Extremwetter in OsteuropaKnapp zwei Millionen Menschen von Unwettern betroffen
Seit Tagen kämpfen Menschen in Mittel- und Osteuropa mit Extremwetter. In einigen Regionen entspannt sich die Lage inzwischen.
Das Sturmtief «Anett», international «Boris» genannt, hatte in Österreich und in Teilen Tschechiens, Polens und Rumäniens seit Freitag für sintflutartige Regenfälle und Überschwemmungen gesorgt. Nach Angaben von EU-Kommissar Janez Lenarcic waren zwei Millionen Menschen von den Überschwemmungen betroffen. In Österreich kamen bislang fünf Menschen ums Leben und jeweils sieben in Polen und Rumänien. Insgesamt liegt die Zahl der Todesopfer in den Hochwasser-Gebieten in Mittel- und Osteuropa bei mindestens 23 Personen.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will am Donnerstag in ein Hochwassergebiet in Polen reisen und dort mit Spitzenpolitikern der von den Überschwemmungen betroffenen Ländern sprechen. Dabei dürfte es nicht zuletzt auch darum gehen, wie viel Geld die EU bei der Beseitigung der Schäden beisteuern wird.
Situation in Österreich
In Österreich sind noch Zehntausende Einsatzkräfte mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Im besonders betroffenen Bundesland Niederösterreich sind 18 Orte noch immer nicht oder nur schwer zu erreichen. Die Polizei berichtete von Dieben und von Betrügern, die Hochwasser-Betroffenen Dienstleistungen zu überhöhten Preisen angeboten hätten. «Unglaublich, wie schnell Kriminelle die Notlage von Geschädigten ausnutzen», sagte ein Polizeisprecher.
Im öffentlichen Verkehr entspannt sich die Lage: Die wichtige Bahnstrecke von Wien Richtung München ist wieder eingeschränkt zu befahren und in Wien sind die U-Bahnen wieder in Betrieb. Die Regierung in Wien stellte für den Wiederaufbau 45 Millionen Euro aus einem Katastrophenfonds zur Verfügung.
Trotz sinkender Pegel wurde die gesamte Donau für den Schiffsverkehr gesperrt. Auch viele Strassen und Zugstrecken sind weiter gesperrt. Die österreichische Bahn rät bis einschliesslich Donnerstag von nicht unbedingt notwendigen Reisen ab.
Plünderungen in Tschechien
Im tschechischen Nordböhmen unweit der Grenze zu Sachsen blickten die Menschen noch mit Sorge auf die Elbe. In Usti (Aussig) sollen Barrieren und Sandsäcke das Stadtgebiet schützen. Im Osten des Landes begannen die Aufräumarbeiten.
Vielerorts bot sich den Helfern ein Bild der Zerstörung. Schlammmassen drangen in Geschäfte, Wohnungen und Schulen ein. Die Armee kam zum Einsatz. Trinkwasser und Stromgeneratoren wurden verteilt. Es gab Berichte über erste Plünderungen – es wurde mit hohen Strafen gedroht. Präsident Petr Pavel besuchte das Katastrophengebiet.
In Polen erreicht Hochwasserwelle Stadt an der Oder
In Polen hat die Hochwasserwelle nun die Region nahe Breslau (Wroclaw) im Westen erreicht. In der Kleinstadt Olawa 26 Kilometer südöstlich der niederschlesischen Metropole betrage der Wasserstand derzeit 7,39 Meter und könne noch um fünf Zentimeter steigen, sagte Grzegorz Walijewski vom Meteorologischen Institut der Nachrichtenagentur PAP. Normal sind rund zwei Meter. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag werde die Flutwelle, die gegenwärtig Olawa bedrohe, Breslau erreichen.
Da in die Oder zwischen Olawa und Breslau noch mehrere Nebenflüsse münden, die ebenfalls viel Wasser führen, sei nicht ausgeschlossen, dass es in Breslau zu Hochwasser kommen werde, so der Experte. Der Pegelstand dort werde zwar nicht das Niveau von 1997 erreichen, doch die Flutwelle werde mindestens für anderthalb Tage anhalten. 1997 wurde die Stadt mit 630.000 Einwohnern zu einem Drittel überschwemmt.
Lage in der Slowakei entspannt sich
In der Slowakei entspannt sich die Hochwassersituation langsamer als zunächst erhofft. In der Hauptstadt Bratislava stieg der Wasserstand am Mittwochnachmittag leicht auf 9,85 Meter an. Der normale Wasserstand liegt im Durchschnitt bei drei Metern.
Vor allem aus Richtung Österreich floss weiteres Regen- und Schmelzwasser heran. Eine akute Gefahr für das Stadtzentrum bestehe trotzdem nicht mehr, versicherten die Behörden.
Flussabwärts entlang der Grenze zu Ungarn steigt die Donau weiter. Dazu tragen auch die aus dem Norden der Slowakei kommenden Nebenflüsse bei.
Italien erwartet Wolkenbrüche
Nach den Prognosen der Wetterdienste wird in weiten Teilen Italiens durch den Sturm «Boris» zumindest bis Freitag heftiger Regen bis hin zu Wolkenbrüchen erwartet. Der Meteorologe Lorenzo Tedici sagte am Mittwoch: «Wir werden mindestens 48 Stunden lang ein Unwetter erleben, das voll und ganz dem Herbst entspricht. Dieses Jahr sind die sintflutartigen Regenfälle ein wenig zu früh gekommen.»
Steigende Wasserstände in Deutschland
In mehreren Flüssen im Osten Deutschlands steigen die Wasserstände. In Brandenburg traten die Lausitzer Neisse, Elbe und Spree über die Ufer. In Sachsen zeigte sich Landesumweltminister Wolfram Günther (Grüne) zuversichtlich, dass die Überschwemmungen den Freistaat weniger dramatisch treffen könnten als befürchtet. Dagegen bleibt die Lage in den Hochwassergebieten von Polen, Tschechien bis hin nach Österreich angespannt. Die Zahl der Todesopfer stieg indes auf insgesamt mehr als 20.
In Brandenburg bereiten sich die Behörden auf steigende Wasserstände angesichts des Hochwassers im Nachbarland Polen vor. Es gilt bislang Hochwasser-Alarmstufe 1 zum Beispiel am Pegel der Lausitzer Neisse in Klein Bademeusel bei Cottbus, wie aus dem Hochwasserportal des Landes hervorgeht. Bei der untersten Alarmstufe 1 von insgesamt vier Stufen beginnen Gewässer übers Ufer zu treten.
AFP/sas
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