Künstliche Intelligenz und SpracheFremdsprachen lernen? Braucht es bald nicht mehr!
Ein Test zeigt: Beim Übersetzen leistet KI Erstaunliches. Menschliche Profis werden nervös. Und laut einem Computerlinguisten droht uns ein «enormer Kulturverlust».
Sie kennen das Spiel sicher: Eine Gruppe von Personen sitzt beisammen, jemand flüstert seiner Nachbarin einen Satz ins Ohr, diese gibt ihn flüsternd ihrem Nachbarn weiter, und so, wie sie jeweils verstanden wurde, gelangt die Botschaft an weitere Ohrmuscheln. Bis sie jemand am Schluss laut ausspricht und die Runde darüber lacht, wie sehr sich der Satz verändert hat.
Der Schweizer Schriftsteller Urs Widmer, dessen Todestag sich am 2. April zum zehnten Mal jährt, hat einmal etwas Ähnliches mit einer seiner Erzählungen gemacht. Sie trägt den Titel «Erste Liebe». Er liess das Prosastück von einem renommierten Übersetzer ins Spanische übertragen, dann übertrug ein anderer professioneller Literaturübersetzer die spanische Version ins Chinesische, diese wiederum wurde ins Englische übersetzt, die englische ins Russische, die russische ins Französische. Und schliesslich gelangte Widmers Erzählung über die französische Übersetzung gewissermassen heim ins Deutsche.
Die Ursprungs- und die Endversion lagen ziemlich weit auseinander. Später nahm Widmer sein Experiment, das zunächst im Magazin des «Tages-Anzeigers» und in jenem der Hamburger «Zeit» erschienen war, in seinen Erzählband «Stille Post» auf. So heisst das Spiel in Deutschland, erläutert der Autor in einer Vorbemerkung.
Wir machen heute einen ähnlichen Versuch anhand eines journalistischen und eines literarischen Textausschnitts. Allerdings bitten wir nicht Übersetzerinnen und Übersetzer, dabei mitzumachen, sondern greifen auf künstliche Intelligenz (KI) zurück, genauer auf die maschinellen Übersetzungen von Deepl und Chat-GPT.
Trifft es zu, dass KI beim Übersetzen hervorragende Leistungen erbringt? Falls ja – was sagen professionelle Übersetzerinnen und Übersetzer dazu? Und was würde dies für das kulturelle und intellektuelle Kapital namens Mehrsprachigkeit bedeuten?
Der erste Test
Beginnen wir mit dem journalistischen Text. Wir wählen eine Passage aus einer Theaterkritik, die am 12. März 2018 im «Tages-Anzeiger» erschienen ist. Sie enthält zwei idiomatische Wendungen («aufs Tapet bringen» und «durch den Kakao ziehen»), einen englischen Titel sowie Wörter, die zur Gender-Debatte gehören: «Cis-Männer», «Geschlechtsidentität», «transsexuell». Wie gut bewältigt KI diese Herausforderungen?
Hier zunächst einmal der Text im Original:
«Ein feministischer Theaterabend mit drei Cis-Männern? Erstaunen darüber kommt nicht bloss bei den Besuchern der Produktion ‹The Great Tragedy of Female Power› auf, die am Theater Neumarkt Premiere hatte. Diese Frage wird lautstark auch von der Schauspielerin Sarah Sandeh aufs Tapet gebracht, die nach dem ersten Teil des Männerabends doch noch ihren Auftritt hat.
Bei den Cis-Männern – also Männern, die nicht transsexuell sind, sondern deren Geschlechtsidentität mit dem Geburtsgeschlecht übereinstimmt – handelt es sich allerdings um Martin Butzke, Maximilian Kraus und Miro Maurer. Und damit um extrem wandelbare, spielfreudige Akteure, die ihr Faible für Satire bereits öfters bewiesen haben. Wie sie ihre Männerrollen, das Patriarchat und die allzu leicht ins Hysterische kippenden Genderdiskussionen durch den Kakao ziehen – das ist buchstäblich ein herrlicher Spass. Und ein weiblicher.»
Nun lassen wir diesen Text auf Finnisch übersetzen, vom Finnischen ins Indonesische, dann ins Polnische, Rumänische, ins Kisuaheli und von dort wieder zurück ins Deutsche. Falls Sie die jeweilige Übersetzung interessiert, klappen Sie bitte die Boxen auf.
