Kommentar zur KlimakriseFür Verzweiflung ist die Lage viel zu ernst
Wetterextreme wie das Hochwasser in Osteuropa weisen auf die eskalierende Klimakrise hin. Übersehen wird oft, dass es auch positive Entwicklungen gibt.
Für Leute, die sich gern mit wohligem Gruseln in Apokalypse-Gefühle hineinsteigern, ist stimmungsvolles Bildmaterial in diesem Jahr – mal wieder – nicht schwer zu finden. Üble Feuer im Amazonas-Regenwald, in Griechenland brennende Wälder bis in Vororte von Athen hinein. In Südostasien hinterliess der Taifun Yagi eine Schneise der Verwüstung. Im Süden Afrikas Dürre, katastrophale Überschwemmungen im Westen. Und jetzt auch noch das Hochwasser vor allem in Tschechien, Österreich und Polen.
Dass Wetterextreme häufiger werden, war lange absehbar, inzwischen zeigt es sich auch deutlich in den Daten. Der Trend geht zum Prinzip Ketchupflasche: erst lange nichts, dann zu viel auf einmal. Wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit speichern, aber auch mehr davon auf einmal wieder abgeben. Die Folge sind längere Trockenphasen und dazwischen stärkere Niederschläge. Auch das trocken-heiss-windige Feuerwetter, das Waldbrände begünstigt, ist heute häufiger als früher. Bei Hitzewellen ist der Zusammenhang von Extremen und Klimawandel ohnehin offensichtlich.
Wenn man bedenkt, wie lächerlich inadäquat alles ist, was der Menschheit bislang dazu einfällt, kann man leicht in Verzweiflung geraten: Der globale Kohleverbrauch hat 2023 einen neuen Allzeitrekord erreicht, das darf doch wohl nicht wahr sein. Ist es aber.
Trends zeigen in die richtige Richtung
Und jetzt? Hinschmeissen? Realität verleugnen? So kann man es sehen. Aber es gibt auch eine andere Perspektive: Viele Trends zeigen trotz allem in die richtige Richtung. Die Emissionen könnten in wenigen Jahren zu sinken beginnen, erneuerbare Energien sind günstiger denn je.
Lange musste man 4 Grad Temperaturanstieg und mehr zum Ende des Jahrhunderts befürchten, inzwischen ist die Welt auf etwa 2,7-Grad-Kurs. Das ist immer noch übel und äusserst riskant in Anbetracht drohender Kippprozesse. Aber noch etwas Anstrengung, etwas Zusammenarbeit, ein paar versprochene Ziele einfach mal einhalten, und die eigentlich anvisierten 2 Grad wären in Sichtweite – damit wäre die Krise deutlich besser beherrschbar. Das sollte wirklich zu schaffen sein.
Es liegt aber in der Natur der Sache, dass erfolgreicher Klimaschutz nicht mit Verbesserungen belohnt wird, sondern allein mit dem Ausbleiben von Schlimmerem. Extreme werden so oder so weiter zunehmen – nur eben weniger, wenn die Welt ihre Emissionen in den Griff bekommt. Dann wird man sich zwar nicht über stabileres Wetter freuen können, aber wenigstens über Dinge wie saubere Luft, weniger Verkehrslärm und eine halbwegs planbare planetare Zukunft.
Opferzahlen gehen zurück
Umso wichtiger ist es, mit Extremen aller Art umgehen zu lernen. Das klappt zumindest in Europa gar nicht so schlecht. Man kann die Folgen in Grenzen halten, jedenfalls in reichen Staaten mit einigermassen handlungsfähiger Verwaltung. Sie auch in armen, korruptionsgeplagten Ländern zu verringern, bleibt eine grosse Aufgabe für die internationale Gemeinschaft. Trotzdem gibt es auch weltweit Fortschritte. Während wetterbedingte Katastrophen in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter zugenommen haben, sind die Opferzahlen zurückgegangen.
Jedes Opfer ist eines zu viel, und die Herausforderungen werden nicht kleiner. Da gibt es also noch genug zu tun, sowohl im Klimaschutz als auch in der Anpassung an die neuen Realitäten. Für Pessimismus aber ist die Lage wirklich zu ernst.
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