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Mamablog: Wie wir unsere Töchter stärken
Pfeift, Mädchen, pfeift!

Sorgte in Katar für Aufregung: Schiedsrichterin Stéphanie Frappart beim WM-Spiel Costa Rica gegen Deutschland.
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«Nicht pfeifen. Mädchen pfeifen nicht.» Ich muss etwa sechs Jahre alt gewesen sein und sammelte gerade fröhlich pfeifend Kastanien in meinen Rucksack, als ich das zum ersten Mal hörte. Ich schaltete auf stumm, doch in meinem Kopf brodelte es: Warum in aller Welt sollten Mädchen denn nicht pfeifen? Schon bald sollte ich lernen: Pfeifen ist unweiblich. Genauso wie wütend werden, breitbeinig sitzen, «wild» sein. Die althergebrachte Message: Bloss keinen Raum einnehmen.

Heute pfeift an einer mehr als fragwürdigen Fussball-WM der Männer erstmals eine Frau ein Spiel, und alle applaudieren. So erfreulich dieser Meilenstein auch ist, zeigen doch die Reaktionen darauf, dass längst nicht normal ist, was längst normal sein sollte. Und ich frage mich: Wie sieht eigentlich die Normalität unserer Töchter aus? Wachsen sie heute gleichberechtigter auf, als das noch vor dreissig Jahren der Fall war?

Wie weit sind wir heute wirklich?

Wenn sie auch akademisch aufgeholt haben, belegen Studien, dass Mädchen häufiger von Selbstzweifeln geplagt sind und sich für weniger klug halten als Jungen. Die Hälfte der Mädchen empfindet sich spätestens mit 15 Jahren als zu dick. Zudem reproduziert unsere Gesellschaft viel zu oft dasselbe Narrativ: dass Jungs nun mal wild sind und Mädchen lieb, angepasst und fürsorglich. Dass es okay ist, wenn in der Schule der «wilde» Junge neben sie gesetzt wird, damit er ausgeglichener ist. Dass der Spruch «Sei kein Mädchen» zum normalen Sprachgebrauch gehört. Und so mit der Begünstigung toxischer Maskulinität auch den Jungen in ihrer Entwicklung schadet.

Noch immer ist in vielen Lebensbereichen die Frau mitgemeint, nicht aber mitgedacht.

Und auch wenn uns Model-Shows mit vermeintlicher Diversity anderes weismachen wollen: Noch immer ist Dünnsein das Mass aller Dinge, jegliche Körperbehaarung ein No-Go. Offen über die Menstruation zu sprechen, ist weiterhin ein Tabu, und wo früher sogenannte Mädchenzeitschriften den Ton angaben, wimmelt es nun zusätzlich in den sozialen Medien von Erwartungen, Annahmen und Anleitungen zum Frausein. Noch immer ist in vielen Lebensbereichen die Frau mitgemeint, nicht aber mitgedacht. Und spätestens im Erwachsenenalter beschleicht viele Frauen dann irgendwann eine Ahnung, welche die Pädagogin und Buchautorin Susanne Mireau in ihrem Bestseller «New Moms for Rebel Girls» als «diffuses Gefühl der Ungleichheit» formuliert. «Und irgendwie scheint das Gefühl damit zusammenzuhängen, dass wir Frauen sind», schreibt sie.

Ungleichheit zwischen den Geschlechtern fängt eben nicht erst bei den Gender Gaps an und hört dort leider auch nicht auf. Es geht nur schleichend voran. Unsere Kinder aber saugen das androzentrische Weltbild von Beginn in sich auf und ziehen daraus ihre Schlüsse.

Stärke mitgeben: «Ich mach da nicht mit»

Aber was tun? Sollen wir den Mädchen nun die Barbies vorenthalten? Ihnen die Augen zuhalten, damit sie die gephotoshoppten Frauen nicht sehen? Natürlich nicht. Da die Welt sich nicht plötzlich über Nacht ändern wird, könnten wir Mütter laut Mireau zunächst versuchen, unsere eigenen Muster unter die Lupe zu nehmen: Urteilen wir über das Aussehen anderer? Sprechen wir wertschätzend über uns selbst, über unseren Körper? Welche unbewussten Botschaften senden wir mit unseren Worten, Gesten und Blicken im Alltag aus?

Es ist nicht leicht, alte Prägungen einfach so abzulegen. Auch scheint es, wie Mireau selbst schreibt, falsch, allein die Mütter in die Verantwortung zu ziehen. Es brauche sowohl weibliche als auch männliche positive Rollenbilder, um unseren Töchtern eine Art «Patriarchatsresilienz» mitzugeben. Indem wir sie stark machen und ganz tief in ihnen die Gewissheit verankern, dass sie so, wie sie sind, gut sind. Indem wir ihnen eine innere Widerstandskraft gegen falsche Selbstbilder mitgeben. Ein Widerspruchsrecht gegen gesellschaftliche Erwartungen. Eine starke Beziehungsfähigkeit. Die Erkenntnis über die Einflüsse, die auf sie wirken, und die Kraft, diese nicht auf sich beziehen zu müssen. Beziehungsweise drauf zu pfeifen.