Und schliesslich mit Chat-GPT von Kisuaheli zurück auf Deutsch:
«Ein Abend des Bühnenfeminismus mit drei cis-Männern? Die Überraschung wurde nicht nur von dem Publikum der ‹Grossen Tragödie der weiblichen Macht› im Theater Neumarkt empfunden. Diese Frage wurde auch laut von der Schauspielerin Sarah Sandeh gestellt, die nach dem ersten Teil der Serie, der den Männern gewidmet war, weiter spielte.
Dennoch sind die cis-Männer – Männer, die nicht transsexuell sind, aber deren Geschlechtsidentität mit dem Geschlecht übereinstimmt, mit dem sie geboren wurden – Martin Butzke, Maximilian Kraus und Miro Maurer. Sie sind hochtalentierte und humorvolle Schauspieler, die oft ihre Liebe zur Satire zum Ausdruck bringen. Ihre Art, männliche Rollen, das Patriarchat und das Geschlecht auf humorvolle Weise zu hinterfragen, wird sehr humorvoll – und weiblich.»
Wie schätzen Sie das Resultat ein? Bedenkt man, dass der Text teilweise in exotische und linguistisch weit voneinander entfernte Sprachen übersetzt wurde, ist meine Meinung: überraschend gut. Der Inhalt der Rezension ist auch am Ende des «Stille Post»-Übersetzungsspiels verständlich und korrekt wiedergegeben, die idiomatischen Wendungen hat die Software bewältigt, die Sache mit den Geschlechtsidentitäten ebenfalls.
Zugegeben: Es sind Nuancen verloren gegangen, etwa die Hysterie bei den Diskussionen. Aber Nuancen verblassten damals auch bei Urs Widmer und den menschlichen Übersetzern.
Der zweite Test
Versuchen wir es nochmals. Diesmal nehmen wir einen Absatz aus einem literarischen Werk und machen das Spiel mit «grösseren» Sprachen, bei denen die künstliche Intelligenz auf mehr Material zurückgreifen kann: Englisch, Französisch, Spanisch und dann wieder zurück ins Deutsche. Wir wählen eine Passage aus dem Roman «Unter Leuten» der deutschen Schriftstellerin Juli Zeh:
«In den vergangenen vier Tagen hatte sich der Rauch im gesamten Garten verteilt. Die Schwaden zogen über den Schützengraben, hingen in den Himbeersträuchern, fuhren in kleinen Wirbeln durch die drei jungen Tannen, die mit der Zeit zu einem Nadelwald anwachsen würden, weil Jule jedes Jahr einen Weihnachtsbaum im Topf kaufte und ihn im Frühling in die Ecke hinter dem Geräteschuppen pflanzte. Der Rauch stieg sogar bis in die Kronen der Robinien, die das Dach um mehrere Meter überragen.»
Vom Spanischen zurück ins Deutsche:
«Seit vier Tagen breitete sich der Rauch im ganzen Garten aus. Die Dämpfe trieben über den Graben, hingen in den Himbeersträuchern, bewegten sich in kleinen Wirbeln durch die drei jungen Tannen, die im Laufe der Zeit zu einem Nadelwald heranwachsen würden, weil Jule jedes Jahr einen Weihnachtsbaum in einem Topf kaufte und im Frühling in die Ecke hinter dem Schuppen pflanzte. Der Rauch erreichte sogar die Kronen der Robinienbäume, die mehrere Meter über dem Dach aufragten.»
Der zweite Test verstärkt den Eindruck des ersten. Das Resultat ist insofern sogar besser, als kaum Nuancen verloren gegangen sind. Dies dürfte, wie erwähnt, daran liegen, dass es sich um Sprachen handelt, in denen im Internet viele Texte verfügbar sind. Auch die Sprachmelodie, der literarische Duktus, der Gesamteindruck der Passage bleiben von der einen Übersetzung zur anderen erhalten.
Nun kann man natürlich einwenden, dass das Ergebnis bei einem kurzen Text nur bedingt vergleichbar ist mit jenem, das beim Übersetzen eines ganzen Romans rauskäme. Allerdings ginge es dabei nur von der Ursprungssprache in die Zielsprache – und nicht um drei weitere fremdsprachliche Ecken wie in unserem Test.
Wenn die künstliche Intelligenz, die noch am Anfang ihrer Entwicklung steht, schon jetzt derartige Leistungen schafft – wie stark bedroht sie dann den Beruf der Übersetzerin und des Übersetzers? Und was bedeutet das für den Alltag von uns allen?
