschaft und Politikern aus der Ukraine geführt, diese hätten aber immer in einer freundschaftlichen Atmosphäre stattgefunden. Die ukrainische Botschaft hat auf eine Anfrage der SonntagsZeitung nicht reagiert.
Differenzen mit der eigenen Partei
Bäumle ist seit Kriegsausbruch der Meinung, dass Verhandlungen der einzige Ausweg seien. Für ihn ist Russland klar der Aggressor. Dennoch brauche es die Russen für eine Lösung, sagt er. «Auch wenn es schwierig ist, müssen wir Putin an den Verhandlungstisch bringen.» Bäumle hat sogar einen eigenen Friedensplan entworfen.
Seit April 2022 versucht er über seine Kanäle in der Ukraine, mit Selenski ins Gespräch zu kommen – vergeblich. «Das Treffen in Bern wäre eine gute Gelegenheit für einen direkten Kontakt gewesen», sagt Bäumle.
Nicht einmal seine Partei wollte ihm helfen. Diese war am Treffen mit Selenski durch Präsident Jürg Grossen und Fraktionschefin Corina Gredig vertreten. Sie suchten jedoch nicht den Kontakt mit ihrem Ukraine-Experten und Parteigründer. Bäumle bedauert das. «Sie hätten sich zumindest im Vorfeld mit mir absprechen dürfen.»
Bäumle kämpft für das Volk – nicht für die Regierung
Trotz allem begrüsst der 59-Jährige den Plan des Bundesrats, eine Friedenskonferenz für die Ukraine durchzuführen. «Die Schweiz kann als Vermittlerin immer noch eine Rolle spielen, da sie im Gegensatz zu Ländern wie der Türkei, Saudiarabien, Katar oder China keine eigenen Interessen verfolgt.» Aber gerade China sei neben den USA zentral für eine mögliche Lösung.
Bäumle betont gleichzeitig, dass die Fronten «extrem verhärtet sind». Die russische und die ukrainische Seite müssten für Gespräche «von ihren unerfüllbaren Vorbedingungen abweichen und zumindest eine Offenheit zeigen, um erste Schritte zu einem Kriegsende zu erreichen».
Trotz vieler Rückschläge denkt Bäumle nicht ans Aufgeben: «Ich werde mich weiter für eine Lösung einsetzen. Mein Herz schlägt für die Bevölkerung der Ukraine und nicht für eine Regierung.»
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