Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Siebte Medaille für die Schweiz
Steve Guerdat gewinnt Silber – diesmal will er es richtig geniessen

epa11529567 Steve Guerdat of Switzerland riding Dynamix de Belheme during the Jumping Individual Final of the Equestrian Jumping competitions in the Paris 2024 Olympic Games, at the Chateau de Versailles in Versailles, France, 06 August 2024.  EPA/TOLGA AKMEN
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Sein Pferd ist längst mit der Pflegerin zurück in den Stallungen, Steve Guerdat aber auf dem Medienmarathon, der auf jeden Medaillengewinn folgt. Kurz nach seinem Silber-Coup im Einzelspringen im fantastischen Schlosspark von Versailles soll er jetzt erzählen, wie sehr er sich freue im Vergleich zu seinem Olympiasieg 2012 in London. Er spricht leise und sagt Erstaunliches: «Wahrscheinlich freue ich mich noch mehr als damals. Ich war jung, alles war neu damals», er habe es gar nicht richtig genossen. «Ich habe mir versprochen, dass ich es das nächste Mal besser machen werde.»

Das nächste Mal – das ist jetzt, in Rio 2016 war er Vierter geworden. Guerdat nimmt schon an seinen sechsten Spielen teil, sein Pferd Dynamix de Bélhème zählt derzeit zu den stärksten weltweit. Und wer ein wenig Olympiaroutine von ihm erwartet hat, den enttäuscht Guerdat. Spiele seien immer speziell, «die Aufregung vorher war gleich gross wie immer.» Der 42-jährige Jurassier, der seit rund 20 Jahren im Kanton Zürich lebt und seinen Hof in Elgg ZH hat, ist als Weltnummer 4 angetreten. Im vergangenen Herbst war er in Mailand schon Europameister geworden. Fünf Tage nach dem Debakel in der Team-Qualifikation, als die Schweiz den Final und das erste Ziel Medaille verpasste, zeigte er nun eine starke Reaktion.

«Drei im Stechen ist nicht angenehm»

Der Nullfehlerritt im Normalparcours, der als schwierigster je beschrieben wurde, brachte Guerdat – im Nachhinein gesehen – bereits die Medaille. Denn mit dem Niederländer Maikel van der Vleuten und dem Deutschen Christian Kukuk ritten nur zwei Konkurrenten im 30-köpfigen Finalfeld ebenfalls fehlerlos. «Drei im Stechen ist nicht so angenehm», sagte Guerdat, «man weiss, man hat eine Medaille, muss aber konzentriert bleiben, um alles für Gold zu tun.»

Guerdat ritt als Letzter der drei ein, wusste, dass er schnell sein muss – und riskierte am zweitletzten Hindernis wohl zu viel. Dynamix de Bélhème touchierte die Stange, sie fiel. Damit war klar, dass der Deutsche Kukuk Olympiasieger ist, er war ein zweites Mal fehlerfrei geblieben.

From left, Silver medallist Steve Guerdat of Switzerland gold medallist Christian Kukuk of Germany and bronze medallist Maikel Van Der Vleuten of the Netherland celebrate on the podium during the victory ceremony after the victory cermony of the equestrian individual finals at the 2024 Paris Summer Olympics in Paris, France, Tuesday, August 6, 2024. (KEYSTONE/Laurent Gillieron)

Guerdat aber gewann mit Silber bereits seine dritte Olympiamedaille nach dem Gold von London und Team-Bronze 2008 in Peking, das ist im Schweizer Springsport noch niemandem gelungen. Der verstorbene Willi Melliger hatte 1996 auf seinem mächtigen Schimmel Calvaro in Atlanta Silber im Einzel und 2000 in Sydney Silber mit der Mannschaft gewonnen. «Mein ganzes Team hätte für seine Arbeit eigentlich Gold verdient», sagte Guerdat und lächelte, «jetzt ist es halt Silber.»

Bereits sein Vater Philippe Guerdat war einst ein sicherer Wert gewesen mit Olympiateilnahmen 1984 und 1988. Und von seinem Sohn erzählte man sich schon bald Wunderdinge – dieser stürmte ungebremst durch alle Alterskategorien und begann mit 14 im Stall seines Vaters zu arbeiten.  

«Hätte mir den Hof nicht leisten können»

Heute hat er sein eigenes Anwesen, und Guerdat sagt: «Der Olympiasieg war für mich ein grosser Türöffner, ich hatte danach ein ganz anderes Standing – in den Medien und bei Sponsoren.» Er habe noch immer eine grosse Bedeutung, und: Er glaube sogar, dass er sich ohne diesen Triumph den eigenen Hof nicht hätte leisten können. 17 Pferde sind derzeit bei ihm im Beritt, «einige sind älter, aber ich glaube, die anderen könnten alle so werden wie Dynamix». Und mit «so» meint er: brillant.

Solche Pferde haben auch seine Kollegen Martin Fuchs mit Leone Jei und die Weltnummer 1 Henrik von Eckermann (SWE) mit King Edward. Doch ihnen passierte, was sonst kaum je passiert: Fuchs rutschte beim sechsten Hindernis mit dem linken Fuss aus dem Steigbügel und konnte diesen bis zuletzt nicht mehr aufnehmen. Nach dem Missgeschick wurde die Führung des Pferdes schwierig, die Stange fiel allerdings erst beim allerletzten Hindernis, verhinderte aber das Weiterkommen. Fuchs, am Schluss Zehnter, war endlos enttäuscht und sagte: «Das passiert einmal im Jahr.» Eckermanns King Edward hingegen scheute bei Halbzeit und stürzte – einigermassen sanft – in die Zeitmessung.

Guerdat, der nach ihm startete, beeinflusste das nicht. Auch Dynamix nicht. Sie machte sich von der Stute zur Silberstute.