Spannung in der LeichtathletikEine Sprint-Legende geht mit brisanten Plänen auf Kollisionskurs
Die Diamond League mit Meetings wie Athletissima und «Weltklasse Zürich» ist das Rückgrat der Leichtathletik. Doch jetzt gibt es neue Ideen, denn Michael Johnson will die Sportart «relevant» machen.
Die Zeit der Revanchen ist angebrochen. Und die Diamond-League-Meetings in der Schweiz – Athletissima in Lausanne (Donnerstag) und «Weltklasse Zürich» (4./5. September) – haben das Glück, gleich auf die Olympischen Spiele in Paris zu folgen. Die Stars sind heiss, ihre Olympiaform nochmals ausspielen zu können. Athletissima war schon vor ein paar Wochen ausverkauft, «Weltklasse Zürich» gar vor drei Monaten.
Dazu beigetragen hat der mittlerweile konstante Erfolg einheimischer Athletinnen und Athleten, das haben auch die Einschaltquoten von Paris gezeigt. Die Medaillenkämpfe im Weitsprung mit Simon Ehammer und im Stabhochsprung mit Angelica Moser lockten jeweils knapp eine halbe Million Menschen vor die Bildschirme. Und der zuschauerstärkste Tag bei SRF war der Sonntag mit dem 100-m-Final der Männer. Noah Lyles’ Sieg verfolgten in der Spitze 624’000 Zuschauer, was einem Marktanteil von 49,5 Prozent entspricht.
Die Diamond League mit ihren 14 Meetings auf höchstem Niveau plus einem zweitägigen Finale (heuer in Brüssel) bildet von Mitte April bis Mitte September das Rückgrat der internationalen Leichtathletik. Doch nun drängen neue Ideen in den jetzt schon dichten Jahresplan. World Athletics plant die WM künftig am Saisonende, zudem schwebt dem Verband als zusätzliche Einnahmequelle in WM-freien Jahren ein dreitägiger Saisonabschluss vor. US-Legende Michael Johnson will einen Grand Slam, in New York entsteht ein reines Frauen-Meeting, zudem werden neue Wettkampfformate getestet.
Christoph Joho, Co-Meetingdirektor von «Weltklasse Zürich», sagt: «Eine solche Dynamik tut der Leichtathletik gut. Sie zwingt uns Diamond-League-Veranstalter, ständig zu reflektieren, was wir tun.» Dass die Ideen meist aus den USA stammen, wundert ihn nicht. «Die Hauptenergie in der Leichtathletik fliesst in Europa, die USA haben einen starken College-Sport, danach ist praktisch fertig.» So sehen die Ideen aus:
Der «Grand Slam Track» von US-Legende Michael Johnson
Er sprintete wie eine Nähmaschine und so aufrecht, als hätte er einen Besenstiel verschluckt. So wurde Michael Johnson in den 1990er-Jahren zur Legende, dominierte die 200 m und 400 m, wurde vierfacher Olympiasieger und achtfacher Weltmeister. Sein Weltrekord über 200 m hielt zwölf Jahre, bis Usain Bolt kam, der über 400 m 17 Jahre, bis ihn Wayde van Niekerk verbesserte. 2018 erlitt Johnson einen Schlaganfall, davon habe er sich vollständig erholt, sagt er. Jetzt will er den «Grand Slam Track» lancieren, stattfinden soll er 2025 zum ersten Mal. Der «Times» gegenüber sagte der 56-Jährige Anfang Woche hochtrabend: «Mein Plan ist, die Leichtathletik ausserhalb der Olympischen Spiele relevant zu machen.»
Die Frage sei doch, wie man das Interesse und den Appetit des Publikums nach Paris nun aufrechterhalte. Für sein Projekt hat er Investoren gefunden, die es mit 30 Millionen US-Dollar unterstützen. Es sollen vier dreitägige Meetings auf höchstem Niveau werden, zwei davon in den USA (Los Angeles ist bestimmt), zwei anderswo. Diese Städte sollen fix jedes Jahr Austragungsort sein – wie im Tennis.