KI als Druckmittel
Die in der Schweiz wohnhafte literarische Übersetzerin Barbara Sauser sowie der in Deutschland tätige Übersetzer André Hansen sagen übereinstimmend: Im Moment empfinden sie die künstliche Intelligenz noch nicht als akute Bedrohung. Hansen, der aus dem Französischen und Italienischen übersetzt, sagt: «KI beim literarischen Übersetzen ist ein Randphänomen. Die grossen Verlage verzichten darauf und fordern teilweise auch von Übersetzerinnen und Übersetzern, dass sie ohne digitale Hilfe arbeiten.»
Es gebe aber Übersetzerinnen und Übersetzer, die künstliche Intelligenz als eine Art Onlinewörterbuch einsetzten. «Manchmal verwendet eine Übersetzerin oder ein Übersetzer KI auch für einzelne Passagen, um auf eine Idee zu kommen», sagt Hansen. Gegenwärtig werde in der Übersetzerszene darüber diskutiert, ob es korrekt und nötig sei, den jeweiligen Verlag in solchen Fällen zu informieren.
Auch Barbara Sauser sagt: «Konkret fühle ich mich in meinem Arbeitsalltag nicht bedroht.» Die Feinheiten der Sprache, Ironie und Wortspiele, literarische oder sonstige kulturelle Anspielungen, historische Bezüge, die man bei der Übersetzung eines literarischen Werkes oft in einem umfassenden Sinn von einem Sprach- und Kulturraum in den anderen übertragen müsse – all dies, so betonen Sauser und Hansen einhellig, schaffe KI nicht.
Zumindest vorläufig nicht. «Ich gehe ohnehin davon aus», fügt Hansen hinzu, «dass einem grossen Verlag auch künftig Image und Qualität wichtiger sind als kostenlose Schnellübersetzungen.»
Was aber beide befürchten: Dass die Kulturtechnik des Übersetzens öffentlich an Ansehen verliert, wenn immer mehr Nichtspezialisten in ihrem Alltag die Erfahrung machen, dass es der Computer ja auch kann, zumindest, was einfachere Texte, Mails, Bewerbungen oder geschäftliche Korrespondenz betrifft. Und dass dadurch mittelfristig sprachliche Expertise verloren geht. Hansen hält es auch für möglich, dass einzelne Verlage irgendwann damit beginnen könnten, KI als Druckmittel einzusetzen, um die in Deutschland ohnehin tiefen Übersetzerhonorare zusätzlich zu drücken.
«Die Angst geht um»
Gabriela Stöckli ist Geschäftsleiterin des Übersetzerhauses Looren, das es internationalen literarischen Übersetzerinnen und Übersetzern ermöglicht, im Zürcher Oberland eine Zeit lang in idyllischer Landschaft konzentriert zu arbeiten. Laut Stöckli geht innerhalb der Berufsgruppe schon die Befürchtung um, dass die Übersetzertätigkeit abgewertet wird. Ein Szenario sei etwa, dass der Mensch nur noch nachkorrigieren müsse, was die Maschine zuvor übersetzt habe. Diese Tätigkeit hat bereits einen Namen: post-editing.
Aufgrund solcher Befürchtungen haben die Verbände der literarischen Übersetzerinnen und Übersetzer Deutschlands, Österreichs und der Schweiz vor wenigen Tagen das «Manifest für menschliche Sprache» veröffentlicht, in dem sie unter anderem urheberrechtliche Regulierungen und Transparenzregeln für den Einsatz von künstlicher Intelligenz fordern.
Die Pressestelle des Diogenes-Verlages betont: «Unsere Bücher werden von unseren hochkarätigen, erfahrenen Übersetzerinnen und Übersetzern übersetzt.» Keine Angaben macht der Schweizer Verlag zur Frage, ob er in Verträgen die Verwendung von KI durch das übersetzende Personal erlaubt oder ausschliesst. Die Pressestellen der deutschen Verlage Suhrkamp und Hanser haben trotz Nachfrage nicht geantwortet.
Und wie sieht es bei Fachübersetzungen aus? Maria Neversil übersetzt juristische, medizinische und sonstige wissenschaftliche Texte aus fünf Sprachen, darunter Englisch, Französisch und Spanisch, ins Deutsche. «Ja, bei einigen Kolleginnen und Kollegen geht schon die Existenzangst um», sagt Neversil am Telefon. Vor allem junge Übersetzerinnen und Übersetzer, die soeben ihr Studium abgeschlossen hätten, würden sich zunehmend nach anderen Tätigkeiten umsehen.
