Klimawandel in Zürich40 Massnahmen gegen den Hitzestau in der Stadt
Mit mehr Bäumen, mehr Schatten und weniger Asphalt kämpft Zürich gegen die Hitze in der Stadt. Doch es gibt Zielkonflikte – und eine Überraschung.
Tropennächte sind in diesem Sommer in Zürich bisher ausgeblieben. Das ändert allerdings nichts daran, dass sich Städte tagsüber überdurchschnittlich erwärmen und nachts unterdurchschnittlich abkühlen. Dieser Wärmeinseleffekt führt dazu, dass dicht bebaute Stadtgebiete auch in Zürich in den Sommermonaten überwärmt sind.
Das stellt die Stadt angesichts steigender Temperaturen vor Herausforderungen. Der Stadtrat hat deshalb 2020 eine Fachplanung zur Hitzeminderung verabschiedet. Im Juni präsentierte er den Bericht über die Bilanz der ersten vier Jahre.
Demnach wurden bisher rund 40 Massnahmen zur Verbesserung des Stadtklimas umgesetzt oder in die Wege geleitet, wie Gesundheitsvorsteher Andreas Hauri vor den Medien sagte.
«Bäume sind die effizienteste Klimaanlage»
Im Bericht zur Sprache kommen etwa die Begrünung der Fassade des Triemli-Hochhauses oder jene der Schulhäuser Schütze im Kreis 5 und Gabler in der Enge. Erwähnt werden aber auch der Versuch mit einer künstlichen Nebelwolke zur Kühlung des Turbinenplatzes im Kreis 5 und der Test mit mehr als 60 verschiedenen Bodenbelägen zur Minderung der Sommerhitze in Oerlikon.
Als besonders wirksame Massnahme zur Abkühlung gelte das Pflanzen von Bäumen, sagte Hauri. «Bäume sind die effizienteste Klimaanlage.» Aber die Umsetzung sei in einer gebauten Stadt oft nicht einfach, weil es im Untergrund wenig Platz für Wurzelwerk und Bewässerung gebe.
Fördermittel für Private
Überlegungen zur Hitzeminderung seien heute fest in den Arbeitsalltag der städtischen Planung integriert, versicherte Hauri. Allerdings brauche es Zeit, bis die Massnahmen im Stadtbild sichtbar und wirksam würden. Dies wegen teils langen Planungsphasen und weil Bäume erst nach Jahren eine namhafte Wirkung bezüglich Hitzeminderung entfalten.
Massnahmen zur Verbesserung des Stadtklimas sind laut Hauri eine Gemeinschaftsaufgabe. Es gehe darum, private Immobilienbesitzerinnen und -besitzer zu motivieren, damit sie ihre Gebäude mit Begrünung und Beschattung «klimafit machen». Dafür sollen sie künftig von der Stadt unter bestimmten Bedingungen finanzielle Unterstützung erhalten. Für ein entsprechendes Förderprogramm hat der Stadtrat 28 Millionen Franken bewilligt, wie Hauri sagte.
Tiefbauvorsteherin Simone Brander erinnerte an die sogenannten Schwammstadtprojekte. So hat die Stadt die Giessereistrasse im Kreis 5 so umgestaltet, dass im Sommer Regenwasser nicht abgeleitet wird, sondern in grosse Baumrabatten fliesst, wo es langsam verdunsten kann. Ganz in der Nähe wurden an der Heinrichstrasse fast fünfzig neue Bäume gepflanzt und ein breiter Streifen mit Kies statt Asphalt belegt. Dank mehr Grünflächen und einem Wassermanagementsystem könnten die Folgen von Hitzewellen gemildert werden, sagte Brander. Ganz nebenbei werde auch die Lebensqualität in den Quartieren erhöht.
Dass es noch Nachholbedarf gibt, zeigte der Fall eines frisch angelegten Kiesplatzes in Wiedikon, der für kritische Reaktionen sorgte. Branders Tiefbauamt beschwichtigt: Es handle sich um eine Übergangslösung, es gebe ein Folgeprojekt mit mehr Grün – in ein paar Jahren.
Besorgt über Baumverlust
Auch Brander wies auf Zielkonflikte hin. Hitzemindernde Massnahmen stünden oft in Konkurrenz mit anderen Ansprüchen an den öffentlichen Raum. Beim Pflanzen von Strassenbäumen müsse etwa auf die Verkehrssicherheit und auf Leitungen im Untergrund Rücksicht genommen werden. Bei der Entsiegelung asphaltierter Flächen müssten die Hindernisfreiheit, der Grundwasserschutz und der Unterhalt beachtet werden.
Besorgt zeigte sich die SP-Stadträtin über den Baumverlust: Die Kronenfläche der Zürcher Stadtbäume habe in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen, was unter anderem mit der regen Bautätigkeit und Naturereignissen zusammenhänge. Um den Trend zu stoppen, hat die Stadt im vergangenen Oktober einen Aktionsplan angekündigt.
Die kühlende Nebelwolke auf dem Turbinenplatz wird laut Brander nicht mehr in Betrieb gehen. Der Test habe zwar wertvolle Erkenntnisse zum Kühleffekt von künstlichen Wolken ergeben und sei bei der Bevölkerung laut einer Umfrage gut angekommen. Dennoch werde der Pilotversuch nicht verlängert.
Auch bei städtischen Hochbauprojekten würden hitzemindernde Massnahmen konsequent mitgedacht und eingeplant, sagte Stadtrat André Odermatt. Begrünung, Beschattung und Entsiegelung wirkten besonders effizient gegen hohe Temperaturen. Für den langfristigen Erfolg der Hitzeminderung brauche es allerdings entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen auf allen Ebenen.
130 Millionen Franken bis 2035
Wie aus dem Bericht weiter hervorgeht, hat die Stadt in den vergangenen vier Jahren mehrere Millionen Franken für hitzemindernde Massnahmen aufgewendet. Eine exakte Erfassung der Kosten sei allerdings schwierig. Dies auch darum, weil Entsiegelungen und Baumpflanzungen etwa im Rahmen von Neubau- und Sanierungsprojekten umgesetzt würden, wodurch die entstandenen Kosten teilweise nicht vom gesamten Projekt separiert werden könnten.
Dass die Stadt Geld für hitzemindernde Massnahmen ausgeben kann, haben die Stimmberechtigten im vergangenen September beschlossen. Damals sagten sie Ja zum Gegenvorschlag zur «Stadtgrün»-Initiative, womit der Stadt bis 2035 insgesamt 130 Millionen Franken für mehr Bäume, das Entsiegeln von Asphaltflächen oder begrünte Fassaden zur Verfügung steht.
Am kommenden 22. September steht in Zürich bereits die nächste Klima-Abstimmung an. Dann können sich die Stimmberechtigten zu den Gegenvorschlägen der Stadtklima-Initiativen äussern.
Dieser Artikel erschien am 24. Juni 2024.
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