Raiffeisen zahlt 2,5 ProzentKundinnen können sich an sechs neuen Genossenschaften beteiligen
Raiffeisen Schweiz entlässt seine Niederlassungen in den Städten Bern, Thalwil, Winterthur, St. Gallen, Basel und Zürich in die Selbstständigkeit. Wer Genossenschaftsanteile zeichnet, kann sich auf eine hohe Verzinsung freuen.
«Bankneugründung mit etabliertem Geschäftsmodell und grossem Kundenstamm sucht neue Eigner»: So würde wohl eine Zeitungsanzeige aussehen für das, was die Raiffeisen-Gruppe in der Schweiz gerade plant. Die drittgrösste Bankengruppe der Schweiz entlässt sechs Stadtniederlassungen in die Selbstständigkeit und gründet dafür neue Genossenschaften. Kundinnen und Kunden können sich daran beteiligen – und an den Generalversammlungen mitbestimmen.
Die Raiffeisen-Gruppe besteht derzeit aus 225 rechtlich autonomen Raiffeisenbanken. Gemeinsam bilden sie die Genossenschaft Raiffeisen Schweiz. Diese ist unter anderem für die Gruppenstrategie, die IT und das Risikomanagement zuständig.
Darüber hinaus ist Raiffeisen Schweiz aber auch selbst im Bankgeschäft aktiv und betreibt in Bern, Thalwil, St. Gallen, Winterthur, Basel und Zürich eigene Niederlassungen. Somit macht Raiffeisen Schweiz seinen eigenen Mitgliedern Konkurrenz.
Zürich und Basel sind 2023 dran
Das soll sich nun ändern. Die sechs Stadtniederlassungen werden schrittweise in eigenständige Genossenschaften überführt. Los geht es Anfang 2022 mit Thalwil und Bern, Winterthur und St. Gallen sollen Mitte 2022 folgen, Basel und Zürich sind Anfang 2023 an der Reihe.
Dieser Schritt ist auch eine Folge der Affäre um den früheren Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz, der sich im nächsten Januar vor Gericht wegen der Vorwürfe des gewerbsmässigen Betrugs, Veruntreuung, Urkundenfälschung und passiven Bestechung verantworten muss. Dank der sechs Stadtniederlassungen verdiente Raiffeisen Schweiz gutes Geld, was Vincenz auch als Manövriermasse für umstrittene Zukäufe nutzte. Als Konsequenz verordnete sich die Gruppe Reformen.
Teil davon ist die nun beginnende Herauslösung der sechs Niederlassungen aus Raiffeisen Schweiz. Die neuen Genossenschaften brauchen dabei neues Genossenschaftskapital. Für Thalwil und Bern hat der Prozess bereits begonnen: «Die Zeichnungsfrist für die neuen Genossenschaftsanteile läuft, das Interesse der Kunden ist gross», sagt Heinz Huber, Chef von Raiffeisen Schweiz. Wie viel Geld gesammelt werden soll, dazu macht er keine Angaben.
Anteile kosten 200 bis 500 Franken
Gezeichnet werden können Anteilsscheine à 200 Franken oder 500 Franken, der Maximalbetrag pro Kunde liegt bei 20’000 Franken. Anders als bei Aktiengesellschaften haben alle Genossenschafterinnen und Genossenschafter nur eine Stimme, egal, wie viel Geld sie investiert haben. Die Verzinsung ergibt sich aus der Gewinnausschüttung. Im Schnitt bekamen die Eigentümer der Raiffeisenbanken im vergangenen Jahr eine Rendite von 2,5 Prozent.
Nicht schlecht in Zeiten von Negativzinsen. Aber es gibt auch Risiken. Gerät die Bank in Schieflage, so sind diese Anteile nachrangig, das heisst, die Anteilseigner werden nach allen anderen Gläubigern bedient. Das investierte Geld ist auch nicht durch die Einlagensicherung gedeckt.
«Wenn ein Bestandskunde nicht Mitglied werden will, muss er damit rechnen, dass nach Laufzeitende seine Hypothek nicht verlängert wird.»
Wichtig ist auch: Wer eine Hypothek bei einer der sechs Stadtniederlassungen hat, muss Genossenschafter werden. «Für Bestandskunden besteht eine Übergangsfrist», erklärt Huber. «Wenn ein Bestandskunde nicht Mitglied werden will, muss er damit rechnen, dass nach Laufzeitende seine Hypothek nicht verlängert wird», sagt er. Man würde aber jeweils «individuelle Lösungen» suchen.
Von der Ausgliederung sind insgesamt 350 Mitarbeitende betroffen. Laut Huber sei durch die Verselbstständigung der sechs Banken aber weder ein Stellenabbau noch -aufbau geplant. «Wir haben die Niederlassungen bereits heute wie eigenständige Einheiten geführt», so Huber. «Die wesentliche Veränderung für Mitarbeitende ist der Arbeitsvertrag.»
Raiffeisen Schweiz gibt durch die Ausgliederung der sechs Stadtniederlassungen insgesamt 10 Milliarden von bisher rund 68 Milliarden Franken Bilanzsumme ab. «Mit einer Bilanzsumme von 3,7 Milliarden Franken wird die Raiffeisenbank Zürich eine der grössten Genossenschaften im Verbund sein», sagt Huber. Für Zürich können Anfang 2023 neue Genossenschaftsanteile gezeichnet werden.
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