Enttäuschung für Schweizer WeitspringerEhammer fliegt weit – für eine Medaille aber nicht weit genug
Bei seiner Olympia-Premiere fehlt dem 24-jährigen Appenzeller die nötige Präzision – er wird Vierter. Zum zweiten Mal Gold gewinnt der Grieche Miltiadis Tentoglou.
Mit einer Medaille wolle er heim, hatte er vor den Spielen gesagt. Dann wurde es im unfassbar lauten Stade de France Rang 4, und es flossen auch Tränen bei Simon Ehammer. Seine Stimmung schwanke gerade minütlich, stellte er nach dem Wettkampf fest, natürlich sei er «sehr, sehr enttäuscht» über seine Leistung. Und gleich darauf folgte ein wenig Zufriedenheit – wenn auch nur für die Medien: «Wenn ich mich über einen vierten Rang an Olympischen Spielen ärgern würde, wäre das falsch», sagte er, und: «Ich darf stolz darauf sein. Immerhin habe ich gezeigt, dass ich wirklich zur Weltspitze gehöre.»
Im Weitsprung. Da, wo er als Zehnkämpfer eine exklusive Stellung unter den Spezialisten hat. Es war ein Wettkampf gewesen, der ihn insgesamt und mit seiner Weite von 8,20 m ein wenig ratlos zurück liess, «bei jedem Sprung fehlte es an ein, zwei Kleinigkeiten, die nicht passten», analysierte er.
Immer wieder hatte er seine Arme gehoben, das Publikum aufgefordert, ihn beim Anlauf anzuheizen – es war eine Olympia-Premiere für Ehammer, die stimmungsmässig schwierig zu übertreffen sein wird – leistungsmässig jedoch schon. Nach den ersten drei Sprüngen hatte er sein erstes Mini-Ziel, in die Top 8 zu kommen, problemlos erreicht. Das bedeutete auch für ihn drei weitere Versuche, drei weitere Chancen. Doch nach der ersten Hälfte hatte der Wettbewerb und die Rangliste schon sehr ausgeprägte Züge angenommen, war die Ausgangslage eine neue, der Druck ein anderer und grösserer.
Plötzlich zum Jäger geworden
Ehammer war nach einer halben Stunde zum Jäger der Besten geworden: Der griechische Alles-Gewinner Miltiadis Tentoglou (8,48 m), der jamaikanische WM-Silbergewinner Wayne Pinnock (8,36 m) und der erst 19-jährige italienische Sprenzel Mattia Furlani (8,34 m) hatten Weiten vorgelegt, die Ehammer in diesem Sommer auch schon gesprungen ist (bis auf jene Tentoglous). Mit 8,20 m war dem WM-Bronzegewinner von 2022 im zweiten Versuch ein sehr guter, aber kein überragender Sprung gelungen. Er bedeutet schliesslich Rang 4 – den undankbarsten aller Ränge, wenn es um Medaillen geht.
«Bei diesem Versuch habe ich fünfzehn Zentimeter verschenkt – das wären dann auch 8,35 m gewesen. Ohne auf dem Brett abzuspringen, das ist einfach schade», haderte er und wusste selber, dass der 8,35-m-Konjunktiv im Nachhinein gar nichts bringt. Immerhin: Nach diesem Versuch sei er zuversichtlich gewesen, dass ihm noch Besseres gelingen würde. Doch dem war nicht so.
René Wyler, der Cheftrainer von Ehammer am Leistungszentrum in Teufen, hatte vor den Spielen gemutmasst, dass 8,30 m an diesem Abend wohl nicht für das Podest reichen würden. Er hat recht bekommen. Das Niveau war hoch, die Dichte auch, und Ehammer fehlte es an der nötigen Präzision, bei sechs Versuchen hatte er drei Fehlversuche. Dem letzten war noch eine Diskussion mit der Kampfrichterin vorausgegangen. «Ich habe sie gebeten, ein wenig länger warten zu dürfen, bis es ruhiger wird – es lief gerade eine französische Steepleläuferin bei uns vorbei.» Zur Konzentration hat dies kaum beigetragen.
«Vorwerfen kann ich mir nichts»
Ehammer war im Frühjahr Hallen-Weltmeister im Siebenkampf geworden, hat an der EM im Juni Bronze im Weitsprung gewonnen und nun einen 4. Platz an Olympia erreicht. Einerseits bezeichnete er diese Saison als seine beste, andererseits auch als eine schwierige. Das Gold an der Hallen-WM hat ihn und sein Umfeld im Glauben lassen, er sei nach seiner Schulteroperation im Herbst schon viel weiter. Der Dämpfer kam dann in Götzis, als er seinen Trainingsrückstand in den Wurfdisziplinen mit aller Härte spürte und aufgab.
Bezogen auf den Olympia-Wettkampf sagte er dann noch: «Vorwerfen kann ich mir nichts. Tentoglou und Furlani springen konstant auf hohem Niveau, und Pinnock hat einmal den Balken genau getroffen. Das hätte mir auch gelingen können.» Er müsse das Resultat jetzt einfach so hinnehmen. Tentoglou wurde so zum zweiten Mal Olympiasieger, er, der auch sonst schon alles gewonnen hat, WM-Titel, EM-Titel, in der Halle, im Freien. Er ist der überragende Athlet der letzten sechs Jahre. Doch die Konkurrenz ist nicht weit. Und sie ist teilweise jung.
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