Lionel Spitz aus AdliswilNach seinen Olympiarennen ist er enttäuscht und ratlos
Dem Adliswiler 400-m-Leichtathleten Lionel Spitz lief es an den Olympischen Spielen in Paris nicht. Er scheiterte auch im Hoffnungslauf und weiss nicht, weshalb.
Diese Stimmung in der Morgensession im vollen Stade France… «Vom Erlebnis her genial. Aber das war es dann mit dem Positiven.» Lionel Spitz, der 400-m-Läufer aus Adliswil, war «sehr, sehr enttäuscht».
Im Hoffnungslauf an diesem sonnigen Montagmorgen bekam er die letzte Chance auf den Olympia-Halbfinal, sein Ziel. Er scheiterte. Schon nach seinem Lauf war er draussen, weil er nur Vierter wurde. Ganz am Schluss wollte er sein Glück erzwingen, erfolglos, und strauchelte im Ziel. Neben dem Laufsieger waren zwei weitere Athleten schneller, die Qualifikation wurde für den 23-Jährigen so unmöglich.
«Die Zeit, die es für den Halbfinal brauchte, wäre für mich machbar gewesen», betont Spitz. 45,32 Sekunden hätten gereicht; seine persönliche Bestzeit liegt seit der Schweizer Meisterschaft Ende Juni in Winterthur bei 45,01, zwei Hundertstel über dem Schweizer Rekord.
«Es war einfach fertig»
«Ich bin in einer super Form, ich laufe die ersten 300 Meter genau plangemäss, es fühlt sich locker an. Es war alles bereit, dass ich die letzten 100 Meter voll auspacken kann. Aber sobald ich kicken wollte, zog sich bei mir alles zusammen und verkrampfte sich.» Er könne sich nicht erklären, weshalb. «Es war einfach fertig.»
Er kenne das, sagt er. «Aber nur dann, wenn ich übertrieben schnell angelaufen bin.» Das war an Olympia im Vorlauf tags zuvor (in 45,81) und im Hoffnungslauf nicht der Fall. Trotzdem blieb der «Kick» in der Schlussphase, den er immer wieder liefert, jeweils aus. «Ich bin enttäuscht von mir selber, dass ich diese Karte nicht spielen konnte. Ich habe es selbst verbockt.»
Sich selbst unter Druck gesetzt
Er sucht nach Gründen. Diese zu erkunden, wird Zeit brauchen. Ein paar Minuten nach dem Wettkampf sagte er: «Es kann sein, dass ich alles zu fest wollte, dass ich mich im Kopf zu stark verkrampft habe, als ich die Chance sah, die ich hätte nutzen können.»
Ähnliches passierte am Sonntag der Zürcher Unterländer Radrennfahrerin Noemi Rüegg, der im letzten Aufstieg zum Montmartre in der Spitzengruppe bewusst wurde, dass es jetzt um Medaillen geht, und die dann blockierte. Neben dem, dass bei ihr auch physisch «die Luft draussen» war.
«Ich war gut vorbereitet und in der Schnelligkeit auf einem Niveau, das ich sonst nicht habe. Eigentlich hätte ich locker für den Halbfinal durch sein sollen», meint Spitz. Vielleicht liege es wirklich «am Druck, den ich mir momentan selber mache. Fürs Erste bin ich enttäuscht und ratlos. Es wird sich zeigen, was ich daraus mache.»
Auch seine Brille brachte ihm kein Glück. Er hatte sie Ende Juni an der SM getragen, als er seinen persönlichen Rekord aufstellte. «Dort ist es super gelaufen. Ich dachte, ich muss sie nach dem Vorlauf als Glücksbringer im Hoffnungslauf einsetzen. Sie hat mir allerdings nur eine Steigerung von drei Zehnteln eingebracht.» Und nicht den Vorstoss in den Halbfinal.
So blieb sein erster Olympiaeinsatz, die 4x400-m-Mixedstaffel am Freitag, «noch das Beste für mich. Dort lief ich mein schnellstes Rennen» an diesen Spielen. Er war erwartungsgemäss der Beste der Schweizer Staffel, die zwar im Vorlauf ausschied, aber immerhin Schweizer Rekord lief. «Wenigstens konnte ich dem Team helfen.»
Weil die Form an sich stimmt, meint er: «Theoretisch ist es möglich, dass ich nächste Woche so schnell laufe wie noch nie…» Der nächste grosse Event ist in gut zwei Wochen die Athletissima in Lausanne. «Mein Ziel: Ich möchte das zeigen, was ich hier nicht gezeigt habe. Ich hoffe, dass ich dann das auf die Bahn legen kann, was ich heute allen schuldig geblieben bin.»
Die letzten Tage geniessen
Die nächsten Tage, zwei davon im olympischen Dorf, bringen ihn auf andere Gedanken. «Ich geniesse die Atmosphäre, schaue mir den Beachvolleyball-Final sowie alle Leichtathletik-Sessions als grosser Fan an und hoffe, dass wir eine Medaille holen.»
Nach zwei Tagen im olympischen Dorf zieht er um zu Familie und Freundin, die sich in Paris eingemietet haben. Am Samstag kehrt er zurück in die Schweiz. «Ich muss ja auch wieder trainieren.»
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