180’000 Unterschriften gesammeltKonzerninitiative in Rekordtempo am Ziel – folgt diesmal auch der Abstimmungserfolg?
Die Initianten für mehr Konzernverantwortung haben eine historische Bestmarke aufgestellt: 180’000 Unterschriften in zwei Wochen. Aber: Die Abstimmung ist noch nicht gewonnen.

- Für die Konzernverantwortungsinitiative kamen in 14 Tagen 183’661 Unterschriften zusammen.
- Das sind fast doppelt so viele, wie nötig sind – ein Rekord.
- Das Sammeltempo ist aber kein sicherer Indikator für einen Abstimmungserfolg.
Ganze 18 Monate hätten sie Zeit gehabt. Aber schon nach 14 Tagen haben die Initianten der zweiten Konzernverantwortungsinitiative fast doppelt so viele Unterschriften beisammen, wie nötig wären. Mit buntem Feuerwerk feierte das Komitee am Dienstag auf seiner Website den Erfolg: 183’661 Personen haben die Initiative bisher unterschrieben.
Die Konzernverantwortungsallianz aus Vertretern verschiedener politischer Lager, Unternehmerinnen und Aktivisten schlägt damit die drei Jahrzehnte alte – wenn man so will – Bestmarke der Kampfjetinitiative: Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee hatte ihr Volksbegehren nach 34 Sammeltagen bei der Bundeskanzlei eingereicht. Es waren ebenfalls rund 180’000 Unterschriften zusammengekommen.
Doch Marc Jost, Mitglied des Konzerninitiativkomitees, lässt sich nicht auf Rekordspekulationen ein: «Wir werden die Initiative einreichen, sobald genügend Unterschriften von den Gemeinden beglaubigt sind», sagt der EVP-Nationalrat. Dieser Prozess nehme erfahrungsgemäss «eine gewisse Zeit» in Anspruch.

Allerdings ist bei 180’000 Unterschriften der Erfolg so gut wie gewiss: Erfahrene Initianten rechnen mit einem Sicherheitspolster von 20’000 Unterschriften. Das sollte reichen, um trotz doppelt abgegebener und falscher Unterschriften auf die notwendigen 100’000 gültigen Unterschriften zu kommen.
Mitinitiant Jost erklärt den Sammelerfolg für die Konzerninitiative mit der «enormen» Unterstützung in der Bevölkerung. «Unzählige Menschen haben sich daraufhin gemeldet, um bei der Unterschriftensammlung zu helfen.» Bisher seien mehr als 10’000 Personen an rund 1000 Standaktionen im Einsatz oder hätten in ihrem Umfeld Unterschriften gesammelt.

Was Jost unerwähnt lässt: Es ist der zweite Anlauf der Kampagnenorganisation, die Abläufe und das Personal sind deshalb eingespielt, die Adresskartei der Unterstützer und Sympathisanten ist gefüllt und aktuell.
Initiative will Konzerne zur Verantwortung ziehen
Die Initiative zielt darauf ab, Schweizer Konzerne zu verpflichten, bei ihren Geschäften im Ausland Menschenrechte und Umweltstandards einzuhalten. Im Vergleich zur ersten Konzernverantwortungsinitiative, die 2020 am Ständemehr scheiterte, haben die Initianten den Text angepasst und auf einige besonders umstrittene Punkte verzichtet.
Laut Jost verzichtet das Komitee ganz auf finanzielle Anreize und hat keine Aufträge an kommerzielle Sammelfirmen vergeben.
Die Konzernverantwortungsinitianten sind also auch ohne bezahlte Unterschriften auf Rekordkurs. Aber: Ist das Sammeltempo auch ein Gradmesser für den Erfolg einer Initiative an der Urne?
Eher nicht, wenn man die Kampfjetinitiative als Massstab nimmt. Sie fiel 1993 mit nur knapp 30 Prozent Ja-Stimmen deutlich durch, die F/A-18 wurden gekauft.
Sammeltempo kein Erfolgsgarant
Die Frage wissenschaftlich untersucht hat der Politologe Hans-Peter Schaub von Année Politique Suisse. Er ist Co-Autor einer Studie zu Unterschriftenzahlen und zum Sammeltempo. Er sagt: «Das Sammeltempo ist nur ein Indikator für eine stärkere Medienresonanz. Es gibt aber keinerlei Hinweise auf die Höhe der Ja-Stimmen-Anteile und den Abstimmungserfolg.»
Aussagekräftiger ist laut dem Politologen die Zahl gesammelter Unterschriften: «Initiativen mit vielen Unterstützenden erzeugen im Schnitt intensivere mediale Debatten, mobilisieren mehr Stimmberechtigte und erzielen höhere Ja-Stimmen-Anteile.»
Aber, warnt Schaub: «Auch Anliegen mit hohen Unterschriftenzahlen reicht es am Ende nur sehr selten zu einem Abstimmungssieg.»
Dennoch hält es Schaub für sinnvoll, beim Sammeln aufs Tempo zu drücken. «Das hat sicher einen motivierenden Effekt. Auch das Medieninteresse wird dadurch geweckt, wie ja auch Ihre Anfrage zeigt.» Anderseits könne es sich dann natürlich negativ auf eine Kampagne auswirken, wenn das ehrgeizige Ziel nicht erreicht werde.
Ein hohes Sammeltempo hat einen weiteren wichtigen Vorteil: Die teure Kampagnenorganisation muss nicht über anderthalb Jahre aufrechterhalten werden, sondern kann bereits damit beginnen, die Strategie für die Behandlung der Initiative im Parlament und in der Abstimmung vorzubereiten.
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