Slalom-Wunder in ChamonixEin einziges Schweizer Ski-Märchen – mit Folgen
Nach 42 Jahren stehen wieder zwei Schweizer auf dem Slalompodest. Dem einen oder anderen dürfte der Jubel im Hals stecken bleiben.
![Grund zu Jubel: Ramon Zenhäusern schaffte es auch im zweiten Slalom von Chamonix auf das Podest.](https://cdn.unitycms.io/images/DkqHfeBuK-89JNCy0QMQaU.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=TQz0IShXZOo)
Was ist das nur für eine Schweizer Zauberpiste, diese La Verte des Houches in Chamonix. Da hext sich am Samstag Luca Aerni vom 29. auf den 4. Platz, steht Ramon Zenhäusern als Zweiter auf dem Podest, und dann wird das alles am Sonntag noch einmal übertroffen: Zenhäusern Zweiter. Sandro Simonet Dritter.
Es ist ein sporthistorisches Ergebnis für die Künstler zwischen den eng gesteckten Stangen. Zwei Schweizer auf einem Slalompodest, das gab es letztmals am 13. Dezember 1978. Martial Donnet gewann da in Madonna di Campiglio vor Peter Lüscher.
Über 42 Jahre später verhindert nur der Norweger Henrik Kristoffersen einen Doppelerfolg, weil er im 2. Lauf bestechend fährt, gerade so, als gäbe es all die Gräben, Spuren und Löcher nicht, an denen so viele gescheitert sind vor ihm. Der 26-Jährige rettet seine Halbzeitführung ins Ziel und feiert seinen zweiten Saisonsieg.
Die anderen grossen Geschichten schreiben die Schweizer, allen voran Simonet. Er bringt das Kunststück fertig, noch mehr Ränge gutzumachen im 2. Lauf als Aerni am Vortag. Von Platz 30 geht es für ihn auf Rang 3. Es ist eine Aufholjagd, wie sie im Weltcup erst dem Schweden Mattias Hargin gelungen ist.
Alles Glück der Slalomwelt
Simonet hat dabei auch alles Glück der Slalomwelt. Mit einer Hundertstel Vorsprung auf den Kanadier Erik Read schafft er es als Letzter in den 2. Lauf. Als sich der 25-jährige Bündner dann abstösst aus dem Starthaus, ist der Untergrund noch eben, «ich konnte meine Linie fahren», sagt er. Es ist ein Privileg, das nicht viele haben an diesem lauen Tag in den Savoyen.
Simonet nutzt die Ausgangslage, setzt eine Zeit, an der Konkurrent um Konkurrent scheitert. Bis er, der es bislang erst einmal in die Top 10 schaffte im Weltcup, eine Stunde später neben den Slalomgrössen Zenhäusern und Kristoffersen im Zielraum steht und ein «Yes» Richtung Betreuer und Kameras schreit.
![Rehabilitiert: Nur Henrik Kristoffersen kann die beiden Schweizer schlagen.](https://cdn.unitycms.io/images/4DpWOhbgq4tAsi0zB4UJQU.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=Lj_wASAzb4w)
Auch auf der anderen Seite der Werbebande herrscht Glückseligkeit. Doch der Jubel, der aus den Schweizer Kehlen durch die Masken emporsteigt in den klaren Himmel von Chamonix, dürfte dem einen oder anderen im Hals stecken bleiben.
Wer darf jetzt an die WM?
Denn Simonet sorgt mit seinem Exploit dafür, dass das Luxusproblem des Slalomteams nun noch ausgeprägter ist. Es ist noch nicht lange her, da hätten die Schweizer liebend gerne einen, oder besser noch zwei Stangenkünstler für einen Grossanlass nominiert, die die Vorgaben auch erfüllt haben. Nun haben das gleich sechs Athleten aus der Mannschaft von Matteo Joris geschafft und balgen sich um die vier Startplätze für die WM in Cortina d’Ampezzo, die am kommenden Montag startet.
Zweimal Top 15 oder einmal Top 7 lautete diese. Erreicht haben das:
• Zenhäusern, der derzeit konstant fährt wie keiner aus seinem Team und als grösste Hoffnung gilt. Am Sonntag kommt er mit den widrigen Pistenverhältnissen so gut zurecht wie kaum einer und steht zum dritten Mal in dieser Saison auf dem Podest.
• Loïc Meillard, der sich zur Schweizer Nummer 2 machte mit vier Top-10- und zwei elften Plätzen. Im zweiten Rennen von Chamonix fädelt er mit starker Zwischenzeit im 1. Lauf ein.
• Aerni, der seit dem Markenwechsel von Salomon- auf Fischer-Ski im Sommer aufblüht und sich kontinuierlich nach vorne arbeitet in der Startliste. Die 49 trug der Berner noch, als der Auftakt in Alta Badia anstand. Nun ist es schon die 20. Mit einem glänzenden ersten Lauf, der ihn auf Rang 4 führt, bestätigt er einmal mehr den Eindruck seines Trainers Joris, der schon vor der Saison von der wiederentdeckten Stärke des 27-Jährigen schwärmte.
Bleiben Daniel Yule, Tanguy Nef und Simonet.
• Yule hätte eigentlich der Teamleader sein sollen nach zwei Wintern, in denen er der drittbester Slalomfahrer überhaupt war. Doch der Walliser, der sich so sehr gefreut hatte auf den Januar mit dem dichtgedrängten Programm, muss beim Rückblick auf diesen Monat allerlei Niederlagen verkraften. Seit dem 7. Rang von Adelboden Anfang Januar schied er zweimal aus, wurde 22., 15. und 18. Für ihn spricht, dass er abschnittsweise immer wieder Glanzzeiten fährt. Es scheint also zumindest kein grundlegendes Problem zu geben beim 27-Jährigen. Zudem bringt er Erfahrung mit von Grossanlässen.
• Nef dagegen hat erst eine WM erlebt. In Are wurde er vor zwei Jahren 29. des Slaloms. Zuletzt zeigte die Formkurve des 24-Jährigen zudem nach unten, am Sonntag scheidet er im ersten Lauf aus.
• Und Simonet ist noch zu unbeständig, drei von neun Slaloms nur beendete er diese Saison. Mit seinem Coup ist er aber zumindest ein ernsthafter Aspirant auf einen Startplatz in der Kombination. Doch die WM dürfte für ihn an diesem Tag weit weg sein. Er gehört in Chamonix zur Weltspitze im Slalom. Die La Verte des Houches ist auch seine Zauberpiste.
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