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Das Brisante daran: Johnson will nur Bahn-Events und keine technischen Disziplinen. Also kein Stab-Weltrekordler Duplantis, kein pakistanisch-indisches Duell im Speerwerfen – er will Rennen von 100 m bis 5000 m. Teilnehmen können 48 Männer und 48 Frauen, jeweils die Hälfte davon will er im Voraus verpflichten für alle vier Slams. Damit die Zuschauer sicher sind, wen sie zu sehen bekommen. Die restlichen Athleten will Johnson spontan engagieren. Botschafter mit Vertrag sind 400-m-Hürden-Weltrekordhalterin Sydney McLaughlin-Levrone und der britische 1500-m-Weltmeister Josh Kerr. Süffisant: Im Artikel in der «Times» erwähnt er die Diamond League mit keinem Wort.
Serena Williams’ Ehemann investiert in ein reines Frauen-Meeting
Johnson ist nicht der Einzige, der die Szene bereichern will: Auch Alexis Ohanian, der Ehemann von Tennis-Legende Serena Williams, tut das. Der US-Unternehmer und Investor war Mitbegründer von «Reddit», einer Plattform, auf der registrierte Nutzer Inhalte jeglicher Art anbieten können. Nun lanciert Ohanian mit «Athlos» ein Einladungs-Meeting auf höchstem Niveau – nur für Frauen. Am 26. September findet es im Icahn Stadium auf Randalls Island in New York erstmals statt.
US-Sprinterin Gabrielle Thomas hat sich mit ihm zusammengetan – als sie noch Olympiabronze-Gewinnerin von Tokio war. Jetzt, in Paris, machte sie sich über 200 m zur überlegenen Olympiasiegerin. Ohanian sagt, mit diesem Investment ziele man darauf ab, zu einer inklusiveren und gerechteren Sportlandschaft beizutragen. Das Preisgeld ist üppig: Eine Siegerin erhält 60’000 US-Dollar, die Sechste immerhin noch 2500.
Weltverband kreiert lukrative «Ultimate Championship»
Künftig dürfte der September zum happig befrachteten Monat für die besten Leichtathleten werden. Denn World Athletics findet, dass Jahre ohne WM – die geraden Jahre – keine richtigen Titelkämpfe-Jahre sind (obwohl dann beispielsweise Europameisterschaften stattfinden). Als Organisator der Diamond League, deren zweitägiges Finale bisher immer im September stattfand, kündigte der Weltverband Anfang Juni nun noch die «Ultimate Championship» an, die 2026 erstmals durchgeführt wird. Ebenfalls im September.
An drei Abenden ist ein Preisgeld von insgesamt 10 Millionen US-Dollar zu gewinnen, das höchste je in der Leichtathletik. Der Event soll – wie ab 2025 die WM – die Saison beschliessen, antreten werden Olympiasieger, Weltmeister, Weltrekordhalter, Diamond-League-Sieger, die Jahresbesten – kurz: die Crème de la Crème. Ein Sieg bringt 150’000 US-Dollar ein. Joho sagt: «Zürich könnte 2028 erstmals von einer Kollision von Diamond-League-Finale und diesem dreitägigen Meeting betroffen sein. Diese Situation muss diskutiert werden.»
Neue Meetings – und der Test von neuen Wettkampf-Formaten
Und schliesslich: Es tut sich nicht nur viel in der Event-Landschaft, sondern es werden auch neue Wettkampfformate und -technologien getestet. Mit «Track Lab» findet am 1. September in Freiburg ein Meeting statt, das sich ausdrücklich als «Labor» versteht und unter der Schirmherrschaft von World Athletics steht. Lea Sprunger, einstige Hürden-Europameisterin und Meetingdirektorin, sagt: «Wir haben mit dem Weltverband diskutiert, welche Wettkampftests Sinn ergeben und interessante Resultate hervorbringen könnten.»
Neben anderem wird beispielsweise im Weitsprung eine Absprungzone getestet. Sie enthält noch immer einen Balken, gemessen wird aber vom effektiven Absprungpunkt. Wer vor dem Balken abspringt, vergibt keine Zentimeter mehr, wer darüber tritt und noch in der Zone bleibt, hat einen gültigen Versuch. Im Stabhochsprung hingegen wird die Latte auf eine gewisse Höhe aufgelegt, gemessen wird aber der effektiv höchste Punkt, den die Athletin überquerte. Hatte Angelica Moser bei 4,70 m noch 13 Zentimeter Reserve, werden ihr 4,83 m gutgeschrieben. Und um den Speerwurf effizienter zu gestalten, wird von der Sechser-Serie eines Athleten zuletzt nur der weiteste Wurf gemessen.
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