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Zinsgipfel erreicht
Nationalbank erhöht Leitzins nicht – das sind die Folgen

Swiss National Bank's (SNB) Chairman of the Governing Board Thomas Jordan gestures during a media briefing at the Swiss National Bank in Zurich, Switzerland, on Thursday, June 22, 2023. (KEYSTONE/Michael Buholzer).
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Die Schweizerische Nationalbank (SNB) legt nach fünf Leitzinserhöhungen in Folge eine Pause ein. Der Leitzins bleibt bei 1,75 Prozent. Die Mehrheit der Marktteilnehmer hatte eine weitere Erhöhung auf 2 Prozent erwartet.

Warum erhöht die Nationalbank den Leitzins nicht?

Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der SNB Geld leihen können. Gleichzeitig werden auch die Sichtguthaben der Banken bei der SNB mehrheitlich zu diesem Satz verzinst. Alle anderen Zinsen – für Hypotheken, Firmenkredite, Anleihen – richten sich nach ihm aus.

Die Nationalbank will damit die Inflation bekämpfen. Denn höhere Zinsen wirken bremsend auf die Wirtschaft. Sie dämpfen beispielsweise über höhere Kreditkosten die Investitionen der Unternehmen und über teurere Hypotheken die Nachfrage nach Häusern und Wohnungen.

Doch die Inflation ist in den letzten Monaten auf 1,6 Prozent gefallen und liegt damit wieder innerhalb des von der SNB angestrebten Zielbands zwischen 0 und 2 Prozent. Thomas Jordan und seine Kollegen im Direktorium sind nun offenbar zur Überzeugung gekommen, dass die Inflationsgefahr damit zumindest vorerst gebannt ist und eine weitere Zinserhöhung nicht notwendig ist.

Beim letzten Leitzinsentscheid im Juni hatte Jordan noch den Eindruck vermittelt, es seien weitere Zinserhöhungen nötig, die Inflation sei noch nicht unter Kontrolle. Steigende Mieten, Strompreise und die Erhöhung der Mehrwertsteuer würden die Teuerung bald wieder auf über 2 Prozent treiben. Die SNB müsse verhindern, dass sich über Preis- und Lohnanpassungen die Inflation fortsetzen könne.

Nun scheinen Jordan und seine Kollegen zum Schluss gekommen zu sein, die Wirtschaft habe sich bereits genügend abgekühlt und die Inflation sei unter Kontrolle.

Vor einer Woche hat die Europäische Zentralbank ihren Leitzins um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Damit vergrössert sich die Zinsdifferenz zum Euroraum. Das dürfte die Lust der Investoren auf Frankenanlagen dämpfen und den Franken damit schwächen.

Was bedeutet der Zinsentscheid für Hypothekarnehmer?

Eigentümer mit einer Saron-Hypothek können aufatmen, die gefürchtete Erhöhung bleibt aus. Der Kurzfristzinssatz Saron wird von der Nationalbank zur Durchsetzung ihrer Geldpolitik möglichst nahe am Leitzins gehalten. 

Für die Saron-Hypothek rechnen Banken eine Marge von 0,8 bis 1 Prozent dazu. Ihr Zinssatz stieg deshalb im Gleichschritt mit dem Leitzins stark an und rückte ungewöhnlich nahe an die Zinssätze der Festhypotheken heran.

Dank dem Verzicht auf einen Zinsschritt werden Saron-Hypotheken nun nicht teurer. Auch der Druck auf höhere Festhypothekenzinsen fällt nun weg.

Welches sind die Folgen für Mieterinnen und Mieter?

Gemäss Mietrecht dürfen Vermieter die Mieten erhöhen, wenn der Referenzzinssatz, der sich aus dem Durchschnitt der Zinssätze aller inländischen Hypothekarkredite berechnet, angehoben wird. Das ist im Juni erstmals geschehen, viele Mieten steigen deshalb ab Oktober. 

«Der Zinsauftrieb durch neu abgeschlossene Hypotheken ist so stark, dass eine zweite Anhebung des Referenzzinssatzes für Mietverhältnisse im Dezember unvermeidlich ist», sagt Fredy Hasenmaile, Chefökonom der Raiffeisen Schweiz. Der Verzicht der Nationalbank auf den neusten Zinsschritt kann daran nichts ändern.

Auch eine dritte Anhebung des Referenzzinssatzes hält Hasenmaile für «ziemlich sicher». Allerdings dürfte diese nun nicht wie erwartet auf Anfang 2025 erfolgen, sondern erst in der zweiten Hälfte 2025.

