Wechsel bei Energieetikette Viele Elektroautos verlieren die beste Bewertung
E-Autos brauchen je nach Modell teils deutlich mehr oder weniger Strom. Das hat nun Folgen: Der Grossteil fällt aus der Kategorie A. Wird das den Kaufentscheid der Konsumenten beeinflussen?
Noch verbrauchen die 134’000 Elektroautos auf den Schweizer Strassen wenig Strom. Schreitet die politisch geforderte Elektrifizierung des Verkehrs wie geplant voran, wird ihre Zahl aber stark wachsen – und ihr Strombedarf bis 2050 ebenso, von aktuell etwa 0,35 auf 13 Terawattstunden pro Jahr, wie der Bund schätzt. Also auf gut 20 Prozent des heutigen Verbrauchs.
Vor dem Hintergrund möglicher Strommangellagen gewinnt daher eine Frage an Bedeutung: Wie viel Strom benötigen die einzelnen elektrischen Modelle auf 100 Kilometer, wie effizient sind sie also? Aufschluss gibt die Energieetikette. Seit 2003 muss diese gut sichtbar bei jedem zum Verkauf angebotenen Neuwagen angebracht sein. Sie unterteilt alle Personenwagen – also auch die Benzin- und Dieselautos – in sieben Effizienzkategorien, wobei A für ein effizientes Fahrzeug steht und G für ein ineffizientes.
Bis Ende 2022 hat der Bund praktisch alle Elektroautos in die Kategorie A eingeteilt. Mittlerweile aber hat er die Energieetikette überarbeitet. In die beste Kategorie A schaffen es seit Anfang Jahr nur noch jene Elektroautos, die weniger als 18,5 Kilowattstunden Strom pro 100 Kilometer verbrauchen. Dies entspricht unter Berücksichtigung des Primärenergiebedarfs der Strom- und Treibstoffherstellung einem Auto mit Benzinmotor mit einem Verbrauch von 4,07 Litern auf 100 Kilometer. Zum Vergleich: Die ineffizientesten Elektroautos der Kategorie G benötigen mehr als 41 Kilowattstunden pro 100 Kilometer oder – erneut umgerechnet – mehr als 9,16 Liter Benzin.
Nur noch jedes dritte E-Auto mit Bestnoten
Das Resultat dieser Neuerung: Viele Elektroautos sind aus der Kategorie A gefallen, wie der Online-Verbrauchskatalog des Touring-Clubs der Schweiz und des Programms Energieschweiz zeigt. Von den gut 300 Modellen, welche diese Redaktion ausgewertet hat, schafft es nur noch etwas mehr als jedes dritte in die Kategorie A (119). Fast ebenso viele sind in die Kategorie B abgerutscht (101). In den schlechteren Kategorien C (40), D (31) und E (6) finden sich neu gegen 80 Elektroautos.
Manch ein Käufer dürfte sich deshalb nun verwundert die Augen reiben. Bestimmte Modelle von Tesla sind in die Kategorie B zurückgefallen, etwa der Tesla Model X Plaid. Immerhin, der Tesla Model Y, das am meisten verkaufte Auto im ersten Halbjahr, schafft es noch immer in die Kategorie A. Bekannte Modelle anderer Marken sind aber nicht mehr top klassiert, so etwa der VW ID.4 (Kategorie B) oder der Elektrobus von VW, der ID.Buzz (Kategorie C). Die elektrifizierten Audi-Modelle schaffen es nur noch in die Kategorien B, C und D.
Besteht so nicht das Risiko, dass sich Autokäufer zum Beispiel eher für einen effizienten Kleinwagen mit Benzinmotor entscheiden statt für einen Elektro-SUV der Kategorie D – und so der derzeit ohnehin schon stockende Verkauf von Elektroautos gebremst wird? Das Bundesamt für Energie sieht diese Gefahr «weniger». Wer einen SUV kaufen wolle, entscheide sich nicht plötzlich für einen Kleinwagen, sagt Christoph Schreyer, Leiter der Sektion Energieeffizienter Verkehr. «Und wenn, dann findet ein Autokäufer mit Garantie auch einen noch effizienteren Kleinwagen mit Elektroantrieb.»
Man müsse aber Gleiches mit Gleichem vergleichen, also einen Elektro-SUV mit einem SUV mit fossilem Antrieb, so Schreyer. Hier schneide die elektrische Variante immer besser ab, da Elektroautos deutlich effizienter als Verbrenner seien.
«Es genügt nicht mehr, zu sagen: Hauptsache, ein Auto fährt elektrisch.»
Dass die Neuerung die Kundschaft verwirrt – dafür gibt es bis jetzt keine Anzeichen. Auto Schweiz sind jedenfalls keine Rückmeldungen bekannt. Auch sonst ist aus der Branche nichts zu hören. Der Branchenverband ist mit der Energieetikette aber nicht glücklich. Diese habe ihren Zweck kaum erfüllt. Entscheidend für die Käufer sei nicht in erster Linie die Einteilung des Fahrzeugs anhand der Etikette, sondern vielmehr der Wunsch, das Auto bei sich zu Hause aufladen zu können: «Der Hebel muss zwingend beim Ausbau der Ladeinfrastruktur angesetzt werden.»
Das Bundesamt für Energie indes hält es weiter für sinnvoll, Elektroautos in verschiedene Effizienzklassen einzuteilen. «Es genügt nicht mehr, zu sagen: Hauptsache, ein Auto fährt elektrisch, weil es das Klima weniger belastet als ein Auto mit Verbrennungsmotor», sagt Christoph Schreyer. «Wichtig ist auch dessen Energieeffizienz.»
In der Tat senkt eine hohe Effizienz den Energieverbrauch und vermindert damit die Abhängigkeit vom Ausland. Der Ukraine-Krieg und die damit verknüpfte Energiekrise haben vor Augen geführt, wie verletzlich die Energieversorgung plötzlich sein kann – und welch schwierige politische Diskussionen daraus erwachsen können.
Ein weiterer Vorteil sind die geringeren Energiekosten und eine höhere Reichweite bei gleicher Batteriekapazität. Fährt ein sehr effizientes Elektroauto mit einem Verbrauch von 13 Kilowattstunden pro 100 Kilometer pro Jahr 15’000 Kilometer, muss der Besitzer 449 Franken für den Strom bezahlen (dies bei einem Strompreis von 23 Rappen pro Kilowattstunde). Liegt der Verbrauch bei 30,6 Kilowattstunden, ist es mit 1056 Franken mehr als das Doppelte.
Auf den 1. Januar 2024 passt der Bund die Energieetikette erneut an. Dabei wird das Bundesamt für Energie die Grundlagendaten – wie jedes Jahr – neu berechnen. Für die Elektroautos, so Schreyer, ändere sich bei der Einteilung in die Energieeffizienzkategorien aber nichts. Böse Überraschungen dürfte es 2024 also nicht mehr geben.
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