Mächtigste Frau der KI«Ich habe schon an Halbleitern gearbeitet, als dies noch nicht sexy war»
Lisa Su, die Chefin des Chipherstellers AMD, hat sich in kurzer Zeit zu einem Star der Technologiewelt entwickelt. Durch künstliche Intelligenz ist sie zur Milliardärin aufgestiegen.
Lisa Su arbeitet eher im Hintergrund. Die mächtigste Frau der künstlichen Intelligenz redet nicht viel über sich selbst. Das wird auch bei ihrem Vortrag auf der Tech-Konferenz SXSW in Austin in Texas deutlich. Auf die eigentlich harmlose Frage, was sie denn für Sport treibe, um so fit zu bleiben, reagiert sie zögerlich. «Das ist aber eine persönliche Frage», sagt Su. Sie zögert wieder und antwortet dann doch: schnell Laufen, Krafttraining, Boxen.
Etwas über die unternehmerische Leistung von Lisa Su zu erfahren, ist leichter. Seit fast zehn Jahren ist sie Chefin von AMD, dem grossen Chiphersteller aus dem Silicon Valley, dessen «inoffizieller Sitz», wie Su es sagt, in Austin in Texas ist. Jahresumsatz: fast 23 Milliarden Dollar. 25’000 Mitarbeitende weltweit. «Im Laufe ihrer Amtszeit hat Dr. Su das Unternehmen zu einem führenden Anbieter von Hochleistungsrechnern und adaptiven Systemen und zu einem der am schnellsten wachsenden Halbleiterunternehmen der Welt gemacht», wirbt die SXSW für die Keynote-Speakerin.
Vor zehn Jahren, zu ihrem Amtsantritt, hätte sich wahrscheinlich kaum einer der Tech-Konferenz-Besucher für Su und AMD interessiert. In diesem Jahr stehen die Menschen für sie Schlange. Als sie in T-Shirt, schwarzer Hose, randloser Brille und den in Texas immer noch völlig normalen Cowboy-Stiefeln auf die Bühne tritt, wirkt sie selbst etwas überrascht, wie voll der Saal ist. Sie will sich gleich setzen, aber die Fotografen halten sie auf. Erst das Blitzlichtgewitter, bitte.
Als Su Chefin wurde, steckte AMD in der Krise, hatte viele Menschen entlassen, die Nachfrage dümpelte vor sich hin. «Als ich das Amt übernahm, haben wir, wie jedes Unternehmen, das nicht über genügend Ressourcen verfügt, wahrscheinlich zu viele Dinge gleichzeitig gemacht», erzählt sie. «Es war sehr wichtig für uns, zu entscheiden, worin wir gut sein können.» Die Stärke sei leistungsstarke Rechenkapazität, Hochleistungsrechner. Darauf konzentrierte sie den Konzern. «Es hat sich herausgestellt, dass das keine schlechte Wette war.»
Die Welt für Chip-Konzerne hat sich rasant geändert
Heute stecken AMD-Chips in enorm vielen Produkten, auch wenn viele Nutzer das nicht wissen. Sie treiben Teslas an und die Spielekonsolen Xbox und Playstation. Moderne Kinofilme oder Videospiele könnten ohne ihre Computerkraft nicht programmiert werden, zuletzt wurde zum Beispiel der Pixar-Film «Elemental» mit AMD-Hardware erstellt. Auch sehr viele Anwendungen mit künstlicher Intelligenz sind auf AMD-Halbleiter angewiesen. Die Technik ist ein enormer Treiber für Sus Geschäft. Und werde es bleiben, sagt sie. «KI ist die wichtigste der Technologien, die in den vergangenen 50 Jahren auf den Plan getreten sind.» Sie werde unser aller Leben verändern, mehr noch als der Computer, das Smartphone oder das Internet. Und ohne Chips geht nichts. KI ist schon lange hier. «Aber erst seit wir die Computerpower haben, ist sie wirklich einfach zu nutzen.» Su selbst ist damit sehr reich geworden, weil sie so viele AMD-Aktien hält. «Generative KI hat sie zur Milliardärin gemacht», schreibt das US-Magazin «Forbes».
