Never Mind the MarketsDas wacklige Argument der Notenbanker
In den USA sind die Konsumentenpreise deutlich gestiegen. Doch von Inflation wollen die FED-Experten nichts wissen – und verweisen auf einen eher verwirrenden Faktor.
Die Teuerung ist in vielen Ländern deutlich stärker gestiegen als erwartet. Doch die Notenbanker – zuständig für die Preisstabilität – gaben zunächst Entwarnung. Die steigenden Preise seien ein vorübergehendes Phänomen, unter anderem aktuellen Produktionsengpässen geschuldet. Doch warnen auch Notenbanker wie Jerome Powell in den USA bereits davor, dass sie «vorübergehend» länger dauern könnte.
Grösste Bedeutung für ihre Überzeugung, dass die Teuerung sich nicht bei höheren Raten verselbstständigt, hat die Beobachtung, dass die Inflationserwartungen sich nur wenig verändert haben. Das lässt sich aus Befragungen und Kapitalmarktdaten herauslesen. Wenn Beschäftigte und Firmen in Zukunft keine höhere Inflation erwarten, haben sie keinen Grund, deshalb ihre Preise und Löhne laufend entsprechend anzupassen, und die Preise steigen dann nicht mehr weiter.
Wichtigster Testfall hierzu sind die USA. Dort sind die Konsumentenpreise bis zum August im Jahresvergleich bereits um 5,3 Prozent gestiegen. Das ist mehr als doppelt so stark, wie die US-Notenbank Fed zu Jahresbeginn vorausgesagt hat. Zwar haben auch die Inflationserwartungen etwas zugenommen, doch bei weitem nicht so stark wie die Konsumentenpreise. Also sah man beim Fed bisher keinen Grund zur Sorge.
Rudds Schlussfolgerung ist mehr als nur eine schallende Ohrfeige für die Notenbanker.
In einer neuen Studie bestreitet nun mit Jeremy Rudd ausgerechnet ein Ökonom des Fed die Bedeutung der Inflationserwartungen. Weder theoretisch noch aus Daten lasse sich die Bedeutung der Erwartungen für die Inflation begründen, schreibt er.
Rudds Schlussfolgerung ist mehr als nur eine schallende Ohrfeige für die Notenbanker, in deren Sold er steht. Und so erklärt er die Inflationsdynamik: Steigt die Inflation merklich an, schmerzt sie. Dann suchen Beschäftigte neue Jobs, in denen sie den Kaufkraftverlust durch höhere Löhne ersetzt bekommen. Unternehmen bieten mehr, um den Aderlass an guten Leuten zu verhindern. Beides ist in den USA bereits zu beobachten. Die tiefe Inflation in den letzten Jahren hat keine solchen Bewegungen ausgelöst, weil sie kaum ins Gewicht fiel.
Rudds wichtige Warnung: Bringt die Inflation möglichst nicht zurück ins Bewusstsein der Leute. Doch genau dazu ist es mit dem deutlichen Anstieg in den USA bereits gekommen. Gut möglich, dass deshalb die Inflation nicht so bald wieder sinkt und dass etwa in den USA die Notenbank viel rascher zu einer Einschränkung ihrer grosszügigen Geldpolitik gezwungen ist, als das bisher erwartet wurde.
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