Kindersachbuch über Gewalt und KriegWarum tun Erwachsene so etwas?
Mal ganz naiv, mal ganz konkret: In «Wann ist endlich Frieden?» beantwortet die Psychologin Elisabeth Raffauf Kinderfragen zum Thema Krieg. Ein Sachbuch von trauriger Aktualität.

Als die Psychologin Elisabeth Raffauf die Arbeit an dem Kindersachbuch «Wann ist endlich Frieden?» begann, tat sie das vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine, der neuerlichen Machtergreifung der Taliban in Afghanistan, der Fluchtbewegungen, die der Krieg in Syrien ausgelöst hatte. Von Raffauf befragte Kinder aus allen drei Ländern tauchen auf fast jeder Seite des Buches auf, erzählen von ihren Ängsten, von ihren Hoffnungen, davon, wie es war, als plötzlich alles anders war: weil der Krieg angefangen hatte.
Und doch bleibt man heute beim ersten Durchblättern des Buches bei einer Seite hängen, die weder die Ukraine noch Afghanistan oder Syrien thematisiert. «Was ist ein Terrorist oder eine Terroristin?», ist Seite zwölf überschrieben – und, wie auf den anderen Seiten auch, folgen einfache Worte in klaren Sätzen, mit denen Raffauf versucht, das Unerklärliche zu erklären. Warum tun Menschen anderen Menschen Gewalt an, weshalb bringen sie unfassbares Leid übereinander?
Dass manche Menschen zu Terroristen werden, versucht Raffauf einerseits mit den Biografien der späteren Täter und Täterinnen zu erklären, mit Armut und Minderwertigkeitsgefühlen. Mit religiöser Verblendung oder politischem Sendungsbewusstsein andererseits – ein Schlüsselsatz könnte jedoch auch dieser sein: «Sie machen sich gross, indem sie andere kleinmachen.»
Von einem guten Timing möchte man angesichts des tausendfachen Leids in Nahost eher nicht sprechen.
Das von Günther Jakobs zurückhaltend und trotz des ernsten Themas in eher warmen Farben illustrierte Buch erschien am 10. Oktober – drei Tage nachdem Terroristen der Hamas israelische Zivilisten in ihren Häusern, auf den Strassen, auf einem Freiluftfestival überfallen, ermordet, verschleppt hatten.
Von einem guten Timing möchte man angesichts des tausendfachen Leids in Nahost eher nicht sprechen. Feststellen lässt sich aber, dass es gut ist, dass Kinder im Grundschulalter, die das Buch jetzt alleine oder mit Erwachsenen zusammen aufschlagen, in einem Rutsch oder kleinen Häppchen je nach Interesse lesen können. Schliesslich dominiert die Eskalation der Gewalt in Israel und im Gazastreifen die Medien, selbst behütete Kinder bekommen das mit – und stellen Fragen.
Elisabeth Raffauf, die neben ihrer Tätigkeit als Psychologin auch seit langem beim Kinderfernsehen und -radio des WDR tätig ist, hat solche Fragen von Kindern gesammelt. Und antwortet. Dabei erklärt sie abstrakte Dinge wie die UN und das Völkerrecht, konkrete Kriegsfolgen wie Flucht und Vertreibung und, als kleine Massnahme gegen Ohnmachtsgefühle, auch, wie man von hier aus ein wenig helfen kann. Mal erscheinen die Fragen naiv – «Kann man die Chefin oder den Chef eines Landes, die oder der den Krieg befiehlt, nicht umbringen oder wenigstens verhaften?», mal ganz praktisch: «Was hilft gegen die Angst?»
Während der Krieg in Nahost in die Lebenswirklichkeit der meisten Kinder hierzulande, die keine Verwandten in Israel oder Gaza haben, bislang eher medial eindringt, bekommen sie die Folgen anderer Konflikte längst auch in ihrer Umgebung mit. Auch diesen Fragen widmet sich das Buch, indem es fragt und beantwortet, wie sich Kinder fühlen, die nach der Flucht in einem fremden Land leben müssen – und was man tun kann, «wenn zwei Kinder der sich bekämpfenden Länder auf dem Schulhof streiten». Die Frage, wie wieder Frieden geschlossen werden kann, wird ebenfalls gestellt und beantwortet.
Wann dies in der Ukraine, in Afghanistan, Syrien und Nahost endlich der Fall sein wird? Diese Antwort kann leider keiner geben, auch Elisabeth Raffauf nicht.
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