Mamablog: Antisemitismus und ErziehungWie erkläre ich meinen Kindern den Krieg?
Am 7. Oktober 2023 änderte sich für die Familie unserer Autorin alles. Plötzlich stand sie als Mutter vor mehreren riesigen Herausforderungen.

Am 7. Oktober 2023 veränderte sich für uns die Welt, wie wir sie bis dahin kannten. An diesem Samstag, während wir einen Feiertag feierten, verbreitete sich in der Synagoge das Gerücht über einen Anschlag in Israel. Wir dachten uns nicht viel dabei, denn Selbstmordanschläge, Raketenalarm, Messerattacken oder Schiessereien an Busstationen gehören in Israel leider zum Alltag. Das Ausmass dieses Anschlags und welchen Einfluss er auf unseren Alltag und unser Leben haben würde, erfassten wir erst Tage später.
Ein Krieg, der uns persönlich betrifft
Unsere beiden grossen Kinder sind fast 10 und 7 Jahre alt. Auf dem Schulweg lesen sie oft Gratiszeitungen und sind daher gut informiert. Gespräche über Krieg sind deshalb nichts Neues bei uns – seit dem Ukraine-Krieg ist es ein häufiges Thema. Dabei denke ich oft an das Lied der Sesamstrasse: «Der, die, das, wer, wie, was, wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm. 1000 tolle Sachen, die gibt es überall zu sehen, manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen». Oder heute vielleicht eher «1000 schlimme Sachen».
Wir versuchen, das aktuelle Weltgeschehen so gut es geht kindgerecht zu erklären. Allerdings stellte uns der Anschlag der Hamas vor eine besondere Herausforderung: Wie erklären wir einen Krieg, der uns persönlich betrifft? Wir haben viele Freunde und Familie in Israel. Wie können wir unsere Sorgen und Ängste mit den Kindern teilen, ohne sie zu überfordern? Gleiches gilt auch in umgekehrter Richtung: Wie gehen wir mit den Ängsten und Sorgen unserer Kinder um?
Bei uns zu Hause ist es wichtig, dass unsere Kinder über alles sprechen können. Es gibt keine Tabus. Unsere Grundregel lautet: Immer alle Perspektiven berücksichtigen. Wir tolerieren kein Schwarz-Weiss-Denken. Wir erklären ihnen, dass es bei Kriegen um Macht, Besitz, Unterdrückung und vor allem Hass geht. Da ist es verständlich, dass zahlreiche Fragen auftauchen. Als Eltern muss man bereit sein, die Fragen mit bestem Wissen und Gewissen zu beantworten. Wenn wir einmal keine Antwort haben, suchen wir gemeinsam mit den Kindern im Internet nach Informationen. Was wir hingegen nie sagen: «Für das bist du noch zu klein». Wir möchten unsere Kinder nicht vor der Realität abschirmen. Denn wenn wir es nicht tun, werden sie sich die Informationen anderswo suchen, sei es in Zeitungen, in sozialen Medien oder von Freunden – Stichwort «Fake News». Da ist es mir lieber, meine Kinder selbst zu informieren und ihre aufkommenden Fragen zu klären.
Viel mehr als «normale» elterliche Sorgen
Der weltweit zunehmende Antisemitismus aufgrund des Nahostkrieges stellte eine zusätzliche Herausforderung dar. Plötzlich machten wir uns von einem Tag auf den anderen ernsthafte Sorgen um die Sicherheit unserer Kinder. Es überstieg die «normalen» elterlichen Sorgen bei weitem. Unser Sohn durfte plötzlich nicht mehr öffentlich seine Kippa tragen und unsere Tochter musste ihren Davidstern ablegen. Selbst für mich war dieser Grad des Antisemitismus erschreckend neu. Wir fühlten uns plötzlich wieder wie «die anderen» – ein zutiefst beunruhigendes Gefühl, das mir regelmässig Tränen in die Augen treibt.
Als unser Sohn mich fragte: «Wieso werde ich für den Krieg beschuldigt? Ich lebe ja hier?», erklärten wir, dass Antisemitismus aus Vorurteilen, Pauschalisierung und Hass entsteht. Wir betonten, dass Antisemitismus weder rational noch logisch ist und dass sie sich niemals für ihr jüdische Identität schämen dürfen. Einfacher gesagt als getan – auch für uns Erwachsene.
Am Ende des Tages bleibt uns nur die Hoffnung – die Hoffnung, dass die Kriege bald ein Ende finden und dass die Nächstenliebe letztendlich den Hass besiegt.
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