Schweizer an BordKreuzfahrtschiffe suchen verzweifelt nach Hafen
Noch immer irren Schiffe mit Hunderten Passagieren über die Weltmeere. Die Menschen an Bord haben wochenlang kein Land mehr betreten. Nun werden sie selbst im Kreuzfahrtmekka Florida abgewiesen.
Niemand will sie haben: Hunderte Passagiere auf der MS Zaandam gehören derzeit zu den meistgeächteten Menschen der Welt, darunter auch zehn Schweizer. Das Kreuzfahrtschiff der Holland America Line steuert den Hafen Port Everglades nördlich von Miami an, doch an Land dürfen die Passagiere dort vorerst nicht, denn an Bord sind knapp 200 Gäste und Mitarbeitende an Covid-19 erkrankt, vier sind bereits gestorben. Der Gouverneur von Florida weigert sich deshalb, die MS Zaandam anlegen zu lassen. Er sagt, Florida habe keine Kapazitäten, um andere Staatsangehörige zu behandeln, man müsse sich nun um die eigene Bevölkerung kümmern.
Der Staat verzeichnet derzeit 5500 bestätigte Coronavirus-Fälle mit 70 Todesopfern. Die Mehrheit der Infizierten lebt in Floridas Südosten, in der Region zwischen Miami, Fort Lauderdale und Palm Beach. Von dort gingen vor kurzem noch die Bilder der ausgelassenen «Spring Break»-Partys um die Welt – während auch vielerorts in den USA bereits Ausgangssperren galten, feierten viele Studenten noch völlig normal diese Semesterferientradition.
Mittlerweile hat auch Florida reagiert und die «Safer at Home»-Richtlinie ausgegeben. Diese «Zu Hause ist es sicherer»-Empfehlung ist aber keine Ausgangssperre, und ob Geschäfte noch offen sind oder nicht, hängt von den einzelnen Bezirken ab. Auf eine Regelung für den gesamten Staat hat Gouverneur DeSantis bisher verzichtet. Klar ist für ihn aber: Die infizierten Passagiere der Holland America Line will er nicht.
Auch jene des Schwesterschiffs MS Rotterdam haben in Fort Lauderdale bisher keine Erlaubnis zum Aussteigen erhalten. Auf diesem Schiff sollten sich keine Infizierten befinden, das Misstrauen ist aber gross, nachdem Holland America Line letzte Woche Dutzende gesunde Passagiere der Zaandam auf die Rotterdam evakuierte.
Die Menschen an Bord der Zaandam, darunter auch zehn Schweizer, sind seit dem 7. März auf dem Schiff unterwegs. Zu diesem Zeitpunkt waren die Grenzen in der Schweiz noch offen, verboten waren erst Veranstaltungen mit über 1000 Personen. In den USA kam die Pandemie erst langsam im Bewusstsein der Bevölkerung an. Die Zaandam startete ihre Reise in Argentinien, doch nach dem Kap Hoorn und der Magellanstrasse erhielt das Schiff keine Anlegeerlaubnis mehr. Am 15. März waren die Passagiere letztmals an Land, am 22. März meldeten die ersten an Bord Symptome.
Mit einer Spezialgenehmigung durfte die Zaandam letzte Woche durch den Panamakanal Richtung Florida fahren, mittlerweile sind knapp 200 Menschen an Bord infiziert, insgesamt 1200 Passagiere sollen sich auf dem Schiff befinden. Wie viele auf die Rotterdam evakuiert wurden, ist aber nicht klar. Beiden Schiffen fehlte bislang die Erlaubnis, ihre Gäste in Fort Lauderdale an Bord zu lassen.
Passagiere bitten um Hilfe
HAL-Präsident Orlando Ashford appellierte an die Verantwortlichen, die Passagiere menschenwürdig zu behandeln. «Die Leben dieser Leute sind in Gefahr», sagte er am Montag. Und auch die Gäste schicken Botschaften an den Gouverneur von Florida und bitten diesen um humanitäre Hilfe. Passagiere hätten ihr Leben verloren, weil das Schiff seit Wochen nicht mehr anlegen dürfe und die Infizierten keine Behandlung erhielten, schreibt etwa Laura Gabaroni Huergo. «Diese Staaten, welche das Schiff fortschickten, haben nun Blut an ihren Händen. Bitte lassen Sie unser Schiff anlegen.»
