Die Stimme der Wirtschaft für Gen-ZSie soll Economiesuisse cool machen
Die 23-jährige Icela Etete ist das Gesicht des Wirtschaftsverbands auf Tiktok – und soll die Jungen für tiefe Steuern, Wettbewerb und Unternehmertum begeistern.

- Economiesuisse setzt auf Tiktok zur Vermittlung wirtschaftsliberaler Positionen an junge Menschen. Dafür produziert die ehemalige Lernende Icela Etete monatlich sechs professionelle Videos.
- Die 23-jährige Mediamatikerin präsentiert komplexe Themen auf jugendgerechte Art.
- Mit ihren Beiträgen erreicht der Wirtschaftsverband bis zu 500’000 Aufrufe.
«Die Bilateralen bieten uns Frauen viele Chancen. Bist du auch dabei?», sagt Icela Etete in die Kamera. «Kannst du ‹die Bilateralen› noch etwas deutlicher aussprechen?», korrigiert eine Videoproduzentin Etete und sagt: «Dreh den Kopf am Schluss nach rechts, als würdest du die nächste Ice anschauen.» Sie spricht «Ice» wie das englische Wort für «Eis» aus; es ist Icela Etetes Spitzname. Etete setzt die Anweisungen um, nach zwei weiteren Takes ist die Szene im Kasten.
Das Video, das hier entsteht, ist Teil der Kampagne «Frauen für die Bilateralen». Es wird eine Woche später auf dem Tiktok-Account von Economiesuisse erscheinen, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft. Icela Etete dreht am gleichen Tag noch etliche weitere Szenen, die zu insgesamt sechs Videos werden: Die 23-Jährige ist das Gesicht des Tiktok-Accounts von Economiesuisse – und seit Sommer 2023 auf jedem veröffentlichten Video zu sehen oder zu hören.
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Einen Tag pro Monat steht Etete dafür vor der Kamera. Die restliche Zeit arbeitet sie als Mediamatikerin für Economiesuisse; hier hat sie 2022 bereits ihre Lehre abgeschlossen. «Als vor eineinhalb Jahren diskutiert wurde, ob jemand Externes für die Tiktok-Videos engagiert werden soll oder ob es intern jemand machen könnte, habe ich angeboten, das mal auszuprobieren», erzählt Etete.
Beim Gespräch sind auch zwei von Etetes Vorgesetzten dabei – Silvan Lipp, Kommunikationschef von Economiesuisse, und Alexander Keberle, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter des Projekts «Wirtschaft. Wir alle». Denn, wie Lipp betont: Icela Etete sei keine eigenständige Polit-Influencerin, sondern sie vertrete in den Videos die wirtschaftsliberalen Positionen des Verbands.
Lipp und Keberle erklären, weshalb die Economiesuisse überhaupt einen Tiktok-Account hat. «Wir beobachten, dass sich die Jungen immer mehr auf Tiktok und den sozialen Medien informieren», so Keberle von der Geschäftsleitung: «Dann muss die Wirtschaft auf diesen Channels auch Wissen vermitteln.» Die Videos drehen sich um Themen wie Selbstständigkeit und die positiven Auswirkungen von Wettbewerb.
Economiesuisse setzt auf Diversity – ist das nur Strategie?
Doch Economiesuisse veröffentlicht auch Videos mit mehr politischer Breitseite, etwa zum Autobahnausbau oder zuletzt zur Erbschaftssteuer-Initiative der Juso. «Economiesuisse will auf Tiktok offenbar früh die Meinung junger Menschen beeinflussen», erklärt Kommunikationsberater David Schärer.
Insgesamt hält Schärer den Social-Media-Auftritt von Economiesuisse für gelungen: «Ich bin überrascht, dass es Economiesuisse schafft, komplexe Wirtschaftsthemen auf Tiktok gut umzusetzen.» Laut Schärer wirken die Videos authentisch, weil Icela Etete sich nicht verbiegt: «Es ist ein cleverer Schachzug, jemanden auftreten zu lassen, der wirklich dort arbeitet.» Dadurch entstehe auch nicht der Eindruck, dass Economiesuisse Etete nur nutzt, um sich ein moderneres und vielfältigeres Image zu verleihen.