Eine Firma, die ihre Website in verschiedenen Sprachen aufschalten will, Prospekte und Präsentationen, Rundschreiben für Firmenanlässe, Verlautbarungen – in all diesen Fällen werden laut Neversil immer weniger professionelle Übersetzerinnen und Übersetzer gebraucht. Und wenn, dann nur noch, um die maschinell übertragenen Texte nachzukontrollieren. «Dafür muss man vor allem wissen, welche Fehler künstliche Intelligenz besonders häufig macht.» Das sei anspruchsvoller als simples Korrekturlesen, aber verglichen mit dem traditionellen Übersetzen «eine eher undankbare Tätigkeit».
Neversil befürchtet, dass der Einsatz von KI die sprachlichen Qualitätsansprüche des Publikums senken wird und sich dieses künftig mit schlechteren Texten abfindet, nach dem Motto: Wichtig ist, dass man den Inhalt versteht.
Ein Viertel der Aufträge verloren
Deborah Biermann, die aus dem Deutschen ins Portugiesische und umgekehrt übersetzt, sagt, sie habe wegen künstlicher Intelligenz etwa ein Viertel ihrer Aufträge verloren. «Vom Aussendepartement, das mich früher häufig beauftragte, habe ich seit Jahren nichts mehr bekommen.» Biermann zufolge versuchen ihre Auftraggeber immer häufiger, durch den Hinweis auf KI den Preis für eine traditionelle Übersetzung zu drücken. Auch ein Mitarbeiter der Agentur der Dolmetscher- und Übersetzervereinigung Zürich spricht auf Anfrage von einem «massiven Einbruch beim Übersetzungsvolumen in der Grössenordnung von 30 bis 40 Prozent».
Auf rund 15 Prozent innerhalb der letzten zwei Jahre schätzt Danielle Cesarov-Zaugg die Einbusse des Berner Übersetzungsbüros Inter-Translations ein, von dem sie Geschäftsführerin ist. Die Unternehmerin sagt: «Ich kenne einige freischaffende Übersetzerinnen und Übersetzer, denen Auftraggeber die Honorare gnadenlos gekürzt haben und die nun befürchten, zum Sozialfall zu werden.»
Deborah Harzenmoser ist Leiterin Kommunikation und Marketing am Departement Angewandte Linguistik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Sie stellt bei angehenden Übersetzerinnen und Übersetzern eine grössere Unsicherheit betreffend Berufsperspektiven fest, aber keinen dramatischen Einbruch, was das Interesse am Studiengang Fachübersetzen betrifft.
Was Neversil und Biermann zumindest vorläufig rettet: Viele juristische oder wissenschaftliche Texte dürfen nicht in eine digitale Übersetzungsmaschine hochgeladen werden, weil sie vertraulich sind. Auch Urkunden, deren Übersetzungen offiziell zu beglaubigen sind, muss ein Mensch bearbeiten.
Ironie wird bereits erkannt
Wird künstliche Intelligenz an der flirrenden Mehrdeutigkeit der menschlichen Sprache, an literarischen Bezügen, Ironie, Polysemie, Metaphern und Wortspielen letztlich scheitern? Wird eine anspruchsvolle, genaue Übersetzung aus einem juristischen oder wissenschaftlichen Spezialgebiet auch in Zukunft eine Aufgabe sein, der nur ein Mensch gewachsen ist?
Martin Volk, Professor für Computerlinguistik an der Universität Zürich, antwortet darauf mit dem Satz: «Da wäre ich mir nicht so sicher.»
Volk weist darauf hin, dass sich die linguistischen Fähigkeiten von Übersetzungsprogrammen in kurzer Zeit enorm verbessert haben. Der Satz «He is out of his mind» zum Beispiel hätte eine Software noch vor zehn Jahren mit «Er ist ausserhalb seines Geistes» übersetzt. Heute bewältigt sie die Metapher problemlos. «Auch Ironie erkennt künstliche Intelligenz mittlerweile mit einer Genauigkeit von 80 Prozent», sagt Volk. Wortspiele seien schwieriger, aber selbst in diesem Bereich seien die Fortschritte gross.
Bevor wir fortfahren, machen wir dazu nochmals ein paar kurze Tests.
