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Meinung

Mamablog: Auszeit von den Kindern
Was haben die Mutterjahre aus mir gemacht?

Illustration of woman meditating on mountain peak

Bis zu dem Tag im September, an dem ich erfuhr, dass ich drei Tage Achtsamkeitsfestival im Fünfsternehotel in Zermatt gewonnen hatte, war ich der Überzeugung, dass bei solchen Wettbewerben nie jemand gewinnt.

Darum hatte ich auch die Beschreibung nicht richtig gelesen. Sonst wäre mir aufgefallen, dass das Datum absolut unpassend war. Ich sah nur fantastisches Essen, die tolle Boho-Einrichtung und den dampfenden Pool. So hat es uns den Traum aller Eltern mitten in die stressigste Woche des Halbjahres geschneit. Textabgaben, Elternabende, Fussballturniere, ein Riesenauftrag im Geschäft und Ende der Woche ein wichtiges Konzert. Unmöglich. So etwas passiert jedoch nur einmal im Leben, also stellten wir die Welt auf den Kopf und machten es möglich. Höchste Zeit, endlich das Matterhorn zu sehen.

Was die Mutterjahre aus mir gemacht haben

Jedes Kind wurde spontan bei einem Schulfreund untergebracht – Zeitplan, gepackte Sporttasche, Instrument und Helm (was man halt so braucht) im Gepäck. Anfänglich hatte ich Zweifel. Für gewöhnlich übe ich vor einem Konzert exzessiv und betreibe mentale Übervorbereitung. Dass die Selbstquälerei nun durch Wellness, Bergkulisse und ungestörten Schlaf ersetzt würde, schien mir letztlich gar nicht so dumm. Um noch ein paar Stunden für mich zu haben, ging ich schon früher los. Vorfreudig stampfte ich in meinen Dr.-Martens-Stiefeln zum Bahnhof. Bis ich überpünktlich auf dem richtigen Perron ankam, klopfte mir das Herz bis zum Hals. Mein Billett? Ist in der App gespeichert. Akku geladen?? Ja. Ladegerät eingepackt?? Ja-haa. Oh. Mein. Gott. Habe ich das Sparbillett wirklich für diese Verbindung gelöst, oder bin ich womöglich eine Stunde zu spät?

Noch bevor der Zug einrollte, vermisste ich die Kinder. Überall lauerten die Gefahren des Alltags und ich war nicht da.

Unglaublich, was die Mutterjahre aus mir gemacht haben. Ich war mal Pendlerin. Königin der Gleise. Zugfahren und Sekundenzeiger haben in mir null Stress ausgelöst. Jetzt wollte ich mich an den nächstbesten Menschen werfen und in seinen Pulli weinen, so angespannt war ich. Mit meinem hoteltauglichen Hipster-Outfit, den Kopfhörern und dem Kaffeebecher sah ich aus, als hätte der Bahnhof nur auf mich gewartet. Ich fühlte mich elend und schwitzte.

Auf dem Ablösungsweg

Dann geschah etwas Seltsames. Noch bevor der Zug einrollte, vermisste ich die Kinder. Ich hatte sie ohne Vorwarnung schutzlos der kalten Realität ausgesetzt. Überall lauerten die Gefahren des Alltags und ich war nicht da. Es fühlte sich an, als würde ich einen ganzen Lebensabschnitt verpassen. Mein Kopf sagte mir, ich hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank. Wir waren doch schon zigmal ohne sie verreist! Mein Körper offenbarte mir, dass ich da gerade ein gutes Stück auf dem vielbesagten Ablösungsweg zurücklegte. Dort am Gleis 4 realisierte ich, wie bald ich schon für so einen Abstecher keinen Babysitter mehr organisieren, sondern nur noch den Kühlschrank füllen, Geld für eine Pizza und eine To-do-Liste auf die Küchentheke legen würde.

Grey's Anatomy im Zug – von allen Anwesenden hatte ich mir das am meisten verdient.

Zum Glück fand ich den Rank schnell. Im überfüllten Zug tauchte ich statt in mein Buch in die wunderbare Welt von Grey's Anatomy ein und fühlte mich super dabei. Schliesslich mache ich das sonst nie und ich hatte es mir von allen Anwesenden am meisten verdient. In Zermatt habe ich mich erst einmal verlaufen und dann mitten auf der Strasse meinen Koffer ausgepackt und die harten Stiefel gegen meine geliebten Turnschuhe eingetauscht, weil ich keine Lust auf Blasen hatte. Als ich schliesslich ankam, war mein Selbstbewusstsein wiederhergestellt und von da an wurde es nur noch wunderbar.

Bis zum Rand gefüllt mit Köstlichkeiten, aufgeweicht und inspiriert, traten wir am Samstag tiefenentspannt den Heimweg an. Ich hatte für alles genügend Zeit eingeplant. Dann wurde unser erster Zug gestrichen und von da an war meine Entspannung zur Sau. Die Stunden vor dem Auftritt waren an Stress und Schweissproduktion kaum zu überbieten. Wäre ich zu Hause geblieben, wäre es vielleicht nicht anders gewesen. Zum Glück habe ich an diesem Wettbewerb teilgenommen.