Dean Trantalis, der demokratische Bürgermeister von Fort Lauderdale, sorgt sich aber vielmehr um seine Bevölkerung. Zu viele hätten schon Covid-19, mehr Ansteckungsgefahr wolle man schlicht nicht. Tatsächlich waren die ersten Infizierten im Südosten Floridas Angestellte von Kreuzfahrtgesellschaften, welche Passagiere nach dem Ende ihrer Reise an Land begrüssten.
Wie es mit den Passagieren der MS Zaandam und Rotterdam nun weitergeht, ist noch offen. Mittlerweile hat sich der republikanische Senator Rick Scott aus Florida eingeschaltet, um eine Lösung für die «herzzerreissende Situation» der Menschen an Bord zu finden, mit der man auch die Bevölkerung schützen könne. Gouverneur DeSantis hat zudem das Weisse Haus um Unterstützung gebeten.
Glück für Weltreisende
Weniger Berührungsängste hat Australien gezeigt. In Perth durfte die MV Artania mit über 800 deutschen Passagieren an Bord anlegen. Deutschland entsandte am Montag gleich vier Boeing-767-Flugzeuge, um seine Staatsangehörigen abzuholen. Die MS Artania war seit dem 21. Dezember 2019 auf einer Weltreise unterwegs; von Hamburg aus ging es rund um Südafrika durch den Indischen Ozean nach Asien. Nach Australien wäre das Schiff via Südsee, Panamakanal und die Karibik bis zum 9. Mai zurück nach Hamburg gesegelt.
Nachdem 9 Passagiere erkrankt waren und weitere 46 Symptome zeigten, wurde die Weltreise abgebrochen. Die Infizierten wurden in Perth in Krankenhäuser gebracht, die Verdachtsfälle befinden sich in 14-tägiger Quarantäne.
Die restlichen Passagiere wurden zusammen mit anderen in Australien gestrandeten Deutschen mit den vier entsandten Condor-Maschinen zurück in ihre Heimat gebracht.
Für viele andere Passagiere des deutschen Unternehmens Phoenix Reisen ist die Odyssee hingegen noch nicht beendet. Weil die Schiffe nirgends mehr andocken dürfen, fahren sie derzeit in ihre Heimathäfen zurück. Die Amadea fährt vom Panamakanal direkt nach Bremerhaven, die Albatros von Singapur aus, und die Amera wird am 4. April zurückerwartet.
Kreuzfahrtschiff in der Weltöffentlichkeit
Schon bevor die Corona-Pandemie Europa erreichte, waren die Augen der Welt auf ein Kreuzfahrtschiff gerichtet: Die Diamond Princess wurde Anfang Februar in Yokohama am Deboarding gehindert, die Passagiere mussten auf dem Schiff in Quarantäne bleiben. Nur die Infizierten wurden von Bord und in Spitäler gebracht, die letzten Crewmitglieder erst am 1. März. In der Quarantäne, die mittlerweile als grosser Fehler gilt, steckten sich 705 der 3700 Menschen an Bord an, 66 starben.
Auch andere Passagiere auf Kreuzfahrtschiffen erlebten Odysseen und Quarantänen, meist aber mit glimpflichem Ausgang. Die MS Braemar durfte letztmals am 8. März in Kolumbien andocken, danach verweigerten diverse Länder in der Karibik ein Anlegen des Schiffs. Am 18. März durften die Passagiere dann in Kuba von Bord. Das Land mit humanitärer Tradition hat auch bereits Ärzte in das Krisengebiet Italien geschickt.
Die Kreuzfahrtschiffe Silver Shadow und Silver Explorer lagen in Südamerika in Quarantäne, die Passagiere konnten aber bis zum 23. März alle von Bord und nach Hause fliegen. Über 2000 Gäste an Bord der Norwegian Jewel fuhren seit Ende Februar ab Australien durch die Südsee. Zwar gab es auf dem Schiff keine Erkrankten, trotzdem erhielt die Jewel aufgrund der sich ausbreitenden Pandemie in der Südsee keine Anlegeerlaubnis mehr. Erst am 25. März konnten die Passagiere nach langen Verhandlungen in Honolulu von Bord.
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