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Lionel Spitz aus Adliswil
Er zockt mit dem Olympiasieger und findet die Bahn in Paris fancy

Leichtathlet Lionel Spitz mit seiner Ausrüstung bei sich zu Hause in Adliswil, 23. Juli 2024. Foto: Moritz Hager/Tamedia AG
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Diesen Freitag reist Lionel Spitz mit dem TGV an die Olympischen Spiele. Dann ist Paris um einen Farbtupfer reicher. Denn der 400-m-Läufer aus Adliswil fällt auf.

Erstens: Weil er so ist, wie er ist. «Ein easy Typ, locker, spontan. Ich mache, worauf ich Lust habe, und sage, was ich denke.» Seine Interviews haben Unterhaltungswert.

Zweitens: Weil er der schnellste 400-m-Läufer werden kann, den das Land je hatte. «Ich gehe meinen Weg und mache, was zu tun ist, um Tag für Tag besser zu werden.» Der 23-Jährige greift den Schweizer Rekord an. «Den möchte ich endlich laufen, das wäre schön.»

Er fühlt sich bereit und will den Rekord

An der SM Ende Juni in Winterthur schien es zu klappen. Spitz, dessen Bestzeit letzten Herbst noch bei 45,25 Sekunden lag, rannte in 44,99 als Meister durchs Ziel – der 28 Jahre alte Rekord von Mathias Rusterholz war egalisiert. Dann der Dämpfer: Man sichtete den Zielfilm und korrigierte seine Zeit auf 45,01. Kein Rekord und keine Olympiaqualifikation. Diese war ihm erst ein paar Tage später dank der Position in der Weltrangliste gewiss.

Vergangene Woche brachte Spitz «den letzten strengen Trainingsblock» hinter sich, wie er sagt. Diesen Montag holte er in Dietikon die Olympiaausrüstung ab. Vor der Abreise nach Paris wohnte er, wie immer in den sieben bis acht Monaten pro Jahr, in denen er in der Gegend ist, im Elternhaus in Adliswil. «Momentan habe ich es sehr gemütlich.»

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Das wird sich ab nächster Woche ändern. Zunächst geniesst er diesen Freitag noch die Eröffnungsfeier, am Samstag kehrt er zurück in die Schweiz, ehe er am Dienstag mit dem Team wieder nach Paris reist. Am 2. August steht seine Olympiapremiere an, die erste Runde in der 4×400-m-Mixed-Staffel. «Ich bin ready. Um mich mache ich mir keine Sorgen.»

Er fühlt sich in Form und hofft, dass Ricky Petrucciani, der EM-Zweite von 2022, sowie die zwei noch zu bestimmenden Staffelkolleginnen ebenfalls rechtzeitig in Fahrt sind. «Wir brauchen einen guten Schub, damit wir um einen Finalplatz kämpfen können», meint der Läufer des Adliswil Track Teams, wo er unter der Leitung seiner Mutter einst mit Leichtathletik begann.

Mit 1,27 Sekunden Rückstand auf den Briten Matthew Hudson-Smith, den Weltschnellsten des Jahres, wird Lionel Spitz am 4. August in den Olympiavorlauf über 400 m steigen. «Vom Ranking her bin ich relativ weit hinten. Aber zwischen mir und der Spitze liegen nur diese gut 1,2 Sekunden. Die Tagesform wird den Unterschied ausmachen», rechnet er sich Chancen aus. «Mit einem Aus in der ersten Runde werde ich mich nicht zufriedengeben.» Er hat den Halbfinal im Visier, mit dem Hauptziel Schweizer Rekord. «Wenn ich den schaffe, komme ich auch in den Halbfinal.»

epa11482241 Lionel Spitz of Switzerland competes during the men's 400m race at the International Athletics Meeting, World Athletics - Continental Tour Silver, in Lucerne, Switzerland, 16 July 2024.  EPA/URS FLUEELER

Der «Babyface Killer» und sein Glücksschwein

Einen anderen Platz in der Weltelite hat er bereits. Er ist in einer Whatsapp-Gruppe mit Läufern, zu der auch Wayde van Niekerk, 400-m-Olympiasieger 2016, Weltrekordhalter und Spitz’ Vorbild, gehört. Innerhalb der Gruppe wird auf Playstation Fifa gezockt, er tat das auch schon mit Van Niekerk. «In letzter Zeit war es schwierig, ein Team zu finden. Offenbar sind alle etwas beschäftigt, nach der Saison wird es sicher besser.»

Nach der Saison wird der Adliswiler vielleicht wieder Teilzeit im Reisebüro arbeiten, in dem er seine KV-Lehre abschloss; vielleicht wird er auch Profisportler. Er wird wieder mehr Zeit in Adliswil verbringen. Allerdings ohne sein Glücksschwein, das bei der Familie, im Winter gar (stubenrein) im Haus, lebte und mit dem er vor jedem Wettkampf «gekuschelt» habe. Vor zwei Jahren ist es gestorben. Und er wird wieder seinen Ausweis zeigen müssen, wenn er in der Offseason irgendwo Bier bestellen möchte. «Babyface Killer» nennt er sich. Weil er viel jünger aussieht, als er ist, und weil er während der Rennen keine Gnade kennt. Das mit dem Bartwuchs, erwähnt er lachend, klappe immer noch nicht so gut.

Eine Olympiatrilogie bahnt sich an

Paris ist erst der Anfang. Er, für den «heute, nochmals heute und vielleicht ein wenig morgen» zählt, macht für Olympische Spiele eine Ausnahme, was die längere Planung angeht. «Los Angeles 2028 wird für mich in jeder Beziehung einer der Höhepunkte sein. Dort möchte ich eine Medaille abholen.» Dann ist Lionel Spitz, mit 27, im besten Alter für einen 400-m-Läufer.

Selbst Richtung Canberra 2032 blickt er, wobei er vorher ein Studium «irgendetwas mit Wirtschaft» beginnen will. «Nach Paris habe ich noch zwei Olympische Spiele vor mir – wenn alles normal läuft.»

Zuerst aber wird er im Stade de France seine bisher grössten Auftritte erleben; mit der Familie, der Freundin und deren Familie sowie seiner Fangemeinde, dem «Buddy Club», im Publikum. Natürlich freut er sich extrem auf die Rennen. Auch auf die Leichtathletikbahn selbst, die in Frankreichs Nationalstadion für Fussball und Rugby oft unter einer ausziehbaren Tribüne schlummert. «Die Bahn stimmt schon mal», sagt Lionel Spitz. Denn violett wird sie sein. «Das finde ich fancy. Speziell. Ich mag es, wenn es speziell ist.»