Stromausfälle wegen Elektroautos?Laden alle ihr Auto gleichzeitig, kann es heikel werden
E-Autos können zur Gefahr für das Stromnetz werden. Eine neue Studie der ETH Zürich zeigt, was nötig ist, damit es nicht so weit kommt.
26 Millionen Elektroautos rollten im vergangenen Jahr weltweit auf den Strassen. Bis 2030 sollen es gemäss Fachleuten über 200 Millionen sein. In der Schweiz sind es mittlerweile über 130’000 – Tendenz auch hier steigend.
Mit dem Boom verknüpft ist eine Sorge: Wird das Stromnetz überlastet, wenn immer mehr Menschen zeitlich und örtlich unkoordiniert ihr Fahrzeug laden? Bereits vor fünf Jahren hat die Beratungsagentur Oliver Wyman in der Studie «Der E-Mobilitäts-Blackout» vor Versorgungsengpässen und Stromausfällen in Deutschland gewarnt, sollte es nicht gelingen, mit dem Ausbau des Stromnetzes und intelligenten Software-Lösungen gegenzusteuern. Die Netzbetreiber müssten jetzt handeln, um vorbereitet zu sein.
Ladeverhalten steuern
Und in der Schweiz? Hinweise gibt ein neues Forschungsprojekt der ETH Zürich, das vom Bundesamt für Energie gefördert worden ist. Die Ergebnisse wurden nun veröffentlicht. Die Erkenntnis: Je nachdem, wo, wann und wie die Autos geladen werden, kann dies das Stromnetz stark belasten. Solche Spitzenbelastungen lassen sich laut den Autoren vermeiden, indem das Ladeverhalten der Autofahrer geschickt gesteuert wird.
Dafür müssten diese aber finanziell motiviert werden. Das Bundesamt teilt diese Einschätzung: «Anreize zum netzdienlichen Laden sind sinnvoll», sagt Sprecherin Brigitte Mader.
Als vielversprechend gilt der Ansatz, dass die Autofahrerinnen und Autofahrer beim Laden je nach Zeitpunkt mehr oder weniger für den Strom bezahlen müssen. Einige Netzbetreiber bieten solch differenzierte Tarife bereits an, so etwa das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich. «Dies ist wahrscheinlich nur der Anfang eines grösseren Trends», sagt Mader.
Im Versorgungsgebiet des Zürcher Stadtwerks dauert die Hochtarifzeit für gewöhnliche Strombezüger von Montag bis Samstag jeweils von 6 bis 22 Uhr, der Rest ist Niedertarifzeit. Für die Elektroautos dagegen gilt der Hochtarif von Montag bis Samstag jeweils von 11 bis 13 Uhr und 18 bis 20 Uhr – dann also, wenn der Stromverbrauch am höchsten und die Belastung des Netzes entsprechend gross ist.
Ein Elektroauto mit einer Kapazität von 40 Kilowattstunden zu laden, kostet im Hochtarif 17.60 Franken, im Niedertarif sind es 7.25 Franken.
Das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich will die E-Auto-Fahrer so dazu bewegen, zu dieser Zeit nicht zu laden. Die Preisunterschiede sind beträchtlich: Ein Elektroauto mit einer Kapazität von 40 Kilowattstunden zu laden, kostet im Hochtarif 17.60 Franken, im Niedertarif sind es 7.25 Franken. «Die Steuerung übers Portemonnaie funktioniert», sagt Sprecher Harry Graf. Er begründet dies mit Zahlen: Von den total 10’000 Ladestationen in der Stadt Zürich würden 7600 das Anreizmodell nutzen.
Die Sache ist jedoch kniffliger, als es scheint. Laden nämlich künftig bei wachsender Ausbreitung der Elektromobilität alle E-Auto-Fahrer dann, wenn der Tarif günstig wird, kann dies zu sehr hohen Spitzenbelastungen im Stromnetz führen, wie die Autoren der ETH-Studie darlegen. Die finanziellen Anreize, so folgern sie, müssten denn auch auf die jeweilige Netzsituation zugeschnitten und im Lauf der Zeit angepasst werden. Die Studienautoren appellieren an die Politik, diesen Effekt mitzuberücksichtigen, sollten sie dereinst für E-Auto-Fahrer weitere Anreize schaffen, um möglichst so zu laden, dass das Stromnetz nicht überlastet wird.
Noch kaum E-Autos als Stromspeicher
Hoffnung setzen Fachleute auch in das sogenannte bidirektionale Laden. Hierbei nutzt das Elektroauto nicht nur den Strom zum Fahren, sondern es dient auch als Stromspeicher. Es kann so helfen, das Stromnetz zu stabilisieren, etwa indem es lokale Schwankungen im Verteilnetz ausgleicht.
Nur: Bis jetzt sind in der Schweiz erst drei E-Auto-Modelle in grösseren Stückzahlen zugelassen, die bidirektional laden können, insgesamt etwa 4400 der 130’000 Elektroautos. Daneben gibt es hierzulande fünf weitere Modelle beziehungsweise 5800 weitere E-Autos, die grundsätzlich bidirektional ladefähig sind. Allerdings handelt es sich dabei laut Bundesamt für Energie um Kleinfahrzeuge mit sehr kleiner Batterie, die «kaum in grösserem Umfang» für das bidirektionale Laden eingesetzt werden dürften.
Damit Elektroautos auch als Stromspeicher dienen können, braucht es die Freigabe des Herstellers, entsprechende Software im Fahrzeug und Ladestationen, die mit dem Auto kommunizieren können.
Das Bundesamt geht davon aus, dass die Zahl der bidirektional ladefähigen Fahrzeuge in Zukunft deutlich zunehmen wird. Verschiedene Autohersteller haben in jüngerer Zeit angekündigt, solche Modelle anbieten zu wollen. «Ob am Ende alle Elektroautos über diese Möglichkeit verfügen werden, ist derzeit aber noch spekulativ», sagt Christoph Schreyer vom Bundesamt für Energie.
Verschiedene Fragen sind derzeit noch offen. Etwa, wie sich die zusätzlichen Lade- und Entladezyklen auf die Alterung der Batterie auswirken werden – und damit die Frage, ob ein kostspieliger Ersatz fällig wird.
Stromverbrauch steigt stark an
Je mehr Elektroautos als Stromspeicher dienen, desto besser dürfte es gelingen, das Stromnetz stabil zu halten. Mit der Energiewende wird diese Aufgabe anspruchsvoller, unter anderem, weil die Produktion von Wind- und Solarstrom stark schwankt. Heute verbrauchen Elektroautos in der Schweiz weniger als 0,5 Terawattstunden Strom, bis 2050 sollen es 13 Terawattstunden sein, also gut 20 Prozent des heutigen Stromverbrauchs.
Noch gibt es keine Probleme. Der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid jedenfalls sind bis jetzt keine Stromausfälle oder gefährlichen Frequenzschwankungen im Stromnetz bekannt, die von E-Autos ausgelöst worden wären. Sie geht davon aus, dass dem so bleiben wird – sofern die Netzbetreiber die Möglichkeit haben, den Ladeprozess wie skizziert mitzusteuern.
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