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Meinung

Parlamentswahlen in Kosovo
Das Volk verpasst Premier Albin Kurti eine kleine Ohrfeige

Kosovos Premierminister Albin Kurti spricht am 9. Februar 2025 bei der Vetevendosje-Parteizentrale in Pristina vor der Presse. Viele Mikrofone und Kameras sind auf ihn gerichtet.
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Er wollte einen Erdrutschsieg, dafür hat Albin Kurti seit Monaten um Stimmen geworben – von der kosovarischen Hauptstadt Pristina bis in die Schweiz, wo eine grosse Diaspora lebt. Das Wahlergebnis zeigt: Viele Kosovaren vertrauen nach wie vor dem bisherigen Premierminister und seiner linksliberalen Partei Vetëvendosje (Selbstbestimmung). Sie gewinnt über 40 Prozent der Stimmen und bleibt – wie erwartet – mit grossem Abstand stärkste Kraft im Parlament, büsst aber gemäss vorläufigen Ergebnissen die absolute Mehrheit ein. 

Die Euphorie, die vor vier Jahren allgegenwärtig war, als Kurti zum ersten Mal die Wahlen gewann, ist verflogen. Die Wählerinnen und Wähler haben Kurti jetzt eine kleine Ohrfeige verpasst. Um ein Kabinett zu bilden, braucht er nun höchstwahrscheinlich einen Koalitionspartner. Infrage kommt eine der drei Parteien der albanischen Bevölkerungsmehrheit, die nach Kriegsende 1999 ein Klüngel- und Klientelsystem aufgebaut haben.

Kurti wollte hier einen Schlussstrich ziehen. Mit seiner scharfen Rhetorik gegen die Korruption der alten Garde und beachtlichen Reformversprechen begeisterte er die Massen. Und weckte grosse Erwartungen. Zu grosse.

Grosskorruption gestoppt

Was ist ihm in der vergangenen Legislaturperiode gelungen? Kurti hat zwar die systemische und institutionelle Grosskorruption gestoppt – das bescheinigen ihm auch internationale Organisationen –, aber es gibt inzwischen genügend Hinweise darauf, dass auch Personen aus seinem Umfeld sich die Hände schmutzig machen.

Nach wie vor gelten die Schulen in Kosovo als die schlechtesten in Europa, obwohl Kurti jüngst beim WEF in Davos das Gegenteil behauptete. Namhafte Investitionen aus dem Ausland sind ausgeblieben. Wichtige Reformen im Justizbereich und in der öffentlichen Verwaltung stossen auf heftigen Widerstand der immer noch mächtigen alten Eliten. 

Kosovos Premierminister Albin Kurti feiert mit Unterstützern vor dem Regierungsgebäude in Pristina am 9. Februar 2025. Flaggen und Handys in der Menge sichtbar.

Mit einer irritierenden Verbohrtheit hat sich Kurti geweigert, unfähige Minister zu entlassen. Lieber umgibt er sich mit Jasagern, Abnickern und Mappenträgern als mit zielstrebigen Reformern. Sollte es ihm nun gelingen, eine neue Regierung zu bilden, muss er mit einer effizienten Mannschaft regieren und pragmatischer werden. Kosovo braucht einen echten Reformer, keinen Blender und Phrasendrescher, der häufig nur seine beeindruckende Belesenheit zur Schau stellt.

Spannungen mit Schutzmächten in Washington und Brüssel

In der Aussenpolitik wird Kurti vor erheblichen Herausforderungen stehen. Sein Verhältnis zu den Schutzmächten in Washington und Brüssel ist angespannt, seit er die illegalen Institutionen Serbiens vor allem im überwiegend serbischen bewohnten Norden des Landes entschieden zurückgedrängt hat. Aus Furcht vor einer Überreaktion Belgrads richtet sich der Druck des Westens primär auf den schwächeren Partner in Pristina.

Die Mehrheit der Kosovo-Albaner hingegen hält Kurtis Strategie für richtig: Erstmals seit dem Ende des bewaffneten Konflikts vor 25 Jahren wurde die Einfuhr der serbischen Währung Dinar verboten, lokale Serben wurden gezwungen, ihre illegalen Autokennzeichen abzumontieren, serbische Post- und Bankfilialen mussten schliessen, und nach einem terroristischen Überfall aus Serbien ging die Polizei auch gegen serbische kriminelle Gruppen vor.

Der eingefrorene Konflikt lähmt Serbien und Kosovo

Doch mit Machtdemonstrationen allein lässt sich ein Bekenntnis der serbischen Minderheit zum kosovarischen Staat nicht erzwingen. Der Westen verlangt, dass Kosovo den lokalen Serben noch grössere Autonomierechte gewährt. Hier sollte sich Kurti bewegen.

Allerdings muss sich auch der Westen bewegen und Belgrad dazu bringen, die längst ausgehandelte Vereinbarung über die indirekte Anerkennung der kosovarischen Unabhängigkeit zu unterzeichnen. Der eingefrorene Konflikt lähmt sowohl Serbien als auch Kosovo. 

Die Chancen auf eine baldige Einigung sind aus mehreren Gründen gering. Erstens steht Serbiens autokratischer Präsident Aleksandar Vucic seit Monaten innenpolitisch unter massivem Druck. Ein Unglück mit 15 Toten nach dem Einsturz eines Bahnhofsvordachs in Novi Sad hat zu landesweiten Protesten gegen die Korruption geführt. Solange Vucic um sein politisches Überleben kämpft, wird er nach aussen hin den starken Mann geben. 

Zweitens besteht durchaus die Gefahr, dass Kurti seinen konfrontativ-populistischen Stil fortsetzt. Er wolle eine Partnerschaft mit dem Westen, sagte er vor der Wahl, keine Unterwürfigkeit oder Feindschaft. 

Drittens füllt die von vielen Krisen überforderte EU ihre Rolle als Ordnungsmacht auf dem Balkan nicht aus. Schliesslich befürchten viele Beobachter Störmanöver aus Washington.

Die Demokratie funktioniert

Vor der Wahl rief Donald Trumps Gesandter für Sondermissionen, Richard Grenell, zur Abwahl Kurtis auf. Während Trumps erster Amtszeit wurde ein Gebietstausch zwischen Serbien und Kosovo in Erwägung gezogen. Kurti lehnte eine Grenzziehung entlang ethnischer Linien ab. Wird nun der alte Plan aus der Schublade geholt? Das könnte die ganze Region in Aufruhr versetzen.

Zunächst erwarten Kurti jedoch zähe Koalitionsverhandlungen. Trotz der Schwierigkeiten bei der digitalen Auszählung der Stimmen verlief der Urnengang insgesamt friedlich. Im Unterschied zu den autokratisch regierten Nachbarstaaten Serbien und Albanien bleibt Kosovo eine relativ gut funktionierende Demokratie – und durchaus progressiv.

Eine stockkonservative, schwulenfeindliche Islamistenpartei erhielt am Sonntag nur etwa zwei Prozent der Stimmen. Premier Kurti hatte deren Führer aus der Partei geworfen, als sie sich der rechtlichen Anerkennung homosexueller Paare widersetzten.