Die idiomatische Wendung «Die Katze im Sack kaufen» bewältigt Chat-GPT Version 3.5 problemlos: «I’m not going to buy a pig in a poke» lautet die Übersetzung auf Englisch, «Non compro mai a scatola chiusa» auf Italienisch.
«Sie ist ihnen auf den Leim gegangen» – ebenfalls kein Problem: «She fell for their trick» und «Cayó en su trampa» auf Spanisch.
Bei einer Morddrohung versagt Chat-GPT
Schief heraus kommt hingegen der Satz: «Er droht, seinen Nachbarn um die Ecke zu bringen»: Chat-GPT übersetzt ihn mit «He threatens to take out his neighbor around the corner», während Deepl einfach die wörtliche Übertragung liefert: «He threatens to bring his neighbor around the corner.» Bei Chat-GPT gilt dies allerdings nur für die Gratisversion 3.5. Die kostenpflichtige Weiterentwicklung (Chat-GPT 4) übersetzt die Wendung korrekt mit «threatens to kill».
«Ich lasse mir nicht länger auf der Nase herumtanzen» geht dann auch mit Chat-GPT 3.5 wieder reibungslos: «I won’t let myself be pushed around anymore.» Oder auf Spanisch: «No permitiré que me pisoteen más.»
Das (eher dümmliche) Wortspiel «Lieber arm dran als Arm ab» übersetzt Chat-GPT mit: «Better poor than without an arm.» Erst auf Nachfrage erklärt die Software, die wörtliche Übersetzung verliere «einen Teil des Wortwitzes und der Bedeutung im Deutschen». Fragt sich, auf welche Lösung ein menschlicher Übersetzer käme.
«Bis baldrian» – was meint KI dazu?
Bei «bis baldrian» erkennt Chat-GPT Folgendes: «Der Ausdruck ‹Bis baldrian› ist ein Wortspiel und eine humorvolle Abwandlung des Abschieds ‹Bis bald›. Es bezieht sich auf die Pflanze Baldrian. Eine mögliche Übersetzung wäre: ‹Until valerian› – allerdings verliert die Übersetzung den Witz des Wortspiels.»
Und auf das Wortwitzchen «Wie spricht man in der Sauna? Schwitzerdeutsch» reagiert die künstliche Intelligenz so: «Das bleibt im Englischen weitgehend unübersetzt, da es auf dem Wortspiel zwischen ‹Schwitzerdeutsch› (Schweizerdeutsch) und dem Wort ‹schwitzen› basiert, was im Englischen nicht gut wiedergegeben werden kann. Man könnte es möglicherweise als ‹Swiss German› in Anspielung auf das Schweizerdeutsch übersetzen, aber die Wortspielkomponente wäre dabei verloren.»
Auch folgenden Wortwitz erklärt die künstliche Intelligenz korrekt: «Warum sind die Lappen in Finnland so reich? Antwort: Weil sich Rentiere rentieren.»
Eines hingegen schafft KI noch nicht: Masseinheiten korrekt von einem Kulturraum in den anderen zu übertragen. Beim Satz «In Texas, the temperature can rise to 104 degrees» erkennen Chat-GPT 3.5 und Deepl also nicht, dass mit «104 degrees» Fahrenheit gemeint ist und es auf Deutsch deshalb 40 Grad Celsius heissen müsste. Stattdessen ist auch im übersetzten Text von 104 Grad die Rede.
Alles verstehen und sprechen dank KI?
Und doch: Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich künstliche Intelligenz entwickelt, dürfte laut Volk die Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen deutlich schwinden. «Sprachen zu lernen, könnte in einigen Jahren ein Hobby für Enthusiasten sein, aber nicht mehr eine berufliche Notwendigkeit», sagt Volk.
Sollte es irgendwann gelingen, auch gesprochene Sprache in Echtzeit zu übersetzen, etwa dank eines in der Brille oder hinter dem Ohr angebrachten Minicomputers, dann, so prophezeit der Dozent für Computerlinguistik, kann an Universitäten, an internationalen Kongressen und auch im Alltag jede und jeder einfach in seiner Muttersprache reden – und wird trotzdem von allen verstanden. Es gibt bereits solche Systeme. Für eine natürliche wirkende Unterhaltung sind sie aber im Moment noch zu langsam.
«Eine Bildung ohne Fremdsprachen – das wäre ein enormer Kulturverlust», sagt Martin Volk. Und sofern er mit seinen Prognosen recht hat, muss man wohl hinzufügen: Für den Beruf des Übersetzens sieht es düster aus.
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