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Keller-Sutters Rentenallianz wackelt

Die FDP will die Überbrückungsrente erst ab 62: Petra Gössi (links), Beat Walti und Justizministerin Karin Keller-Sutter. Foto: Peter Schneider (Keystone)
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Als die Stimmberechtigten 2014 die Masseneinwanderungsinitiative (MEI) annahmen, war das für weite Teile der Politik ein Schock. Die Mehrheit war hauchdünn, die potenziellen Folgen waren weitreichend. Ein ähnliches Szenario möchte der Bundesrat verhindern, wenn das Volk voraussichtlich im Frühling 2020 über die Begrenzungsinitiative der SVP abstimmt. Diesmal wäre die Situation klar: Die Schweiz müsste das Personenfreizügigkeitsabkommen kündigen.

Mit einer Rente für ältere Arbeitslose will der Bundesrat die Begleiterscheinungen des härter werdenden Wettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt abfedern und die Akzeptanz des Bilateralismus stärken. Die Sozialhilfequote der über 60-Jährigen ist in den letzten acht Jahren um fast 50 Prozent gestiegen, so stark wie in keiner anderen Altersgruppe. Nun soll, wer nach dem 60. Geburtstag ausgesteuert wird, künftig bis zum AHV-Alter eine Übergangsrente bekommen. Diese wäre ungefähr in der Höhe der Ergänzungsleistungen – eine Alternative zur Sozialhilfe.

SVP bestürzt, FDP kritisch

Der Bundesratsvorschlag gilt als Resultat gewerkschaftlich-bürgerlicher Zusammenarbeit. Auch dank Einbezug der Sozialpartner habe man sich geeinigt, sagte FDP-Justizministerin Karin Keller-Sutter bei der Präsentation der Vorlage im Mai.

Nun driften aber die Stellungnahmen von Gewerkschaftsbund (SGB) und FDP weit auseinander, wie sich am Ende der Vernehmlassung zeigt: Der Gewerkschaftsbund fordert, die Rente sei schon ab 57 Jahren zu gewähren. Die FDP hingegen will, dass erst über 62-Jährige die Überbrückungsleistung bekommen. Die CVP ist auf Bundesratslinie, die SVP lehnt die neue Rente grundsätzlich ab. Laut Vernehmlassungsantwort ist die SVP bestürzt, dass der Bundesrat Schaden in Kauf nehme, «nur um eine anstehende Volksinitiative zu bekämpfen».

Die Vorlage soll die Arbeitnehmer positiv stimmen, aber auch die Kantone und die Gemeinden.

Auch FDP-Fraktionschef Beat Walti hat Vorbehalte. Seine Partei werde die Vorlage beurteilen wie jede andere auch, und sie tue das in der Regel nicht mit Blick auf irgendein Bedrohungsszenario, sagt Walti. Ob die FDP unter Umständen auch einer Eintrittsschwelle unter 62 zustimmen könnte, damit der Kompromiss zustande komme, will er noch nicht sagen. Nur dies: «Die FDP ist erstens nicht der verlängerte Arm der Arbeitgeber, und zweitens lassen wir uns mit Blick auf die Personenfreizügigkeit nicht in Geiselhaft nehmen.» Wenn linke Parteien und Gewerkschaften sich dem bilateralen Weg dereinst in den Weg stellten, müsste sie dies begründen und dafür geradestehen.

Pierre-Yves Maillard, Präsident des Gewerkschaftsbunds, sieht den Kompromiss nicht in Gefahr. Es sei normal, dass man in einer Vernehmlassungsantwort weitgehende Forderungen postuliere, sagt er. Wichtig sei, dass die FDP auf das Geschäft eintrete. Man werde sich wohl in der Mitte finden. Der Kanton Waadt, wo Maillard zuvor Sozialdirektor war, kennt seit 2011 eine ähnliche Überbrückungsleistung, wie sie der Bund nun plant. «Wir fahren gut damit», sagt Maillard. Befürchtungen, dass vermehrt ältere Personen entlassen würden und die Bezügerzahlen in die Höhe schnellten, hätten sich nicht bewahrheitet.

Kostenlose Beratung

Finanziell wäre die Überbrückungsleistung heute zu bewältigen, doch das könnte sich ändern. Im letzten Jahr wurden 2600 Personen über 60 ausgesteuert, mittelfristig rechnet der Bund mit jährlich 5000, was Ausgaben von 40 Millionen Franken entspricht. Bis 2030 würden die Aufwendungen jedoch auf 260 Millionen pro Jahr steigen, schätzt das Bundesamt für Sozialversicherungen. Demgegenüber werden bei der Sozialhilfe zunächst 30, später 50 Millionen pro Jahr eingespart. Neben der Rente will der Bundesrat auch das Engagement für einen Verbleib der Arbeitnehmer im Job verstärken: mit kostenloser Beratung schon für Stellensuchende ab 40.

Die Vorlage soll nicht nur die Arbeitnehmer positiv stimmen, sondern auch die Kantone und Gemeinden. Sie würden bei der Sozialhilfe und den Wiedereingliederungsmassnahmen für Stellensuchende entlastet, und der Bund würde die Überbrückungsleistungen allein tragen. Die Angst vor einem neuerlichen Sieg der SVP an der Urne ist also gross. Und sie wird wohl auch die Einigkeit im Parlament fördern, wenn die Vorlage in den nächsten Monaten beraten wird.