Die Welt habe sich für Konzerne wie ihren und dessen Mitarbeitende rasant verändert, erzählt Su. Als sie in den Beruf startete, habe niemand verstanden, was Halbleiter überhaupt seien. «Chips wie Kartoffelchips?», habe man sie oft gefragt, wenn sie erzählte, woran sie arbeitete. Heute müsse sie das niemandem mehr erklären. Die 54-Jährige zog mit ihren Eltern als Dreijährige aus Taiwan in die USA und wollte schon immer in die Branche. Sie studierte Elektroingenieurwissenschaften an der Elite-Uni MIT in Boston, im Nebenjob schraubte sie Computerchips zusammen. «Im Herzen war ich ein Nerd», sagt sie. Ihr ganzes Berufsleben hat sie schon in der Branche verbracht, erst bei Texas Instruments, dann bei IBM, jetzt bei AMD. «Ich habe schon an Halbleitern gearbeitet, als es noch nicht sexy war», sagt sie. «Ich würde nicht unbedingt sagen, dass es jetzt sexy ist, aber zumindest sexyer.»
Die sexyeste Firma in der Branche heisst im Moment allerdings nicht AMD, sondern Nvidia. Mit Nvidia-Gründer und -Chef Jensen Huang ist Su über ein paar Ecken verwandt. Neidisch ist sie aber nicht, sagt sie. Nvidia kontrolliert laut der Marktanalysefirma Omdia rund 70 Prozent des Marktes für die besten KI-Prozessoren. Zuletzt stieg der Quartalsumsatz auf 22,1 Milliarden Dollar, dreimal so viel wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Aktie treibt die Weltbörsen vor sich her. Nach der Verkündung der Zahlen stieg der Börsenwert des Unternehmens an einem Tag um 277 Milliarden Dollar. Wer das Rennen um KI-Chips gewinnt, sei noch unklar, sagt Su. «Wir sind noch so früh in dem Produktzyklus. Und ich glaube, es wird nicht nur ein einziges Produkt geben, das alle Bedürfnisse erfüllt.»
«Wer denken lernt, wird sich gut schlagen»
Auch sie selbst nutze KI, zum Beispiel, um sich den Inhalt von Meetings hinterher zusammenfassen zu lassen. «Meine E-Mails kann KI allerdings noch nicht so gut schreiben.» Ängste, dass KI unkontrollierbar wird, hält sie für unbegründet. «KI wird kein geisterhafter Weltherrscher», sagt sie. Jedoch habe auch AMD, so wie alle Unternehmen in der Branche, eine Verantwortung, die Entwicklungen stets wachsam zu beobachten. «Aber die richtige Antwort für diejenigen, die ein wenig besorgt sind, was KI tun wird, lautet nicht, langsamer zu entwickeln. Okay? Das ist definitiv nicht die Antwort.» Wer sich auf die KI-Welt vorbereiten wolle, solle eigenständiges Denken lernen – das gelte jetzt und schon immer, sagt Su. «Wer denken lernt, wird sich gut schlagen, egal, wie sich Technik entwickelt.»
Su spielt gerne Golf, aber nicht wahnsinnig gut, erzählt sie. Sie isst mit ihrem Mann gerne in japanischen Restaurants. Aber solche Dinge teilt sie nicht gerne. Sie erzählt lieber davon, was für eine Chefin sie ist. «Eine Macherin», sagt sie. Sie verbringt viel Zeit mit den Ingenieuren im Team, will jeden technischen Schritt und jede Neuerung verstehen. «Ich liebe das», sagt sie. «Ich habe noch nie so viel gelernt wie im letzten Jahr.» Gerade ist die Firma sehr damit beschäftigt, neue Fabriken zu eröffnen und mehr Chips zu produzieren. Die Nachfrage ist so gross, dass AMD nicht mehr hinterherkommt. «Wir hören von vielen Kunden, dass Chips ein Engpass sind», sagt sie. «Eines kann ich mit Sicherheit sagen: Wir sind wirklich gut darin, das Angebot zu erhöhen.»
Als Chefin sei sie jemand, der viel verlange, ihren Leuten dann aber helfe, die hohen Ziele zu erreichen, sagt sie. Solche Aussagen liegen ihr mehr, als über sich selbst zu sprechen. Als sie vor ihrem SXSW-Auftritt aus ihrem Büro trat, fand sie dort eine Popcorn-Maschine und wunderte sich: «Warum gibt es denn hier Popcorn?» AMD übertrug den Auftritt der eigenen Chefin bei der SXSW an alle Firmenstandorte der Welt. Dass sich jemand so für sie interessieren könnte, dass ihr Auftritt nach Popcorn rief – das konnte die mächtigste Frau der KI sich aber anscheinend nicht vorstellen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.