War vom ersten Referenzzinsanstieg schätzungsweise knapp die Hälfte aller Miethaushalte potenziell von Erhöhungen betroffen, dürfte nach dem zweiten Referenzzinsanstieg bei rund zwei Dritteln aller Mietverhältnisse die Möglichkeit einer Erhöhung bestehen, schätzt Raiffeisen.

Weil die meisten Vermieter die Erhöhung des Referenzzinssatzes nutzen, um einen Teil der aufgelaufenen Teuerung an die Mieter weiterzugeben und allgemeine Kostensteigerungen geltend zu machen, steigen die Mieten meist stärker als um 3 Prozent. Die schweizweite Mietpreisteuerung dürfte deshalb im Verlaufe des nächsten Jahres zeitweise auf 8 Prozent klettern, so die Schätzung der Raiffeisen.

Die Konjunkturforschungsstelle KOF schätzt, dass die Mieterhöhungen infolge der Anhebung des Referenzzinses im nächsten Jahr für 0,9 Prozentpunkte der prognostizierten Inflationsrate von 1,5 Prozent verantwortlich sein werden.

Was bedeutet der Entscheid für die Sparerinnen und Sparer?

Die Banken erhöhen die Zinsen auf Sparkonten nach den Zinsschritten der Nationalbank nur sehr zögerlich. Während der Leitzins seit Mai 2022 um 2,75 Prozentpunkte gestiegen ist, erhöhten die Banken den Zins auf Spareinlagen gemäss SNB-Statistik im Schnitt bloss um 0,6 Prozent. Die Kantonalbanken erzielen Rekordgewinne.

Nun dürfte der Druck auf die Banken eher nachlassen, ihre Sparzinsen zu erhöhen. Die Sparer verlieren weiter Geld auf dem Sparkonto. Anfang Jahr verloren sie nach Abzug der Inflation im Schnitt 3 Prozent, zurzeit noch 1 Prozent.

Wie wirkt sich der Zinsentscheid auf Arbeitsmarkt und Löhne aus?

Trotz Arbeitskräftemangel und Forderungen nach Teuerungsausgleich fallen die Lohnerhöhungen bisher bescheiden aus. Die Löhne steigen im laufenden Jahr um weniger als die Teuerung im Vorjahr.

Selbst wenn die Inflationsraten nicht weiter steigen sollten, müssen die Haushalte die gestiegenen Kosten dauerhaft tragen, denn die Mieten und viele Preise gehen nicht auf das frühere Niveau zurück. Auch für das kommende Jahr erwartet die KOF keinen Reallohnfortschritt. Von einer Lohn-Preis-Spirale, wie sie die Nationalbank befürchtet, ist derzeit nichts zu sehen.

Die Zahl der online ausgeschriebenen Stellen, die in den letzten zwei Jahren stark gestiegen ist, geht nun zurück, wie der Swiss-Job-Tracker zeigt. Die Kooperation von KOF, Universität Lausanne und der Arbeitsmarkt-Forschungsfirma X28 ermöglicht eine Beobachtung des Schweizer Arbeitsmarkts in Echtzeit. Auch der Frühindikator des Basler Arbeitsmarktexperten George Sheldon deutet auf einen Abschwung auf dem Arbeitsmarkt hin.

Wegen der konjunkturellen Abkühlung erwartet die Expertengruppe Konjunkturprognosen des Bundes einen Anstieg der Arbeitslosenquote von 2 auf 2,3 Prozent im nächsten Jahr.

Was bedeutet das für Schweizer Unternehmen?

Der Verzicht auf die Leitzinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte habe kurzfristig keinen grossen Effekt auf die Konjunktur, sagt KOF-Ökonom Alexis Perakis. Weit wichtiger als die Zinshöhe sei für die Schweizer Unternehmen die Entwicklung der Weltwirtschaft. «Wenn sich die Wirtschaft der wichtigen Handelspartner abkühlt, macht dies der Schweizer Exportwirtschaft weit mehr zu schaffen als ein um ein Viertelprozent höherer Zins», so Perakis. 

Die nachlassende Weltnachfrage, vor allem aus Deutschland und China, belastet die Exportwirtschaft. Immerhin schwächt der Verzicht auf die Zinserhöhung tendenziell den Franken, nachdem er im laufenden Jahr deutlich aufgewertet wurde. Das hilft dem Export und dem Tourismus etwas.