Fed-Chef Jerome PowellDer «gefährliche Mann» darf weitermachen
Trotz Kritik linker Demokraten schlägt Joe Biden Notenbankchef Jerome Powell für eine zweite Amtszeit vor. Im Blick hat er dabei den Kampf gegen die Inflation - und die eigenen Umfragewerte.
Der Druck auf Joe Biden war gross gewesen, am Ende jedoch widerstand der Präsident den teils schrillen Forderungen aus den eigenen Reihen, die Spitze der US-Notenbank Fed komplett umzubauen und freie Stellen ausschließlich mit linientreuen Parteifreunden zu besetzen.
Wie das Weisse Haus am Montag bekannt gab, wird Biden dem Senat vorschlagen, den amtierenden Notenbankgouverneur und eingeschriebenen Republikaner Jerome Powell über den 5. Februar 2022 hinaus für weitere vier Jahre im Amt zu bestätigen. Die vom linken Flügel seiner Demokratischen Partei favorisierte Ökonomin Lael Brainard hat damit das Nachsehen. Die 59-Jährige, die dem Fed-Vorstand bereits seit 2014 als einfaches Mitglied angehört, wird aber immerhin zur Stellvertreterin Powells aufrücken und das überaus wichtige Ressort Bankenregulierung übernehmen.
Mit der Paketlösung hofft Biden, die Kritiker in den eigenen Reihen zu besänftigen, eine strikte Regulierung der Finanzindustrie sicherzustellen, den Kampf gegen die Inflation voranzutreiben und zugleich Kritik vorzubeugen, er gefährde durch eine allzu parteipolitisch geprägte Personalentscheidung die Unabhängigkeit der Notenbank.
«Wenn wir auf dem wirtschaftlichen Erfolg dieses Jahres weiter aufbauen wollen, dann brauchen wir bei der Federal Reserve Stabilität und Unabhängigkeit», erklärte Biden in einer schriftlichen Stellungnahme. «Ich habe volles Vertrauen, dass der Vorstandsvorsitzende Powell und Dr. Brainard nach der Feuerprobe der vergangenen 20 Monate jene Führungsstärke zeigen werden, die unser Land braucht.»
Tatsächlich wird die Fed Führungskraft benötigen - insbesondere beim Versuch zu verhindern, dass die jüngste Teuerungswelle in eine gefährliche Lohn-Preis-Spirale mündet. Im Oktober hatte die Inflationsrate mit 6,2 Prozent den höchsten Stand seit gut 30 Jahren erreicht, bei Benzin, Gas und vielen Lebensmitteln lagen die Zuwächse teils sogar noch weit darüber.
Die hohen Inflationsraten haben Biden geschadet
Die massiven, lange Zeit auch von der Fed unterschätzten Preissteigerungen haben massgeblich dazu beigetragen, dass Bidens Beliebtheitswerte bei den Bürgern in den vergangenen Monaten auf einen dramatischen Tiefstand abgesackt sind. Der Präsident hat den Kampf gegen die Teuerung deshalb zur absoluten Priorität erklärt und seine Beamten angewiesen, Gegenmassnahmen zu ergreifen. Aber auch die Notenbank steht unter Druck: Viele Experten fordern, dass die Fed ihre Massnahmen zur Stützung von Konjunktur und Arbeitsmarkt schneller als bisher geplant zurückfährt und den eingeleiteten Kurswechsel hin zu einer energischeren Bekämpfung der Inflation beschleunigt.
Eine Entmachtung Powells und die Nominierung Brainards hätten vor diesem Hintergrund ein womöglich fatales Signal an die Öffentlichkeit gesandt, denn sie gilt zwar als fähige und erfahrene Geldpolitikerin. Sie hat aber auch den Ruf, dem Bemühen um Vollbeschäftigung im Zweifel mehr Bedeutung als dem Kampf gegen die Inflation einzuräumen und die Leitzinsen lieber zu lang als zu kurz niedrig zu halten. Angesichts der jüngsten Preisentwicklung wäre es deshalb fraglich gewesen, ob sie im Senat die nötige Mehrheit für ihre Ernennung zusammengebracht hätte, denn ausser vielen Republikanern haben auch einige Demokraten Zweifel an ihr bekundet.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Powell und sie in den vergangenen Jahren bei allen geldpolitischen Entscheidungen gleich abstimmten. Das gilt für die schrittweisen Leitzinserhöhungen der Jahre 2017 und 2018 ebenso wie für die radikale Senkung der Sätze auf praktisch null unmittelbar nach Ausbruch der Corona-Pandemie. Die Behauptung mancher Republikaner, die Volkswirtin sei eine Art Linksradikale, entbehrt damit jeder Grundlage.
Powell oft auf der Linie der Demokraten
Umgekehrt ist Powell keineswegs der Lobbyist der Finanzindustrie und Freund laxer Bankenregeln, als den ihn linke Demokratinnen wie Senatorin Elizabeth Warren aus Massachusetts wiederholt darstellten. Zwar ist Brainard sowohl bei der Bankenregulierung als auch in der Frage, welche Rolle die Geldpolitik im Kampf gegen den Klimawandel spielen sollte, energischer als der Fed-Chef.
Diesen deshalb aber als «gefährlichen Mann» zu bezeichnen, wie Warren das jüngst getan hatte, stiess auch bei vielen Demokraten auf Unverständnis. Selbst die Autoren der grossen Bankenreform von 2010, die einstigen demokratischen Kongressmitglieder Christopher Dodd und Barney Frank, wiesen die Kritik zurück: Sie erklärten, es habe unter Powell «keinerlei nennenswerte Attacken» der Fed auf ihr Gesetzespaket gegeben.
Andere Parteifreunde Warrens, Dodds und Franks gehen sogar noch weiter und verweisen darauf, dass Powell in den vergangenen knapp vier Jahren viele Beschlüsse in die Wege geleitet habe, wie sie eine Fed-Chefin oder ein Fed-Chef aus den Reihen der Demokraten kaum besser hätte initiieren können. So öffnete er gleich zu Beginn der Pandemie beherzt die Schatullen der Notenbank und bewahrte die Wirtschaft damit vor einem noch schlimmeren Absturz.
Er förderte Projekte gegen Rassendiskriminierung, gegen Ungleichheit und für mehr Klimaschutz und liess eine neue Strategie entwickeln, dank der das Inflationsziel der Notenbank heute nicht mehr zwei Prozent, sondern nur noch «durchschnittlich» zwei Prozent beträgt: Künftig also darf die Teuerungsrate, wenn sie längere Zeit unter diesem Wert lag, anschliessend auch eine Zeit lang deutlich darüber liegen - wie etwa zurzeit. Damit kann die Fed den Leitzins länger als bisher niedrig halten, um etwa auch gesellschaftlichen Randgruppen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Offen blieb zunächst, ob Biden einen anderen Wunsch vieler Politiker und Aktivisten erfüllen wird und mehr Frauen und Vertreter gesellschaftlicher Minderheiten in die Fed-Führung berufen wird. Drei der sieben Posten sind oder werden demnächst vakant.
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