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Manipulation des Klimas
Mit Diamantenstaub die Erde kühlen?

Spectacular afternoon view of the distant buttes and mesas of Monument Valley just beyond the Goosenecks of the San Juan river from Muley Point viewpoint, Utah, Southwest USA.
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In Kürze:
  • Es ist ungewiss, ob wir es schaffen, die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erfüllen.
  • Forschende der ETH Zürich untersuchen verschiedene Optionen, um die Sonnenstrahlung zu manipulieren und die Erde vorübergehend künstlich zu kühlen.
  • Die Forschenden warnen aber auch vor ökologischen Risiken durch solche Methoden.
  • Forschende fordern deshalb internationale Regeln und transparente Forschung, um solche umstrittenen Eingriffe umfassend zu bewerten und durchzuführen.

Sandro Vattioni will für den schlimmsten Fall vorbereitet sein. Der Klimaforscher und Postdoktorand an der ETH Zürich spricht von «düsteren Aussichten». Er meint damit die Treibhausgaskonzentration, die in der Atmosphäre noch immer Jahr für Jahr ansteigt. Und es gibt keine Anzeichen, dass die globalen Emissionen durch die Verbrennung fossiler Energie in den nächsten Jahren drastisch sinken. Das sei für ihn ein Grund, nach möglichen Wegen zu suchen, um das Klima vorübergehend künstlich abzukühlen – bis die Emissionen auf null sein würden und es Techniken gäbe, die genügend Treibhausgase aus der Atmosphäre entfernen könnten.

So untersucht Vattioni die stratosphärische Injektion von Aerosolen, kurz SAI. Konkret heisst das: Die Stratosphäre wird in einer Höhe zwischen 10 und 20 Kilometer mit Millionen Tonnen kleinster Partikel «geimpft», die einen Teil der Sonnenstrahlung in den Weltraum reflektieren. So wird auf der Erdoberfläche ein kühlender Effekt erzielt.

Experimente dazu gab es bisher nicht, zu riskant sind solche Eingriffe nach heutigem Wissen. Vorbild ist die Natur: Der Ausbruch des Pinatubo 1991 hat gezeigt, dass diese Methode funktionieren könnte.

2A3H5C0 Philippines, Luzon Island, Zambales, Eruption of Pinatubo Volcano seen from the sky in 1991 (aerial view)

Der philippinische Vulkan spuckte damals gigantische Mengen des Gases Schwefeldioxid in die Stratosphäre. Schnell verteilte sich das Gas mit der globalen Luftströmung rundum die Erde. Der Effekt: Schwefelsäurepartikel, die sich aus dem Schwefeldioxid bildeten, kühlten die Erdoberfläche ab. Aufgrund dieser Erkenntnis schlug der holländische Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen 2006 in einem provokanten Essay vor, die Erderwärmung durch technische Massnahmen zu bremsen. Dieses Manipulieren des Klimas ist seither unter dem Begriff Geo- oder Klima-Engineering zusammengefasst. 

Gefährliche Injektionen von Schwefeldioxid

«Vor 20 Jahren war Forschung zu diesem Thema ein Tabu», sagt ETH-Forscher Sandro Vattioni. Aber inzwischen wurden zahlreiche Verfahren angedacht, wie der Mensch gezielt in den Strahlungshaushalt eingreifen könnte. Bis heute wird der stratosphärischen Injektion von Schwefeldioxid das grösste Potenzial zugeschrieben. Allerdings: Die Forschenden wissen, wie gefährlich solche Injektionen sein können: Die Schwefelpartikel erwärmen lokal die Stratosphäre, schwächen die Ozonschicht und könnten Klima- und Niederschlagszonen auf der Erde verschieben. 

Sandro Vattioni und andere Forschende haben nun in einem Klimamodell sieben Alternativen zu Schwefeldioxid untersucht, die die Umwelt weniger belasten. Neben Aluminium- und Kalzitpartikeln käme unter anderem auch Diamantenstaub infrage.

Das Besondere an der Studie: Das Team modellierte auch physikalische Prozesse, die für den Kühlungsprozess nachteilig sind und bisher nur wenig erforscht wurden. Dazu gehört die Sedimentation, die bestimmt, wie lange die Partikel in der Atmosphäre bleiben, bevor sie ausgewaschen werden. Ebenso wichtig ist, wie stark sich die Partikel verklumpen. Klumpen reflektieren Sonnenstrahlung weniger effizient als runde Partikel.

Fünf Millionen Tonnen Diamantenstaub

Die Forschenden fanden schliesslich einen Favoriten unter den untersuchten Partikeln. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im renommierten Fachmagazin «Geophysical Research Letters». Am besten schnitt Diamantenstaub ab. Die ultrafeinen Partikel reflektieren die Sonnenstrahlung am stärksten, verklumpen nicht und erwärmen die Stratosphäre nur minim.

Allerdings: Jedes Jahr müssten fünf Millionen Tonnen Diamantenstaub in die Stratosphäre ausgebracht werden, zum Beispiel durch ein Höhenflugzeug, sagt Vattioni. Dann sei eine Abkühlung der Atmosphäre um 1,6 Grad möglich. «Die Produktion synthetischer Diamanten müsste enorm gesteigert werden», sagt der ETH-Forscher.

