Konkurrenz für Google ChromeDas taugt der gehypte Arc-Browser wirklich
Ein Start-up aus New York glaubt, das Surfen neu erfinden zu können. Nun ist die erste Version seines Programms da. Wir haben es getestet und sagen, ob es hält, was es verspricht.
Ist es Selbstüberschätzung oder Chuzpe? Ein Start-up aus New York, mit sechzig Mitarbeitern und 18 Millionen Risikokapital im Rücken, will Google in die Schranken weisen. Es geht zwar nur um ein Nebengeschäft des Suchmaschinenkonzerns – aber immerhin: The Browser Company verspricht nicht weniger als einen «besseren Weg, um das Internet zu nutzen», und legt sich dafür mit dem Chrome-Browser an.
Google dominiert das Web mit seinem Surfprogramm. Der Marktanteil ist jüngst zwar geschrumpft. Er betrug laut dem deutschen Datensammler Statista im Juli 63 Prozent. Der Rückgang um etwa 10 Prozentpunkte seit November 2018 ist vor allem Microsofts aggressiver Strategie geschuldet, mit der der Softwareriese den Windows-Nutzern seinen Edge-Browser schmackhaft macht.
Die Waffe gegen Chrome heisst Arc. Das ist der Browser von The Browser Company, der Ende Juli in der Version 1.0 für den Mac erschienen ist (kostenlos unter arc.net). Eine Betaversion für Windows ist in Arbeit, sie soll Ende Jahr verfügbar sein. Dieser Browser macht aus seinen Ambitionen keinen Hehl: Beim ersten Start präsentiert er ein pompöses Intro, in dem uns ein «Wiedersehen mit dem Internet» versprochen wird. Bevor das erfolgt, muss allerdings ein Benutzerkonto angelegt werden.
Alles ist anders – und trotzdem einleuchtend
Doch dann gibt es tatsächlich eine Überraschung. Arc sieht anders aus als alle anderen Browser. Die Leiste am oberen Rand fehlt, sie befindet sich am linken Rand. Das leuchtet sofort ein: Da Bildschirme typischerweise ein Querformat haben, Websites sich aber in die Länge ziehen, ist mehr von den Inhalten zu sehen. Eine zweite Besonderheit ist indes noch wichtiger: Arc kümmert sich um den «Browser Clutter». Das ist die Informationsflut, die durch viele offene Reiter ausgelöst wird. Eine Untersuchung der Aalto-Universität in Finnland hat im Mai ergeben, dass das 57 Prozent der Teilnehmer als Problem ansehen, während fast 25 Prozent sich ernsthaft gestresst fühlen.
Und so funktioniert das Mittel gegen den «Browser Clutter»: Offene Reiter werden nach einer gewissen Zeit automatisch geschlossen – wie lange sie Schonfrist geniessen, legen Sie in den Einstellungen fest. Für Reiter, die nicht archiviert werden sollen, gibt es einen Bereich in der Seitenleiste: Ziehen Sie sie aus dem unteren Bereich über die graue Linie, dann bleiben sie offen, bis Sie sie schliessen. Wenn Sie sie ganz nach oben ziehen, dann werden sie angeheftet und sind immer sichtbar, auch dann, wenn Sie den «Space» wechseln.
Spaces sind Bereiche für unterschiedliche Tätigkeiten. Mit ihnen trennen Sie private und berufliche Dinge oder richten eine Umgebung für Projekte oder Aufgaben ein. Der Clou ist nun, dass Sie zwar einfach zwischen den Spaces wechseln können – nämlich, indem Sie mit zwei Fingern horizontal über das Touchpad wischen –, aber in einem Space nicht abgelenkt werden. Wenn Sie Facebook und Instagram in einen eigenen Space verbannen, dann sind diese Reiter in Ihrer Arbeitsumgebung unsichtbar. Da Sie jedem Space eine eigene Farbe zuweisen können, ist immer klar, wo Sie sich befinden.
Mich hat das auf Anhieb überzeugt. Bei Chrome, Edge und Firefox passiert es mir häufig, dass ich in all meinen Reitern die wichtigen übersehe – und beim Aufräumen auch Websites schliesse, die ich noch gebraucht hätte. Dennoch braucht es eine Zeit, um die Funktionsweise zu verinnerlichen.
Google hat gut lachen
Es gibt auch einige Haare in der Suppe. Es gibt Arc bislang nicht auf Deutsch. Damit der Browser nicht ständig deutsche Websites übersetzen will, müssen Sie unter «Settings» bei «Language» Deutsch hinzufügen. Arc existiert auch nicht fürs Smartphone; es gibt lediglich die Companion-App fürs iPhone, die die Spaces und die geöffneten Reiter auflistet. Das dickste Haar ist allerdings, dass Arc die gleichen Wurzeln hat wie der Chrome-Browser. Er basiert auf Chromium, dem Open-Source-Kern, der auch in Googles Browser steckt. Damit ist er von Google abhängig – und das ist keine gute Ausgangslage, um Chrome aus dem Markt zu drängen.
Trotzdem: Ausprobieren lohnt sich! Es gibt noch viele weitere Dinge zu entdecken, insbesondere die Befehlsleiste, die mit dem Tastaturkürzel «Command» + «t» geöffnet wird und zum Öffnen von Webadressen genauso genutzt werden kann wie für den Zugriff auf Lesezeichen oder auf Menübefehle.
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