Gespräche in GenfIst eine Waffenruhe im Sudan noch möglich?
In zähen Verhandlungen versuchen die USA, den mörderischen Konflikt in dem afrikanischen Land zu entschärfen. Eine Waffenruhe ist nicht in Sicht. Lassen sich dennoch Wege finden, Hunderttausende Menschen vor dem Verhungern zu bewahren?
Und nun rollen sie doch: Im Westen des Sudan haben Trucks mit Lebensmitteln für die hungernde Zivilbevölkerung vom Tschad aus die Grenze passiert, mitten hinein in das Kriegsgebiet. Das Welternährungsprogramm WFP zeigte Bilder von weissen Lastwagen am geöffneten Übergang Adré. Die WFP-Sprecherin Leni Kinzli in Nairobi bestätigt, dass die humanitäre Hilfe für Darfur nun in eine «sehr wichtige Phase» eintritt. Sie betont, dass der Fluss an Nahrungsmitteln unbedingt kontinuierlich aufrechterhalten werden müsse, um zu vermeiden, dass sich die Hungersnot weiter verbreitet. Dutzende Trucks stehen im Tschad bereit, um nach Darfur zu fahren.
Im Sudan haben 25 Millionen Menschen als Folge des Kriegs zu wenig zu essen, mehrere Hunderttausend sind akut vom Hungertod bedroht, vor allem Kinder. Eines der vorrangigen Ziele, die die Helfer des WFP für die kommenden Tage ansteuern, ist das Camp Morni in Westdarfur, ein Gebiet, in dem die Vertriebenen besonders stark an Hunger leiden.
Wie lange bleibt der Hilfskorridor noch offen?
Es bleibt allerdings ungewiss, ob die mühsam geöffnete Hilfspipeline in Gestalt grosser Konvois nach Darfur über Adré dauerhaft funktionieren wird. Mehrere Faktoren könnten die Helfer bald ausbremsen. Heftige Regenfälle und Überschwemmungen machen einige Routen schwer oder gar nicht passierbar. Ausserdem hat die von den sudanesischen Streitkräften (SAF) getragene Regierung den Übergang Adré nur temporär geöffnet, befristet auf drei Monate. Die SAF allerdings kontrollieren nur noch wenige Gebiete im Norden Darfurs, beherrschend in der Region sind deren Feinde: Einheiten der paramilitärischen, islamischen Miliz Rapid Support Forces (RSF).
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Die Kämpfe zwischen den beiden rivalisierenden Armeen haben den Sudan in die schlimmste Hungersnot der Gegenwart gestürzt. Insofern seien die Konvois nach Darfur von überragender Bedeutung, sagt Kenneth Bowen, Landesdirektor für den Sudan bei der deutschen Welthungerhilfe. Sollten die UNO-Lieferungen über Adré längere Zeit möglich sein, wäre das die wohl wichtigste Lebensader für die Notleidenden in Darfur.
Die Welthungerhilfe arbeitet darauf hin, eine gewaltige Zahl von Vertriebenen in überfüllten Camps rund um die Stadt Fashir zu versorgen. Im Camp Zamzam, wo sich nach Schätzungen mindestens 380’000, vielleicht sogar 500’000 Menschen zusammendrängen, sterben Kinder bereits in grosser Zahl, aktuelle Daten gibt es nicht.
«In Fashir etwa können wir gegenwärtig gar nicht arbeiten», sagt Bowen. Die Stadt wird seit Monaten von den RSF mit Artillerie beschossen, die islamische Miliz will den letzten grossen Stützpunkt der Armee in Darfur erobern. Hunderttausende Zivilisten können der Belagerung nicht entkommen, sie sind abgeschnitten vom Nachschub an Medizin und Nahrung.
Deshalb blicken Experten nun auch auf ein anderes Land, viertausend Kilometer nördlich von Darfur: die Schweiz. In Genf laufen seit mehr als einer Woche Gespräche über Wege, den Konflikt im Sudan zu entschärfen. Das Treffen findet auf Initiative der USA statt. Ihr Sudan-Sondergesandter Tom Perriello soll es richten. Die Grenzöffnung in Adré ist ein positiver Schritt, aber, sagt Perriello selbst, «es muss noch viel mehr geschehen», um die Lage im Sudan entscheidend zu verbessern.
Hauptakteure nicht am Verhandlungstisch
Die seit dem 14. August laufenden Gespräche hatten gleich zu Beginn einen starken Rückschlag erlitten, weil es nicht gelang, beide Hauptakteure des Kriegs, SAF, also die Armee, und RSF, die islamische Miliz, an einen Tisch zu bekommen. Angereist waren nur die RSF, die gerne die internationale Bühne nutzen, um ihr Image zu verbessern. Sie sind bekannt als äusserst brutale Miliz, ihnen werden die gezielte Verfolgung nicht arabischer Ethnien in Darfur und massive Gewalt gegen Frauen vorgeworfen.
Die SAF, gegen die ebenfalls Vorwürfe von Kriegsverbrechen erhoben werden, sind der Schweiz jedoch fern geblieben. Die Armee hält sich selbst für die legitime Autorität des Landes und will mit den RSF nicht reden. RSF-Führer Hemeti war einst Verbündeter von Armeechef Abdel Fattah al-Burhan, nun sind sie Erzfeinde.
Das Ziel, eine haltbare Waffenruhe zu besiegeln, ist trotz aller Anstrengungen nicht in Sicht. Auch der Versuch der USA, zwischenzeitlich mit einer Delegation der SAF in Kairo zusammenzutreffen, ist vorerst gescheitert. Perriello aber wird nicht müde, das spezielle Format der Schweizer Gespräche zu loben. Technische Experten treffen mit Vertretern von Nachbarländern des Sudan und mit Angehörigen der UNO zusammen, um Fragen der praktischen Hilfe zu lösen. Mit den RSF und den SAF tauschen sich die Teilnehmer unmittelbar über das Telefon aus. Der US-Gesandte versicherte noch am 19. August: «Wir bewegen uns aktiv voran, im Gespräch mit der Armee und den RSF, jeden Tag, tatsächlich jede Stunde.»
Am Freitag sollen die Gespräche enden – wenn keine Verlängerung beschlossen wird. Und falls keine Waffenruhe zustande kommt, möchte Perriello wenigstens erreichen, dass zwei weitere humanitäre Korridore geöffnet werden, einer im Norden und einer im Südosten. Das wären dann drei vorläufige, aber sehr wichtige Lebensadern für den vom Krieg zersetzten Sudan. Ungeachtet der Gespräche gingen die Bombardements, vor allem vonseiten der islamischen RSF, an mehreren Fronten weiter.
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