Entsprechend dankbar sind die Mitarbeitenden bei Economiesuisse Icela Etete: «Ice war ein Glücksfall für uns», sagt Geschäftsleitungsmitglied Alexander Keberle. Die Sekretärin, die den Dreh im Foyer beobachtet, stimmt zu: Etete sei ein grosses Talent.
Etete steht gerne vor der Kamera und setzt nur selten Grenzen: «Einmal haben sie zum Beispiel gefragt, ob ich eine Hechtrolle mache, und dann habe ich Nein gesagt», sagt Etete. Sonst sei ihr kaum etwas peinlich – auch nicht, als Ghostbuster verkleidet Schreckgespenste über die Bilateralen zu vertreiben, wie sie es in einem Video tut: «Ich bin einfach so spassig unterwegs.»
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Mit einzelnen Videos erreicht Economiesuisse über eine halbe Million Views, mit den meisten nur wenige Hundert. Ob es also gelingt, via die sozialen Medien bei den Jungen «Wirtschaftskompetenz» aufzubauen, wie es im Projektbeschrieb zum Social-Media-Auftritt steht?
«Die längerfristige Wirkung muss man beobachten», sagt Alexander Keberle. Aber das Bespielen des Tiktok-Kanals sei eine wichtige «Investition in die Zukunft»: «Wenn wir das nicht machen, dann würden wir es in 20 Jahren bereuen.» Wie viel Economiesuisse für ihren Tiktok-Auftritt investiert, dazu nennt der Kommunikationschef keine Zahlen. Doch die Videos sind hochprofessionell gemacht, und teilweise steckt Economiesuisse auch Geld in die gezielte Bewerbung.

Der Verband hat es sich zum vorläufigen Ziel gesetzt, pro Monat sechs bis acht Videos zu veröffentlichen. Sie wollen damit auch eine Vorreiterrolle übernehmen für die Mitglieder: «Es wäre wichtig, dass noch mehr Schweizer Unternehmen und Verbände auf Tiktok sind», sagt Keberle.
Bei Economiesuisse sei die Idee, einen Tiktok-Account aufzubauen, von «jüngeren Stimmen in der Geschäftsstelle» ausgegangen, so Keberle. Er selbst, 33-jährig, kennt Social Media ebenfalls gut, dennoch fehle ihm gewisses Know-how: «Im Gegensatz zu den klassischen Medien wissen wir bei Social Media noch weniger, was funktioniert.» Die Skripts entstehen deshalb in Zusammenarbeit mit der Aargauer Tiktok-Agentur Equipe. Auch die Lernenden und Praktikantinnen geben laut Keberle immer wieder wichtige Inputs zum Auftritt von Economiesuisse auf den sozialen Medien.
Bei Tiktok verlässt sich Economiesuisse auf die Jungen
Wer selber auf Tiktok und Co. aktiv ist, weiss, was funktioniert. Das gilt auch für Icela Etete, die sich vor allem Videos auf Instagram anschaut. Während der Drehs sagt sie, wenn sie etwas nicht begreift. «Wenn ich es nicht verstehe, dann verstehen es die anderen auch nicht», so Icela Etete, und meint damit Leute in ihrem Alter.
Etete glaubt, dass es wichtig ist, zu konkretisieren: «Mit jungen Leuten muss man übers Reisen in Europa sprechen und übers Einkaufen in Deutschland, nicht über irgendwelche Verträge.» Von ihrem Umfeld erhalte sie positive Rückmeldungen, zum Beispiel von Freundinnen aus dem Turnverein: «Meine Kolleginnen, die abstimmen können, informieren sich manchmal über den Tiktok-Kanal von Economiesuisse.»

In den Kommentaren werde sie oft mit der Sängerin Ice Spice verglichen, erzählt Icela Etete: «Das finde ich am lustigsten.» Aber nicht alle Kommentare sind positiv; Etete ist manchmal auch rassistischen Bemerkungen ausgesetzt. Das pralle an ihr ab, sagt sie: «Die können schreiben, was sie wollen. Ich bin Schweizerin.»
Alexander Keberle, Mitglied der Geschäftsleitung, klinkt sich sofort ein: Es sei für Economiesuisse extrem wichtig, dass Icela geschützt sei und dass ihr in ihrer Rolle wohl sei: «Wenn es für Icela nicht mehr okay ist, müssen wir eine andere Lösung finden», so Keberle: «Das ist unsere Pflicht als Arbeitgeber.»
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