Und die Kosten wären enorm: Etwa 500’000 Dollar pro Tonne synthetischer Diamantenstaub, heisst es in einem Beitrag in der Zeitschrift «Science Magazine».

Fragwürdige Methode

Allein schon die Vorstellung, dass Jahr für Jahr die Atmosphäre mit Millionen Tonnen Partikeln geimpft würde, macht solche Methoden fragwürdig. Würde Sandro Vattioni nach seiner Studie einen Feldversuch wagen? «Auf keinen Fall, dafür gibt es zu viele ökologische Unsicherheiten», sagt er.

Für Sonia Seneviratne, ETH-Klimaforscherin und Vizevorsitzende beim Weltklimarat IPCC, können solche Abkühlungsmethoden keine Lösung sein. Solche künstlichen Eingriffe, um die Sonnenstrahlung zu manipulieren, hätten grundsätzlich einen anderen Effekt als die Reduktion der Emissionen der Treibhausgase: Bei der globalen Erderwärmung durch den Menschen sind die Pole einer besonders starken Erwärmung ausgesetzt. Bei einer Abschwächung der solaren Einstrahlung hingegen sind vor allem die Tropen betroffen. «Ausserdem könnte sie den Monsunregen reduzieren, was zur Trockenheit in den Tropen führen könnte», sagt Sonia Seneviratne. 

Ergibt es bei solchen grossen Risiken überhaupt Sinn, in die Forschung zu investieren? «Die Forschung ist auf jeden Fall sinnvoll», sagt Sandro Vattioni. Denn es gehe ja um die Abwägung der Klimarisiken mit oder ohne Einsatz solcher Technologien. Er befürchtet ausserdem, dass einzelne Staaten unter Umständen bereit sein könnten, das Risiko einzugehen und auf die Methode der stratosphärischen Aerosolinjektion zu setzen, wenn die Folgen des Klimawandels für sie nicht mehr tragbar seien.

Wie dringend sind politische Regeln?

Ein Forschungsverbot, wie es auch schon gefordert wurde, hält Vattioni für falsch. «Ich empfehle eine transparente, öffentliche Forschung anstelle eines Forschungsverbots, das wahrscheinlich zu Forschung im Geheimen führen würde», sagt er. Dringend nötig seien deshalb politische Regeln, die weltweit gälten, um die Forschung und einen möglichen Einsatz dieser Methode zu regulieren.

So forderten Hunderte weltweit namhafte Forschende im letzten Jahr internationale und transparente Forschung, um künstliche Eingriffe in die Sonneneinstrahlung ausgewogen bewerten zu können. Unterzeichnet haben diesen Brief auch zahlreiche renommierte Forscherinnen und Forscher aus der Schweiz.

Für die Unterzeichnenden ist nicht auszuschliessen, dass die Menschheit angesichts der schweren Klimakrise doch noch über den Einsatz solcher künstlicher Eingriffe entscheiden muss. Dafür braucht es ausreichende wissenschaftliche Grundlagen. Es sei deshalb eine moralische Verpflichtung der Gesellschaft, sich an dieser Forschung zu beteiligen.

Eine andere Hundertschaft von Forschenden geht in einem offenen Brief einen Schritt weiter und will die Entwicklung von Technologien im Bereich des Solar-Geoengineering auf globaler Ebene verbieten. 

Wer übernimmt die Verantwortung?

Der Einsatz dieser Methode sprengt den Rahmen der Wissenschaft. Hier stehen nicht nur ökologische Fragen im Fokus, sondern auch politische und moralische. Zum Beispiel: Wer bringt die Partikel in der Stratosphäre Jahr für Jahr aus? Wer übernimmt die Verantwortung, wenn das Experiment schiefläuft und zu ökologischen Schäden führt? Was passiert, wenn ein Staat eigenmächtig die umstrittene Methode anwendet? Was, wenn mit Injektionen begonnen und aus politischen Gründen ein weiterer Einsatz abgebrochen wird.

Ökologisch gibt es zu letzterer Frage bereits Untersuchungen im Fachmagazin «Nature Ecology & Evolution»: Bei einem abrupten Stopp der Injektionen, könnte es innert weniger Jahren zu einer starken zusätzlichen Erderwärmung kommen, auf die Pflanzen und Tiere nicht vorbereitet wären. «Die Injektionen haben  keinen Einfluss auf die CO2-Konzentration, die weiter zunehmen würde», sagt Sonia Seneviratne. Damit würde die Hauptursache des vom Menschen verursachten Klimawandels nicht verschwinden.

Für die ETH-Klimaforscherin ist die Frage nach einer künstlichen Abkühlung obsolet: »Die Reduktion der CO2-Emissionen ist jetzt möglich und sogar preiswert, da die erneuerbaren Energien viel billiger geworden sind.»

Bis heute greifen die Massnahmen dafür aber zu kurz. Ein Klimaziel der Pariser Vereinbarung ist, die Erwärmung der Erdoberfläche um mehr als 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit abzuwenden. Von diesem Ziel sind wir noch weit entfernt. So bleibt die Frage offen, ob der Mensch die Emissionen genug schnell senken kann – und wer die Verantwortung für die Klimarisiken übernimmt, wenn das Ziel nicht erreicht wird.     

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